Nie wieder unerreichbar
Vermutlich schon von Februar an wird die erste Fluggesellschaft ihren Passagieren erlauben, unterwegs das Handy zu benutzen. Doch das könnte alles andere als ein Grund zur Freude sein.
Auf Flugbegleiter konzentrieren sich oft die innigsten Wünsche von Passagieren: Wann kommt sie denn mit den Getränken? Könnte sie nicht mal das Tablett abräumen? Wo bleibt denn meine Decke? Hinzu kommt womöglich im Lauf des Jahres: Wann schaltet sie das System endlich von Reden auf Tippen um?
Dieses stumme Flehen dürfte die sozialverträglichste, aber vielleicht auch die einzige Methode sein, einem Dauer-Quatscher im Nachbarsitz das Wort abzuschneiden. Vermutlich schon von Februar an wird nämlich die erste Fluggesellschaft ihren Passagieren erlauben, unterwegs das Handy zu benutzen.
Hohe Kosten und Streit mit den Mitreisenden
Emirates, die Fluglinie Dubais, hat bereits eine Boeing 777 so aufgerüstet, dass sie auf Mobiltelefone wie ein Sendemast wirkt: Antennen im Kabinendach ziehen sämtliche Funksignale der Handys an sich. Die Geräte senden daher nur mit kleiner Leistung; eine weitere Antenne außen am Flugzeug leitet die Gespräche über Satelliten in die irdischen Telefonnetze.
Verantwortlich für diese Technik ist die britische Firma Aeromobile, die im Lauf des Jahres bei der australischen Qantas einen weiteren Versuch startet. Dort soll nur Tippen möglich sein, also Datendienste wie SMS und E-Mail. Das Gleiche will die Air France mit einem fabrikneuen Airbus A318 erproben, den sie im März übernimmt.
Etwas später wollen die britische BMI und die portugiesische TAP den Handygebrauch redend und tippend zulassen. Der Billigflieger Ryanair hat bereits Antennen und Schaltkästen für seine komplette Flotte bestellt. Die vier europäischen Gesellschaften nutzen Technik der Genfer Firma On-Air, an der sich Airbus beteiligt hat.
Und die Sicherheit?
Um ihre Sicherheit brauchen sich Flugpassagiere offenbar keine Sorgen zu machen. Obwohl sie jahrelang beim Schließen der Sicherheitsgurte zu hören bekamen, Mobiltelefone könnten die empfindliche Bordelektronik stören, sagt jetzt Erich Lutz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: "Wenn man eine Basisstation und Antennen ins Flugzeug einbaut, dann sind Handys überhaupt keine Gefahr mehr."
Die an Bord geführten Gespräche werden über die eigene Handyrechnung bezahlt - zu Tarifen von einigen Euro pro Minute. Bis zum Ende der Dekade sollen sie den Herstellern der Technik, den Mobilfunkgesellschaften und Fluglinien Umsätze bis zu einigen Milliarden Euro pro Jahr bescheren.
Dennoch zögern viele Gesellschaften, weil sie wegen des Gequassels Streit in der Kabine befürchten. Die Hersteller des Equipment geben darum dem Flugpersonal die Kontrolle darüber, wann das System - zum Beispiel nachts - nur noch lautloses Tippen von SMS oder E-Mails zulässt. Zudem lässt sich die Zahl der Gespräche pro Gast und Flug auf fünf begrenzen, und alle Passagiere müssen ihre Klingeltöne ausschalten.
Gewaltiges Interesse
Das Interesse sei gewaltig, verbreiten On-Air und Aeromobile nach eigenen Umfragen: Internationale Flugpassagiere und besonders Geschäftsreisende wünschten sich mehrheitlich, an Bord telefonieren zu können. Unabhängige Meinungsforscher kommen zu anderen Ergebnissen.
Der Londoner Firma Skytrax zum Beispiel, die Ranglisten von Fluglinien und -häfen erstellt, sagten 84 Prozent der Befragten, sie seien gegen die Freigabe des Telefonierens an Bord. Ähnliches bekam die Lufthansa zu hören, die darum keinesfalls die Handynutzung erlauben möchte. Linien-Chef Wolfgang Mayrhuber sagte im November dem Magazin Capital, Telefongespräche im Flugzeug seien Mitreisenden so lästig wie das Rauchen.
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