Ein robustes Mandat erfordert einen robusten Mandatsträger
Ich glaube, wenn man die Frage der Pirateriebekämpfung vor Somalia mit dem Einsatz der Bundeswehr im
Inneren (umstrittener Artikel 35 Abs.
2 und
3 des Grundgesetzes) verquickt, kommen dabei nur langanhaltende politische Querelen heraus, während weiterhin fröhlich unter den Augen der deutschen Marine gekapert wird. Also wäre es pfiffig, wenn man sich in Bundestag, Kanzleramt, Innen-, Justiz- und Verteidigungsministerium ausschließlich auf den Einsatz der Bundeswehr in internationalen sowie
ausländischen (
!) Gewässern konzentrieren würde und sich die Voraussetzungen dafür mal ansieht:
Zu EU-, NATO- und UN-Einsätzen zur Pirateriebekämpfung ermächtigt Artikel 24 Absatz 2 Grundgesetz. Eine konkrete deutsche Beteiligung wird dann zumeist in den internationalen Gremien durch den deutschen Vertreter im Auftrag der Bundesregierung vereinbart. Die Bundesregierung legt den räumlichen, personellen und zeitlichen Rahmen für die Entsendung fest und bestimmt auch die zu entsendenden Einsatzmittel. Vor einer Entsendung der Bundeswehr muss aber der Deutsche Bundestag gemäß
Parlamentsbeteiligungsgesetz diesem Einsatz zustimmen. Er kann nur zustimmen oder ablehnen, aber inhaltlich nichts ändern! Den Schwarzen Peter hat folglich der schwarze Franz-Josef, um’s mal salopp zu sagen.
Für alle anderen Einsätze, z. B. unmittelbar gemäß dem
UN-Seerechtsübereinkommen, stellt Artikel 25 Grundgesetz die Grundlage dar. Hier entscheidet wiederum die Bundesregierung über eine Entsendung der Bundeswehr, und auch hier muss der Bundestag entsprechend dem Parlamentsbeteiligungsgesetz zustimmen, wenn es sich – wie bei Fregatten - um bewaffnete Streitkräfte handelt. Ob
deutsche Staatsbürger auf See betroffen sind, ist rechtlich völlig unerheblich, politisch aber schon bedeutsamer.
Das Seerechtsübereinkommen enthält in Artikel 100 usw. klare Regeln zur Bekämpfung der Piraterie und des Sklavenhandels [sieh an, den gibt es immer noch!] sowie zur Aufbringung von Piratenschiffen. Die Aufbringung von Piratenschiffen in somalischen Hoheitsgewässern ist nach dem Seerechtsübereinkommen mit Einwilligung der somalischen ‚Föderalen Übergangsregierung’ bzw. ausdrücklich auch „an jedem anderen Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht“ (das sind faktisch mindestens 80% des somalischen Staates und sicherlich weite Küstengebiete; und wie man liest, hat Somalia nicht mal eine eigene Marine) gestattet: die Verhaftung der Piraten, die Beschlagnahme der Vermögenswerte und die gerichtliche Aburteilung dürfen bei einer Aufbringung sogar nach deutschem Recht erfolgen. Seeraub gilt in Deutschland als Form des Raubes (§ 249 ff. StGB) und wird üblicherweise mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn keine weiteren Delikte hinzukommen.
Ich gehe davon aus, dass die somalische Übergangsregierung zum Umgang mit aufgebrachten Piratenschiffen die Verfahrensweise in entsprechenden Abkommen mit den pirateriebekämpfenden Staaten vereinbart hat. Möglicher Weise wäre das aber schon zu viel verlangt...
Zweckmäßiger Weise ist in dem Seerechtsübereinkommen vorrangig die Rede von
Kriegsschiffen und
Militärluftfahrzeugen, da diese im Gegensatz zu den Polizeien hochseetauglicher und zum Aufbringen anderer Schiffe geeignet ausgerüstet sind. Ich unterstelle mal, dass diese Praxis als „allgemeines Seerecht“ Tradition hat und damit unmittelbares Bundesrecht ist. Demnach muss die Marine nicht einmal in Amtshilfe genommen werden. Sollte man das trotzdem für nötig halten, so wäre die hier in Rede stehende internationale seepolizeiliche Aufgabe nach § 6 Bundespolizeigesetz ausdrücklich der Bundespolizei zugewiesen, allerdings „nicht für Maßnahmen, die ausschließlich Kriegsschiffen vorbehalten sind.“ Spätestens an dieser Stelle wäre, wenn man auch hier nicht die Zuständigkeit der Seestreitkräfte ableitet, die
Amtshilfe der Bundesmarine für die Bundespolizei (nach Artikel 35 Absatz
1 Grundgesetz und § 4 Bundesverwaltungsverfahrensgesetz) eine
reine Formsache, da die Wasserschutzpolizeien und die
Bundespolizei See nicht die Ressourcen haben, auf den Weltmeeren herum zu schippern und mit Kanonen auf... äh... Piraten zu schießen – die deutsche Bundesmarine dagegen schon.
So. Und die Überschreitung eines erteilten Mandats durch die deutsche Marine ist wie folgt von der Parlamentsbeteiligung ausgenommen:
„Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.“
Wenn im In- oder Ausland Ereignisse passieren, muss man dafür auch nicht ständig das Grundgesetz ändern. Das Grundgesetz ist dazu da, dass man sich nach ihm richtet, so wie es lautet. Und es bietet bereits eine Menge Handlungsmöglichkeiten, die man allerdings auch erkennen und im Bedarfsfall nutzen sollte.
Wenn Bundesverteidigungsminister Jung mangels Ahnung oder aus anderweitigen, taktischen Gründen eine Grundgesetzänderung fordert, statt selbst für einen legalen Einsatz der Marine am Horn von Afrika zu sorgen, und inzwischen vor den Augen der untätigen deutschen Marine Schiffe gekapert werden, sollte er ernsthaft an einen Rücktritt denken!
Gruß von einem,
der sich mit Piraterie auskennt
@ Schorsch: was die Mechanismen der Verbrechensbekämpfung betrifft, pflichte ich dir voll und ganz bei.
@ all: ihr führt hier eine tolle Ausrüstungsdiskussion zur Piratenbekämpfung. Nur eines vermisse ich bei all den tollen Waffensystemen: eine Aufstellung dessen, womit die Piraten selbst ausgerüstet sind und wie sie damit operieren. Ich denke, daran sollten sich die zu ergreifenden Gegenmaßnahmen orientieren. Und wichtiger noch als die Hardwäre ist ein durchdachtes Konzept. ;)