Rasmussen schrieb:
Ihr diskutiert hier nämlich auf der Basis eines Spiegel-Artikels (den ein Redakteur geschrieben hat, der auch etwas zu verkaufen hat). Vielleicht will Dr.Dr.Castan gar keinen Mythos entzaubern ... und nur der Redakteur ist der Auffassung, dass der Historiker es will?
Ein kluger Einwurf, Rasmussen.
Gerade bei besagtem Online-Magazin tummeln sich gute und weniger professionelle Journalisten nebeneinander. Nicht zuletzt im Interesse des Buchautors bleibt zu hoffen, dass der Spiegel-Artikel die Stoßrichtung und die Highlights des Biografen richtig wiedergibt. Ich hab's glatt unterstellt, denn der Online-Artikel wird ja um ein Vielfaches öfter gelesen als das Buch selbst - und er ist sogar bei Wikipedia als Infoquelle zum Roten Baron verlinkt! Aber da Hans das Buch kennt und die Übereinstimmung bestätigt, muss aus der Historiker- nicht (schon wieder
) eine Journalistenschelte werden.
Hotte schrieb:
Diese Biographie wurden logo auch in unterschiedlichen Zeitepochen niedergeschrieben. Auch dies muß man mit in Betracht ziehen.
Die Autobiografie doch hoffentlich nicht.
Die ist von 1917 und sollte in allen Ausgaben inhaltsgleich sein. Auch im Dritten Reich ist sie doch wohl nicht zensiert worden?!
Meiner Ausgabe hängt übrigens auch eine
Biografie von Friedrich Wilhelm Korff an, die sich der Persönlichkeit(-sentwicklung) Richthofens, dem Alltag in der Fliegertruppe, der Kriegssituation auf beiden Seiten, dem Töten an sich, der Entwicklung der Flugapparate von Lilienthal bis zum Jagddoppeldecker von 1918, der Taktik, Ausrüstung und den Luftkämpfen sowie Tod und Mythenbildung des Roten Barons widmet. Zu seinem Psychogramm zieht der Biograf Zitate von Richthofen und anderen Zeitgenossen (mit genauen Quellenangaben!) heran.
Diese Biografie hatte ich bei der Lektüre des Büchleins als "Nachwort" beiläufig mitgelesen, aber jetzt fällt mir auf, wie anspruchsvoll sie ist. Sie ist fast so umfangreich wie die Autobiografie selbst und enthält zahlreiche Zitate verschiedenster Zeitgenossen (v. a. Richthofen selbst, Cecil Lewis, Karl-Heinrich Bodenschatz, Anthony Fokker, Richthofens Mutter).
Neben Fotos aus dem Umfeld Richthofens sind auch die wichtigsten Flugzeuge beider Seiten abgebildet - als Fotos und als Seitenrisse. Die technischen Beschreibungen sind sehr fundiert, da Korff hierzu gute Fachliteratur (ebenfalls quellenbelegt) heran gezogen hat. Die Entwicklung des Bord-MG und die Evolution der Fokker-Flugzeuge werden für den Luftfahrtinteressieren recht ausführlich beschrieben. :D
Korff wechselt ständig zwischen der Betrachterebene des Lesers, den er anspricht und ihm die Ereignisse erläutert, und der Handlungsebene von damals. Viele Selbstverständlichkeiten der Kaiserzeit erklärt er mit Hinweis auf ihre ungewöhnliche Wirkung auf den Leser der 1970er Jahre. Durch die Fülle der Zitate, die jeweils seitenweise (links) seinem Biografietext (rechts) gegenüber gestellt sind, lässt er dem Leser Spielraum, sich sein eigenes Urteil zu bilden, zumal seine Zeitzeugen auch ihre eigenen Meinungen über Richthofen kund tun. Wo sich Korff in Deutungen und Interpretationen ergeht, z. B. im Kapitel "Zur Jagdweise und zur Symbolik der Farben", kündigt er dies dem Leser sogar vorher an: "...und so sei hier ein kleiner Exkurs erlaubt:".
Nach meinem Eindruck wird diese Biografie wissenschaftlichen Ansprüchen vollauf gerecht. An ihr muss sich auch ein Dr. Dr. von heute erst mal messen lassen. Ich werde mir das "Nachwort" dieser Tage nochmals komplett zu Gemüte führen...