Schorsch schrieb:
Aber gegen radargelenkte Flugkörper? Kann man das Radar effektiv stören? Die Sendeleistung ist nicht sonderlich groß, aber man müsste ja schon die Radarfrequenz halbwegs treffen. Und bei halbaktiven ist man gänzlich gelackmeiert, da das abschiessende Flugzeug ja den Radarstrahl auf einen hält.
Also, Radar kann man trefflich stören.
Ich gehe mal wieder von SAM aus:
1. Bekannteste und älteste Störmethode ist der Einsatz von Düppeln- im einfachsten Fall Aluminiumfolie in Streifen, die vom Flugzeug abgeworfen wird. Die Streifen verteilen sich großflächig und erzeugen auf dem Radarschirm große leuchtende Flecken, hinter denen das Flugzeug verschwindet. Erstmalig von den Briten im zweiten Weltkrieg angewandt. Da sich die Düppel irgendwann mit Windgeschwindigkeit bewegen, können sie über die SBZ (Selektion beweglicher Ziele) ausgeblendet werden. Weiterhin kann durch Erhöhung der Auflösung die Beobachtbarkeit des Zieles verbessert werden. Dritte Gegenmaßnahme wäre es, die unterschiedliche Polarisation der reflektierten Signale zu nutzen. Alle Gegenmaßnahme müssen konstruktiv in die Funkmeßstation eingerüstet sein.
Eine Erweiterung dieses Prinzips ist der Täuschkörper, der eine gleichgroße oder eine größere Rückstrahlfläche wie das Luftziel aufweist.
2. Aktive breitbandige modulierte Störungen. Die Störung wird hierbei mit einem Rauschsignal moduliert. Wenn man breitbandig stört, muss man die genauen Frequenzen der Radarstation nicht kennen, wenn man sie kennt, kann man schmalbandiger stören und stört damit effektiver. Diese Störungen erzeugen auf dem Bildschirm einen Hintergrund, auf dem die Ziele nicht mehr zu erkennen sind (auch einfache Rechner wären mit dem Filtern überfordert). Die meisten sowjetsichen Radarstationen verfügten über die Möglichkeit des Frequenzwechsels, und auch die Beleuchtungsradare waren in der Frequenz veränderlich. Allerdings waren sie nicht durchstimmbar, die Anzahl der Wechselfrequenzen begrenzt und z. B. bei der SA-6 die Frequenz mit Quarzen nur sehr umständlich bei Montage der Rakete in der Technischen Batterie zu wechseln. Man könnte also breitbandig stören, oder, wenn man die zu störenden Radarstationen kennt, schmalbandig im konstruktiv möglichen Spektrum dieser Stationen.
Gegenmaßnahme ist das Umstimmen der Radarstation, wenn möglich, oder der Einsatz einer auf anderen Frequenz schießenden Batterie. Auch deshalb sollten sich Sektoren der Batterien überlappen. Konstruktiv müssen die Russen aber die SA-6 so modifiziert haben, dass die Raketen entweder durchstimmbar waren oder auf der Startrampe die Frequenz gewechselt werden konnte.
3. Antwortstörungen als tarnende Rauschstörungen. Man detektiert das empfangene Signal, ermittelt die Frequenz, stimmt den Störgenerator auf diese Frequenz ab und moduliert ihn mit einem Rauschen. Ist im Prinzip dasselbe wie unter 2). Ohne sowjetische AA dieser Zeit zu kennen, behaupte ich mal, dass diese im Flug auch nicht durchstimmbar waren und mit dieser Methode gestört werden konnten.
4. Antwortsörungen als Impulsstörungen. Man detektiert das empfangene Signal, ermittelt die Frequenz, stimmt den Störgenerator auf diese Frequenz ab und sendet Impulse, die den Impulsen der zu störenden Radarstation ähnlich sind. Die Impulsfolgefrequenz weicht dabei von der Impulsfolgefrequenz der zu störenden Station ab, so dass die Impulse über den Bildschirm "laufen" und das reale Ziel nicht mehr erkannt wird. Funktioniert nur gegen Radarstationen, die mit Impulsen arbeiten, ist gegen Zielbeleuchter (Dauerstrich) wirkungslos.
Bei der Wirksamkeit von Störungen wäre zu beachten, dass eine Aufklärungsstation nie auf 360 Grad gestört werden kann, sondern nur in einem mehr oder weniger großen Sektor. Aber das kann ja taktisch schon entscheidend sein.
Weiterhin kann ich nie alle Frequenzen des Gegners gleichzeitig stören. Da sich die Physik "neutral" verhält, mache ich mir damit auch die eigenen Frequenzen zu. Deshalb ist es wichtig, sich schon vor Ausbruch eines Konfliktes gegnerische Frequenzen möglichst genau zu besorgen, und für die Gegenseite dies zu verhindern, deshalb durften in der DDR bei den meisten Radarstationen die Wechselfrequenzen nie in Betrieb genommen werden.
Gegen Störungen, besonders bei Aufklärungsstationen, kann ich als Funkorter, noch relativ viel unternehmen. Das ist eine Frage der Ausbildung. Dem Hörensagen nach waren die Amerikaner 1990 vom hohen Ausbildungsstand und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten unangenehm überrascht. Ich habe jedoch gut begründete Zweifel, dass sich libysche oder syrische Besatzungen auf gleich hohem Ausbildungslevel befanden.
Taktsich begegnet man Störungen am besten mit einem tiefgestaffelten System von Funkmessstationen, von denen die meisten die "Schnauze" halten und nur im Ernstfall aktiviert werden, so sind sie schwer aufklärbar und schlecht zu stören.
Für Flugzeuge kämen alle Arten von Störungen (außer passiven) in Frage, wenn es gilt, das gegnerische Bordradar zu stören. Daher kamen bei den Sowjets Bestrebungen auf, Jagdflugzeuge ohne Einsatz des Bordradars an das Ziel zu führen.
Wenn es darum geht, das Beleuchtungsradar zu stören, kämen Täuschkörper unter 1) sowie 2) und 3) für mich in Frage. Ich denke mal, diese Störmöglichkeit hat bei den LSK zur Bewaffnung eines Paares oder eines Flugzeuges mit Radar- und IR gleichzeitig geführt.
Gruß R.