Russische Triebwerke für chinesische Jagdflugzeuge
Der Gesamtbedarf Chinas an russischen Triebwerken beträgt mehr als 250 Stück. Das kann dem Herstellerunternehmen und Russland wenigstens 900 Millionen US-Dollar bringen.
MOSKAU, 06. Februar (Viktor Litowkin, RIA Novosti). Das föderale staatliche unitäre Unternehmen MMPP Saljut setzt die Arbeit an der Umsetzung eines Vertrages über die Lieferung des Flugzeugtriebwerkes AL-31 FN und seiner modifizierten Variante AL-31 FN M1 nach China fort. Mit diesen Triebwerken wird das neue leichte, einmotorige Jagdflugzeug Chengdu J-10 ausgerüstet, bzw. die Super-10, wie es auch genannt wird.
Das Kampfflugzeug Chengdu wird manchmal auch als chinesische Variante des israelischen Jagdflugzeuges Lavi bezeichnet. Die Firma IAI aus Tel Aviv hatte es noch in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt. Aber unter dem Druck der USA, die in dieser Maschine für ihr Jagdflugzeug F-16 Falcon eine Konkurrenz auf dem Weltmarkt sahen, musste dieses Projekt eingestellt werden. Israel verkaufte seine Zeichnungen und technologischen Unterlagen zu Vorzugsbedingungen an China, um irgendwie die Ausgaben für die Arbeit am eigenen "Wunderjagdflugzeug" auszugleichen. Ungeachtet dessen, dass das Pentagon auch hier seine Unzufriedenheit zum Ausdruck brachte, weil Peking damit ein Flugzeug bekam, das die Luftherrschaft im Raum des "ungehorsamen Taiwans" sichern kann, und sogar einige Sanktionen gegen die israelische Verteidigungsindustrie verhängte, kam der Deal zustande. China führte das Projekt zu jenen taktisch-technischen Daten, die für seine Armee erforderlich waren.
Heute kann man die J-10 bereits nicht mehr als einen Klon des israelischen Flugzeuges bezeichnen. Ihrer Konstruktion nach gleicht sie mehr dem Jagdflugzeug Eurofighter. Ihre Bugverkleidung, die Linien der Kabinebeleuchtung und der vorderen Abdeckung erinnern an analoge Teile der MiG-29. Das kommt nicht von ungefähr. Russland hat China wesentliche Hilfe bei der Entwicklung der Super-10 erwiesen. Die Hilfe kam zum Beispiel auch vom Unternehmen MMPP Saljut, das für die Ausrüstung der Maschine sein Turbinenluftstrahltriebwerk AL-31 FN M1 angeboten hat. Mit diesen Triebwerken sind die russischen schweren Jagdflugzeuge Su-27 und Su-30 ausgerüstet, und zwar auch jene, die an China geliefert werden.
Aber das modernisierte zweiwellige Zweistromtriebwerk AL-31 NF M1 unterscheidet sich doch von seinen Vorgängern. Der Triebwerksschub zum Beispiel vergrößerte sich von 12 500 kp auf 14 000 kp. Die Zeit zwischen den Reparaturen stieg auf 600 Stunden, die Sollbetriebszeit auf 1800 Stunden und die Betriebsdauer auf insgesamt zehn Jahre.
Außerdem wird das Triebwerk AL-31 FN M1 mit einer verstellbaren Düse versehen. Das verleiht dem Jagdflugzeug einzigartige Manövrierfähigkeiten. Es kann sich, so die Piloten, "um seinen Schwanz drehen". Folglich bekommt es enorme Vorzüge vor ausländischen Analoga, darunter auch vor der amerikanischen F-16 in einem Luftkampf, sei es ein Übungs- oder ein realer Luftkampf.
Das Unternehmen Saljut lieferte schon 54 Triebwerke AL-31 FN an Peking. Wie Juri Jelissejew, der Generaldirektor von Saljut, sagte, wird das Unternehmen für die Chengdu J-10 100 Triebwerke für eine Summe von 300 Millionen US-Dollar liefern. "Dieser Vertrag wird es ermöglichen, unsere Zusammenarbeit mit China auszubauen und uns nicht nur auf die Produktion von Triebwerken für die Su-Familie zu beschränken", erklärte er.
Nach einer Schätzung von Experten macht der Gesamtbedarf Pekings an den Triebwerken AL-31 FN und AL-31 FN M1 mehr als 250 Stück aus. Das kann dem Unternehmen Saljut und Russland wenigstens 900 Millionen US-Dollar bringen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass China den nächsten Vertrag über die Lieferung russischer Triebwerke und deren Komplettierungsteile für sein neues Jagdflugzeug in Höhe von 1,2 bis 1,4 Milliarden US-Dollar abschließen wird.
Es kommt darauf an, dass sich die Beteiligung Russlands an der Entwicklung des chinesischen Jagdflugzeuges nicht auf die Familie der Triebwerke AL-31 FN beschränkt. Neben dem Saljut-Triebwerk ist an der Chengdu J-10 auch die Funkmess-Station der Baureihe "Schuk" ("Käfer") installiert, die in der Moskauer Korporation "Phasotron-NIIR" entwickelt wurde. Sie heißt "Schemtschug" ("Perle"). In der Pilotenkabine gibt es einen Schleudersitz, der im Moskauer Forschungs- und Produktionsunternehmen "Swesda" ("Stern") entwickelt wurde. Zur Bewaffnung des Jagdflugzeuges gehören Raketen RWW-AE und R-73E, die in der Korporation "Taktische Raketenwaffen" in Reutow, einer Stadt bei Moskau, entwickelt wurden. Im Ganzen ist das eine gute moderne Maschine.
Ursprünglich war die Super-10 als ein Flugzeug der Luftherrschaft geplant. Heute wurde sie ein Mehrfunktionsjagdflugzeug, das Luft-, Erd- und Seeziele bekämpfen kann.
Nebenbei gesagt, brachte die gemeinsame Arbeit mit chinesischen Spezialisten an der Entwicklung der Chengdu J-10 die russischen Flugzeugkonstrukteure auf den Gedanken, auch ein einheimisches Mehrfunktionsjagdflugzeug mit einem Triebwerk zu entwickeln. Zur Bewaffnung der russischen Luftstreitkräfte gehören heute Jagdflugzeuge, Bombenflugzeuge und Schlachtflugzeuge, die (ausgenommen Übungsflugzeuge und Übungskampfflugzeuge) mit zwei Triebwerken versehen sind. Bislang galt es, dass dies zuverlässiger ist. Ein solches Flugzeug kann auch viel mehr Bewaffnung an Bord nehmen als eine Maschine mit einem Triebwerk.
Aber die Erfahrungen der chinesischen J-10, der französischen Mirage 2000, der schwedischen Gripen, der israelischen Lavi und vieler anderer analoger Flugzeuge zeugen davon, dass hier nicht alles so eindeutig ist, wie es früher schien. Der Generaldirektor Juri Jelissejew sagte, dass Russland wahrscheinlich auch mit der Entwicklung eines Jagdflugzeuges mit einem Triebwerk beginnen wird. Diesen Gedanken äußerte vor kurzem auch der Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte, Wladimir Michailow, auf einer Pressekonferenz. Er sagte, dass das russische Jagdflugzeug der fünften Generation in zwei Varianten - mit einem Triebwerk und mit zwei Triebwerken - hergestellt werden kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch eine von Indien bekannt gegebene Ausschreibung für den Erwerb neuer leichter Jagdflugzeuge russische Flugzeugbauer zu einer solchen Entscheidung angespornt hat. Indien will ein verhältnismäßig billiges Kampfflugzeug mit einem Triebwerk haben. Dann soll es ein solches Flugzeug auch bekommen.
http://de.rian.ru/analysis/20060206/43359836.html