Geschichte der Luftraumüberwachung

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Lothringer

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Im Jahre 1955 legten die Signatarstaaten des Staatsvertrages die Verantwortung für die Wahrung der Souveränität in die Hände der österreichischen Bundesregierung. Der Verantwortung für den Luftraum kam im Jahre 1955 ein ganz anderer Stellenwert zu als im Jahre 1938, als Österreich seine Souveränität verloren und die bescheidenen Luftstreitkräfte der 1. Republik zu existieren aufgehört hatten. 1938 hatte man noch in der Vorstellung gelebt, dass der Luftkrieg nur den Landkrieg ergänzte und im Wesentlichen über dem Gefechtsfeld stattfand. War man nicht in einen Landkrieg involviert, so fand auch kein Luftkrieg statt. Der Zweite Weltkrieg und die ersten Jahre des Kalten Krieges hatten dieses Bild vollkommen verändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der Luftraum eines jeden souveränen Staates in Europa einen potentiell militärischen Operationsraum dar, auch wenn der betroffene Staat am Boden gar nicht von den kriegerischen Auseinandersetzungen berührt wurde und der Krisenherd mehr als 1000 Kilometer weit entfernt lag. Das veränderte den Stellenwert der Lufthoheit grundsätzlich. Stellte ein Staat seinen Luftraum für eine Luftkriegsoperation zur Verfügung, so ergriff er Partei für jene Macht, die ihn benützte und hatte mit politischen und militärischen Reaktionsmaßnahmen seitens der gegnerischen Partei zu rechnen.
Ganz besonders traf dies für die Neutralen zu. Die Republik Österreich hatte, wie im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen zugesagt, am 26. Oktober 1955 die „Immerwährende Neutralität nach dem Muster der Schweiz“ erklärt. Schweden und die Schweiz bauten nach dem Zweiten Weltkrieg starke Luftstreitkräfte auf, um ihr politisches Überleben als souveräne und neutrale Staaten zwischen den um ihre Abgrenzung ringenden Machtblöcken des Kalten Krieges zu gewährleisten. Die schwedische Luftwaffe war in den Fünfzigerjahren mit 55 Einsatzstaffeln kurzfristig die viertstärkste Luftwaffe der Welt.

Die Signatarstaaten -insbesondere die Sowjetunion des Staatsvertrages -dürften zu Recht erwarten, dass Österreich nun mit ähnlicher Konsequenz an die Wahrung seiner Neutralität herangehen würde . Allein Österreich stand zu diesem Zeitpunkt ohne jegliches Instrumentarium dar, welches eine auch nur demonstrative Wahrung der Lufthoheit ermöglicht hätte. Das sicherheitspolitische Risiko war dementsprechend hoch und die Erhaltung der erst kürzlich erlangten Souveränität stand auf tönernen Beinen, denn das Bundesheer war nicht in der Lage, die neutralitätspolitisch bedeutsame Kernkompetenz der Wahrung der Lufthoheit wahrzunehmen. Dies hatte außenpolitische Konsequenzen, die ebenso peinlich wie gefährlich waren.

Im Zuge der Suez-Krise 1956 und im Zuge der Libanon-Krise 1958 verletzten die Westmächte kontinuierlich mit Transportflugzeugen den österreichischen Luftraum.
Österreich verfügte weder über Mittel, um diese Luftraumverletzungen zu dokumentieren noch um darauf zu reagieren.

Die begreifliche und berechtigte politische Reaktion der Sowjetunion ließ nicht lange auf sich warten:

Der sowjetische Verteidigungsminister Malinowski zeigte anlässlich einer Rede in Österreich Verständnis dafür, dass die Alpenrepublik mangels geeigneter Ausrüstung nicht dazu in der Lage gewesen war, die amerikanischen Luftraumverletzungen zu verhindern und bot großzügig an, im Wiederholungsfall sowjetische Radaranlagen und Jagdflugzeuge nach Österreich zu entsenden.
Die nächste Äußerung seitens der Sowjetunion, 1958 durch Bulganin, war im Ton schon etwas schärfer gehalten.
Die dritte Erklärung seitens der Sowjetunion kam einer Drohung gleich. 1960 erklärte Chruschtschow: „Es ist ja nur eine Annahme, dass die österreichische Neutralität verletzt wird. Sollte dies aber der Falle sein, dann wird die gegebene Situation bestimmen, welche Mittel die Sowjetunion ergreifen würde. Jedenfalls aber wird, das möchte ich unterstreichen, die Sowjetunion nicht untätig bleiben...“
Zuerst das großzügige Hilfsangebot, dann der Protest, zuletzt die ungeschminkte Drohung. Die damalige Bundesregierung hatte die Botschaft verstanden, niemand wollte der Sowjetunion einen Vorwand liefern, wieder Truppen nach Österreich zu verlegen.

Die politische Führung zog die Konsequenzen. Im Jahre 1962 wurde in Salzburg das Flugmeldebataillon 1 aufgestellt, die Vorgängerorganisation des heutigen Kommando Luftraumüberwachung (Kdo LRÜ). Im gleichen Jahr wurde mit dem Bau der Radarstation Kolomansberg und einer verbunkerten Flugmeldezentrale begonnen.

Im Jahre 1967, während des Sechstagekrieges, wurde dieser neue Verband erstmalig alarmiert. Ein mobiles Radargerät verlegte nach Tirol und dokumentierte erstmals eine Luftraumverletzung.In die gefährliche Krise des Jahres 1968 (Tschechienkrise) ging die Republik Österreich auf Grund der nunmehr hergestellten Einsatzbereitschaft der Radaranlage und der Flugmeldezentrale auf dem Kolomansberg mit weit besseren Voraussetzungen.

Die Luftraumverletzungen wurden erkannt und durch die Flugmeldezentrale dokumentiert. Die Lagemeldungen der „FlumZ“ bildeten die Grundlage für diplomatische Proteste der Bundesregierung. Seit dem August 1968 ist die österreichische Luftraumüberwachung rund um die Uhr im Einsatz. Schon 5 Jahre später, 1973 erteilte die Bundesregierung den Auftrag zur Schaffung eines modernen integrierten Flugverkehrskontroll- und Luftraumbeobachtungssystems, dem Projekt „GOLDHAUBE“. Der damalige Bundeskanzler Kreisky war sich der Bedeutung der Luftraumüberwachung für die Außen- und Neutralitätspolitik voll bewusst.
1985 kaufte die Republik Österreich 24 grundüberholte Saab 35
Österreich verfügte ab 1988, als die Drakenflotte ihren Betrieb aufnahm, mit der „GOLDHAUBE“ über das modernste Luftraumbeobachtungssystem Europas und mit dem Draken über eine glaubwürdige und nach dem damaligen Stand der Technik noch durchaus effektive aktive Komponente zur Wahrung der Souveränität und Neutralität in der Luft. Seit der Verfügbarkeit der Draken-Abfangjäger verletzte übrigens kein Aufklärer des Warschauer Paktes mehr vorsätzlich den österreichischen Luftraum.
Das Luftraumüberwachungssystem und die ersten Drakenpiloten hatten bald einen schwierigen Kriseneinsatz zu bewältigen. Bei diesem Einsatz ging es nicht mehr nur um die Wahrung der Neutralität, um das Abfangen nicht genehmigter Transportflüge, sondern vor allem darum, die offensichtlich außer Rand und Band geratenen jugoslawischen Streitkräfte daran zu hindern, ihre Operation gegen Slowenien auf österreichischem Territorium fortzusetzen.

Der Krieg in Jugoslawien eskalierte zum ersten Krieg der NATO seit ihrem Bestehen. Luftstreitkräfte spielten dabei eine entscheidende Rolle. Der österreichische Luftraum wurde zum Aufmarschraum, zumindest für jene Kategorien von Flügen, die die österreichische Bundesregierung genehmigt hatte, und es war Auftrag der Luftraumüberwachung, die von der Bundesregierung gewollte Ordnung im Luftraum zu überwachen und durchzusetzen. Zweite Aufgabe war es, die Regierung über die Entwicklung der Lage auf dem Balkan zu informieren.
Die österreichischen Luftstreitkräfte haben mit der modernen „GOLDHAUBE“ und den 24 „alten“ Draken die geforderten Aufgaben erfüllt und sich dabei europaweit den Ruf der reaktionsschnellsten und effizientesten Luftpolizei erworben.

Im Jahre 1997 übte die österreichische Luftraumüberwachung erstmals gemeinsam mit anderen europäischen Luftwaffen. Bis 2002 folgten 5 weitere multinationale Übungen. Mit großem Erfolg wurden ausländische Frühwarnflugzeuge, Abfangjäger und Mobilradaranlagen in das System „GOLDHAUBE“ integriert. Das in Österreich entwickelte Verfahren zur Koordination des zivilen und militärischen Flugverkehrs gilt als eines der flexibelsten und sichersten überhaupt.

Die österreichische Luftraumüberwachung leistet heute einen bedeutsamen Beitrag zur Sicherheit im Luftraum über der Europäischen Union.

Quelle: http://www.bmlv.gv.at/organisation/beitraege/lrue/geschichte.shtml
 
GerhardJ65

GerhardJ65

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Hallo
Im Truppendienst Spezial steht auch ein guter Bericht drinnen. Eventuell ist er auf der Bundesheerhomepage zu lesen.

Gerhard
 
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