Bleiente
Alien
Anfang September kommt ein US-Amerikaner nach Burg (Jerichower Land), der den Ort zum letzten Mal vor 60 Jahren gesehen hat. „Joe“ Joseph Antony Peterburs – heute 80 Jahre alt – war am 10. April 1945 über der Stadt abgeschossen worden. Werner Dietrich aus Burg hat sich seit Anfang der 90 er Jahre mit diesem Fall beschäftigt und den Oberst a. D. ausfindig gemacht.
Burg. 10. April 1945 gegen 12 Uhr. Luftalarm in Burg. Werner Dietrich ist zehn Jahre alt. Er rennt mit seinen Klassenkameraden von der Schule nach Hause. Über sich hört er plötzlich Motorengeräusche, das Tackern von Maschinengewehren und das Ploppen von Bordkanonen. Sechs graue „Focke Wulf“ der Luftwaffe und sechs silberne „Mustangs“ der Amerikaner im Luftkampf. Vom Hof aus sieht der Zehnjährige das Aufundab am wolkenlosen blauen Himmel. Ein deutscher Jäger kommt ins Trudeln, zerschellt am Boden. Das Gefecht verlagert sich nach Norden.
Als der Kampflärm gerade ein wenig abgeflaut ist, fliegt ein einzelner silberner Jäger über das Haus der Dietrichs. Der 1500-PS-Merlinmotor hat keine Drehzahl mehr. Die „Mustang“ lahmt.
Pilot Joseph Antony Peterburs kommt aus Richtung Finsterwalde. Dort hat er gemeinsam mit Captain Tracy den Regierungsflugplatz angegriffen. Tracy wurde von der Leichten Flak abgeschossen, Peterburs Jäger schwer beschädigt. „Joe“ flog daraufhin Richtung Elbe. Bei Rogätz (Ohrekreis) – acht Kilometer von Burg entfernt – stehen amerikanische Panzer, weiß er.
Plötzlich taucht wieder eine „Graue“ auf. Ein ungleicher Kampf beginnt. Die „Mustang“ fliegt kurze Haken, wird dreimal von der „Fw 190“ mit Raketen beschossen. Dietrich erinnert sich: „Zuerst kam die Flugzeugkanzel herunter. Dann war das an- und abschwellende Jaulen des Motors der trudelnden Maschine zu hören. Im selben Moment sah ich den weißen Schirm, der ostwärts trieb.“
Der Zehnjährige und sein Vater schwingen sich auf die Fahrräder und fahren den knappen Kilometer bis zur Absturzstelle. Vom Graben an der Zerbster Chaussee aus sehen sie eine schwarze Rauchwolke auf dem Acker. Drei Meter tief ist der Krater, den der Aufprall aus 5000 Metern hinterlassen hat. Zwei Drittel der „Mustang“ ragen nach oben. Munition und Benzin sind explodiert, außerdem die restlichen Phosphorbomben, die der Jäger an Bord hatte. Der zerfetzte Motor liegt ganz oben.
Vier Wochen später ist der Krieg zu Ende. Andere Dinge sind wichtiger, als ein abgeschmiertes amerikanisches Flugzeug.
...
Aber ausgraben, wollte er das Wrack. 1996 war es soweit. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst half. Kolben, Ventile, Hydraulikpumpe und einer der vier Propellerblätter hängen heute im Hobbyraum des 73-Jährigen, der inzwischen Experte in Sachen Kampfflugzeuge, Luftschlachten und Bodengefechte in der Region geworden ist.
Nachdem das Flugzeug der 55. Staffel ausgegraben worden war, wagte sich Dietrich doch daran, nach dem Piloten zu fahnden. Fünf Suchdienste in den USA spannte er ein. Schickte insgesamt 45 Briefe ab. An jeden, der nur im Entferntesten etwas über den Fall wissen konnte.
Der entscheidende Hinweis kam vom amerikanischen Generalmajor Walter Mody, zuständig für die Suche nach Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg. „Am 10. April 1945 sind acht, P 51 ‘ abgestürzt. Zwei davon in Burg. Ein Pilot starb, der andere kam in Gefangenschaft. Sein Name ist Joseph Antony Petersburg.“
Leider eine ungenaue Information. Denn die falsche Schreibweise – Petersburg anstatt Peterburs – hätte beinahe verhindert, dass der Amerikaner davon erfährt dass nach ihm ein Sachsen-Anhalter sucht. Doch nach 19 Monaten kam die Antwort von Colonel Joseph Antony Peterburs aus Colorado Springs. „Der Brief aus Burg war für mich wie eine Nachricht aus einer anderen Welt“, schrieb der Rentner.
Dietrich erfuhr die Nachabsturzgeschichte. Der US-Pilot war im Burger Ortsteil Gütter unweit der Ihle mit dem Fallschirm heruntergekommen. Dort war er gefangen genommen worden. Die erste Nacht hatte er im Burger Gefängnis zugebracht. Dort war er von einem Wärter verprügelt worden.
Später kam er ins Gefangenenlager nach Altengrabow (Jerichower Land). Wenige Tage später wurde er mit über 100 anderen Kriegsgefangenen nach Luckenwalde transportiert. Von dort konnte er über die Frontlinie fliehen – zu den Russen. Sie gaben ihm ein Gewehr in die Hand, und die letzten Kriegstage kämpfte er in der Roten Armee. Am 23. April, nachdem die US-Truppen über die Elbe gekommen waren, wechselte er die Seiten und schloss sich wieder seinen Landsleuten an.
Der Mann, dessen Vater einst von Hessen in die USA ausgewandert war, kämpfte während des Zweiten Weltkriegs noch in Südostasien, später im Korea- und Vietnamkrieg. Als Oberst befehligte er von 1972 bis 1978 6000 Mann in Wiesbaden.
1998 flog Werner Dietrich aus Burg über den Großen Teich nach Colorado Springs. Im Gepäck Kolben und Ventile der „Mustang“. „Leider nicht die Cockpitabdeckung mit der Aufschrift, Josephin ‘ – dem Namen von, Joes ‘ Ehefrau“, sagt der Burger. Das Teil hatte jahrelang als Abdeckung für einen Karnickelstall gedient.
Am 3. September kommt der US-Oberst a. D. nun zum Gegenbesuch. Nach 60 Jahren wird er an der Absturzstelle stehen. „Eingeladen habe ich auch einige deutsche Piloten von damals, sowie Zeitzeugen, zum Beispiel die Frau, die damals gesehen hat, wie, Joe ‘ in Gütter in Gefangenschaft geriet.“
Von Bernd Kaufholz
http://www.volksstimme.de/news/anhalt/magdeburg/show_fullarticle.asp?AID=727560&Region=Magdeburg&Template=FullArticle_kurz&Column=
Burg. 10. April 1945 gegen 12 Uhr. Luftalarm in Burg. Werner Dietrich ist zehn Jahre alt. Er rennt mit seinen Klassenkameraden von der Schule nach Hause. Über sich hört er plötzlich Motorengeräusche, das Tackern von Maschinengewehren und das Ploppen von Bordkanonen. Sechs graue „Focke Wulf“ der Luftwaffe und sechs silberne „Mustangs“ der Amerikaner im Luftkampf. Vom Hof aus sieht der Zehnjährige das Aufundab am wolkenlosen blauen Himmel. Ein deutscher Jäger kommt ins Trudeln, zerschellt am Boden. Das Gefecht verlagert sich nach Norden.
Als der Kampflärm gerade ein wenig abgeflaut ist, fliegt ein einzelner silberner Jäger über das Haus der Dietrichs. Der 1500-PS-Merlinmotor hat keine Drehzahl mehr. Die „Mustang“ lahmt.
Pilot Joseph Antony Peterburs kommt aus Richtung Finsterwalde. Dort hat er gemeinsam mit Captain Tracy den Regierungsflugplatz angegriffen. Tracy wurde von der Leichten Flak abgeschossen, Peterburs Jäger schwer beschädigt. „Joe“ flog daraufhin Richtung Elbe. Bei Rogätz (Ohrekreis) – acht Kilometer von Burg entfernt – stehen amerikanische Panzer, weiß er.
Plötzlich taucht wieder eine „Graue“ auf. Ein ungleicher Kampf beginnt. Die „Mustang“ fliegt kurze Haken, wird dreimal von der „Fw 190“ mit Raketen beschossen. Dietrich erinnert sich: „Zuerst kam die Flugzeugkanzel herunter. Dann war das an- und abschwellende Jaulen des Motors der trudelnden Maschine zu hören. Im selben Moment sah ich den weißen Schirm, der ostwärts trieb.“
Der Zehnjährige und sein Vater schwingen sich auf die Fahrräder und fahren den knappen Kilometer bis zur Absturzstelle. Vom Graben an der Zerbster Chaussee aus sehen sie eine schwarze Rauchwolke auf dem Acker. Drei Meter tief ist der Krater, den der Aufprall aus 5000 Metern hinterlassen hat. Zwei Drittel der „Mustang“ ragen nach oben. Munition und Benzin sind explodiert, außerdem die restlichen Phosphorbomben, die der Jäger an Bord hatte. Der zerfetzte Motor liegt ganz oben.
Vier Wochen später ist der Krieg zu Ende. Andere Dinge sind wichtiger, als ein abgeschmiertes amerikanisches Flugzeug.
...
Aber ausgraben, wollte er das Wrack. 1996 war es soweit. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst half. Kolben, Ventile, Hydraulikpumpe und einer der vier Propellerblätter hängen heute im Hobbyraum des 73-Jährigen, der inzwischen Experte in Sachen Kampfflugzeuge, Luftschlachten und Bodengefechte in der Region geworden ist.
Nachdem das Flugzeug der 55. Staffel ausgegraben worden war, wagte sich Dietrich doch daran, nach dem Piloten zu fahnden. Fünf Suchdienste in den USA spannte er ein. Schickte insgesamt 45 Briefe ab. An jeden, der nur im Entferntesten etwas über den Fall wissen konnte.
Der entscheidende Hinweis kam vom amerikanischen Generalmajor Walter Mody, zuständig für die Suche nach Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg. „Am 10. April 1945 sind acht, P 51 ‘ abgestürzt. Zwei davon in Burg. Ein Pilot starb, der andere kam in Gefangenschaft. Sein Name ist Joseph Antony Petersburg.“
Leider eine ungenaue Information. Denn die falsche Schreibweise – Petersburg anstatt Peterburs – hätte beinahe verhindert, dass der Amerikaner davon erfährt dass nach ihm ein Sachsen-Anhalter sucht. Doch nach 19 Monaten kam die Antwort von Colonel Joseph Antony Peterburs aus Colorado Springs. „Der Brief aus Burg war für mich wie eine Nachricht aus einer anderen Welt“, schrieb der Rentner.
Dietrich erfuhr die Nachabsturzgeschichte. Der US-Pilot war im Burger Ortsteil Gütter unweit der Ihle mit dem Fallschirm heruntergekommen. Dort war er gefangen genommen worden. Die erste Nacht hatte er im Burger Gefängnis zugebracht. Dort war er von einem Wärter verprügelt worden.
Später kam er ins Gefangenenlager nach Altengrabow (Jerichower Land). Wenige Tage später wurde er mit über 100 anderen Kriegsgefangenen nach Luckenwalde transportiert. Von dort konnte er über die Frontlinie fliehen – zu den Russen. Sie gaben ihm ein Gewehr in die Hand, und die letzten Kriegstage kämpfte er in der Roten Armee. Am 23. April, nachdem die US-Truppen über die Elbe gekommen waren, wechselte er die Seiten und schloss sich wieder seinen Landsleuten an.
Der Mann, dessen Vater einst von Hessen in die USA ausgewandert war, kämpfte während des Zweiten Weltkriegs noch in Südostasien, später im Korea- und Vietnamkrieg. Als Oberst befehligte er von 1972 bis 1978 6000 Mann in Wiesbaden.
1998 flog Werner Dietrich aus Burg über den Großen Teich nach Colorado Springs. Im Gepäck Kolben und Ventile der „Mustang“. „Leider nicht die Cockpitabdeckung mit der Aufschrift, Josephin ‘ – dem Namen von, Joes ‘ Ehefrau“, sagt der Burger. Das Teil hatte jahrelang als Abdeckung für einen Karnickelstall gedient.
Am 3. September kommt der US-Oberst a. D. nun zum Gegenbesuch. Nach 60 Jahren wird er an der Absturzstelle stehen. „Eingeladen habe ich auch einige deutsche Piloten von damals, sowie Zeitzeugen, zum Beispiel die Frau, die damals gesehen hat, wie, Joe ‘ in Gütter in Gefangenschaft geriet.“
Von Bernd Kaufholz
http://www.volksstimme.de/news/anhalt/magdeburg/show_fullarticle.asp?AID=727560&Region=Magdeburg&Template=FullArticle_kurz&Column=