Ein Lehrstück aus dem Kabul-Einsatz
Von Detlev SCHMALENBERG.
Die Bundeswehr arbeitet weiter mit einem umstrittenen Spediteur zusammen.
Die Festnahme von Oberstleutnant Harry H. hatte im Dezember vergangenen Jahres für helle Aufregung am Luftwaffenstützpunkt Wahn gesorgt. Weil sich der 56-jährige Offizier bei der Vergabe von Versorgungsflügen nach Afghanistan womöglich hat schmieren lassen, sei dem Steuerzahler ein Schaden von neun Millionen Euro entstanden, hieß es.
Dieser Verdacht scheint sich nun zu erhärten. Die Ermittler haben einen weiteren Hauptverdächtigen im Visier: Der Geschäftsführer der Fuldaer Speditionsfirma „Müller & Partner“ soll Drahtzieher im möglichen Korruptionsskandal der Bundeswehr gewesen sein. Gegen den Mann werde ermittelt, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Er soll eine Schmiergeldzahlung in Höhe von 25 000 Euro veranlasst haben.
Bisher hatte es immer nur geheißen, das Geld habe Oberstleutnant H. von einer ukrainischen Charter-Firma erhalten. Das Unternehmen aus Kiew besitzt die Flugzeuge, mit denen die Afghanistan-Transporte durchgeführt wurden. Doch die Ukrainer waren Subunternehmer der Spedition aus Fulda. Deren Geschäftsführer soll im April 2002 per E-Mail den Auftrag erteilt haben, das vermutliche Schmiergeld über die englische Bank HSBC an H. zu überweisen. „Please transfer 25 000 Euro“, zitiert das Magazin Focus aus dem Schreiben, das die Staatsanwaltschaft bei einer Durchsuchung gefunden hat.
Die Ermittlungen waren im Oktober 2002 durch Recherchen des Bundesrechnungshofes ausgelöst worden. In einem vertraulichen Prüfbericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, beschrieben die Prüfer haarsträubende Fehler bei der Vergabe der Flüge durch das „Bundesamt für Wehrverwaltung“ in Wahn. Zuständig für die Auswahl der Anbieter beim 70-Millionen-Dollar-Auftrag war Oberstleutnant H.
Die Liste der Vorwürfe war lang: unter anderem habe es keine Ausschreibung gegeben, die preiswertesten Anbieter seien nicht berücksichtigt worden und einige Firmen seien schon zu Beginn der Verhandlungen „ohne stichhaltige Begründung“ ausgeschlossen worden. Zudem wurde nur „mit ausgesuchten Bietern nachverhandelt“. In erster Linie mit der Spedition „Müller & Partner“, zu deren Gunsten die geforderten Leistungs- und Bewertungskriterien für die Aufträge nachträglich sogar noch geändert worden seien.
So seien beispielsweise Angebote für Hin- und Rückflüge nach Kabul eingeholt worden. Tatsächlich waren die Maschinen jedoch oft nur beim Hinflug beladen, so dass beim Heimweg Aufträge von anderen Auftraggebern angenommen werden konnten. Dies habe jedoch „aufgrund ihrer engen Kontakte“ zur Bundeswehr nur die Spedition aus Fulda gewusst, heißt es im internen Bericht.
Zudem habe der Auftrag ausschließlich für das größte Transportflugzeug der Welt, die russische Antonov Typ 124, gegolten. Im Vertrag mit der Müller-Spedition, die auch noch zahlreiche weitere Aufträge für Flüge in die USA, Djibouti oder Kuwait erhalten habe, sei dann aber auch die kleinere und preiswertere Iljuschin vom Typ 76 genehmigt worden.
Die vielfältigen Merkwürdigkeiten veranlassten die Prüfer im Oktober 2002 dazu, wegen des Verdachts der Korruption die Staatsanwaltschaft Köln einzuschalten. Trotzdem habe die Bundeswehr es damals versäumt, die Flüge nach Kabul unverzüglich neu auszuschreiben, heißt es im Bericht. Im Gegenteil: Der Vertrag mit Müller sei sogar noch bis September 2003 verlängert worden. Erst danach wurde europaweit ausgeschrieben.
Oberstleutnant H. hat mittlerweile zugegeben, die 25 000 Euro erhalten zu haben. Nachdem er eine Kaution hinterlegt hatte, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Ermittlungen wegen Untreue und Bestechlichkeit dauern an. H. wurde vom Dienst suspendiert.
Der mutmaßliche Drahtzieher der Affäre, von dem keine Stellungnahme zu bekommen war, arbeitet immer noch für die Bundeswehr. Unlängst erhielt seine Spedition vom Verteidigungsministerium den Zuschlag für weitere Versorgungsflüge im Umfang von 30 Millionen Euro. Die Firma habe bei der neuerdings durchgeführten europaweiten Ausschreibung das „wirtschaftlichste“ Angebot abgegeben, sagte Ministeriumssprecherin Barbara Spaethe. Die Kritik und Anregungen des Bundesrechnungshofes habe das Ministerium mittlerweile „vollständig berücksichtigt“. Jedoch sei nicht bewiesen, dass die Fuldaer Spedition tatsächlich in die mögliche Affäre verwickelt ist. „Sie dann bei der Ausschreibung auszuschließen, käme einer Vorverurteilung gleich“, meinte Spaethe.
Quelle:
www.ksta.de/html/artikel/1111143166501.shtml