Mit Kanonen auf Spatzen?!
Eine sehr informative Zusammenstellung, Bleiente!
Merkwürdig finde ich, dass man Herrn Wiefelspütz (SPD) unterschiedlich zitiert. Hält er den Tornadoeinsatz nun für verfassungsmäßig oder nicht? Oder hat er etwa seine Meinung geändert? Letzteres glaube ich indes nicht, denn ich halte ihn für einen recht kompetenten Innenpolitiker.
Interessant finde ich, dass man Herrn Freiberg von der Gewerkschaft der Polizei mit dem Schlagwort "Tiefflüge waren verfassungswidrig" zitiert. Wie bereits erwartet, hat er natürlich die Gelegenheit, auf Ausrüstungsdefizite der Polizeien hinzuweisen, beim Schopf ergriffen. Aber dabei zugleich die Hilfeleister der Luftwaffe als Verfassungsbrecher darzustellen, fände ich aus folgendem Grund arg daneben gegriffen:
Wenn wir mal unterstellen, die Aufklärungsflüge waren als Amtshilfe verfassungsgemäß, dann ist auch eine Unterschreitung der Mindestflughöhe nicht verfassungswidrig, sondern allenfalls rechtswidrig, weil damit ein Verstoß gegen das Luftrecht begangen wurde. Verfassungswidrig wäre der Tornadoeinsatz dagegen, wenn die Bundeswehr ungerechtfertigt in den polizeilichen Einsatzbereich einwirkt (das wäre dann die Amtshilfe im Allgemeinen).
Und sollte die Unterschreitung der Mindestflughöhe aus Witterungsgründen zur Aufgabenerfüllung notwendig gewesen sein, so ist sie nicht mal strafbar, denn es hätte sich dabei um eine Aufgabe der Gefahrenabwehr gehandelt, und die rechtfertigt einen Verstoß gegen die Mindestflughöhe ebenso wie ein sonstiges polizeiliches Sonderrecht, meinetwegen das Missachten einer roten Ampel bei einer Verfolgungsfahrt.
Wenn sich Bundeswehr, politische und Polizeiführungen so detailliert zum Geschehen outen, dann zweifellos zur Rechtfertigung gegenüber der vielfachen lauten Kritik, mit schwerem Militärgerät den G8-Gipfel begleitet zu haben. Sollte jemand so dumm gewesen sein, hier 2 Piloten zum Bauernopfer machen zu wollen, so hat er das wache Interesse der Öffentlichkeit an der ganzen Angelegenheit unterschätzt und gerät am Ende selbst ins Kreuzfeuer der Kritik. ;)
Ich bezweifle die Verfassungsmäßigkeit der Amtshilfe durch Recce-Tornados persönlich nicht, aber ich glaube, dass die Überwachungsaufgabe auch mit den Wärmebild- und Infrarotkameras deutscher Polizeihubschrauber hätte gut erfüllt werden können. Hubschrauber sind rund um die Uhr kurzfristig und lokal verfügbar und viel mobiler einsetzbar als ein Überschalljet - überdies noch wahlweise mit Suchscheinwerfern bzw. Nachtsichtgeräten.
Es verfügen nach meiner bescheidenen Annahme wenigstens die bayerische, die Berliner und die Bundespolizei über die erforderlichen Sensoren zur Erkennung von Erdarbeiten; außerdem soll es auch noch kompetente Privatfirmen geben, die ebenfalls über die nötige Ausrüstung verfügen, so zum Beispiel die
Fa. 'Rhein Ruhr Helicopter' oder die
ACSE GmbH, deren Beteiligung weniger spektakulär, aber ebenso professionell hätte ausfallen können, hätte man sie in die Sicherheitsplanungen einbezogen.
Selbst wenn das Verfassungsgericht am Ende dem streitbaren Herrn Ströbele (Grüne) Unrecht gibt, bleibt die Notwendigkeit der Amtshilfe durch Tornados weiterhin ein Kritikpunkt, den die Veranwortlichen erst mal widerlegen müssen. Schließlich muss insbesondere die Bundespolizei
eigene Einsatzmittel - z. B. zur Überwachung der EU-Außengrenzen im Rahmen ihrer Verwendung bei der FRONTEX - vorweisen können.
Bis zum Abschluss einer Aufarbeitung bleibt jedenfalls der fade Beigeschmack, dass man dem US-Präsidenten um jeden Preis ein richtig fettes, engagiertes Zeichen der hiesigen Sicherheitsvorkehrungen hat geben wollen.
Der Grundsatzdiskussion, ob man sich hier den Anfängen zum Überwachungsstaat oder zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren erwehren muss, enthalte ich mich, weil eine politische Diskussion mit Verschwörungstheorien und marxistischem Gedankengut erstens zu keinem Ergebnis führt und zweitens den Rahmen des Fadens sprengt.
Ich habe fertig,
Gruß
Luftpirat
Foto: Arbeitsplatz des Wärmebildbedieners im EC 155 der Bundespolizei
Quelle:
Fliegerstaffel Süd; © Holger Richter