Bomben auf Dresden
Die hier zum Vergleich stehende völlige Zerstörung zweier Städte auf unterschiedlicher Seite der Kriegsparteien beleuchtet zwei verschiedene, aber gleichermaßen schwarze Momente der Menschheitsgeschichte. Die Gemeinsamkeit der beiden Städteschicksale sehe ich am ehesten noch im Endergebnis: ihrem traurigen Erscheinungsbild Anfang 1945.
Die Beweggründe für die alliierten Flächenbombardements auf deutsche Großstädte lassen sich leicht nachvollziehen, wenn man den Planungen und der Überzeugungsarbeit, die ihre zentralen Befürworter im Zweiten Weltkrieg geleistet haben, mal auf den Grund geht. Die abstrakte Idee hatte einst ein italienischer General, Giulio Douhet, ihre praktische Anwendung folgte im spanischen Bürgerkrieg, dann wieder im Polen- und Westfeldzug der Wehrmacht.
Nach diesen Erfahrungen gab es gewiss Mahner und Gegner, die Schlimmes ahnten und sowas ablehnten. Aber an den entscheidenden Stellen saßen 1942 Befürworter eines neuen, noch unerprobten „Modellversuchs“ mit dem Ziel, das nationalsozialistische Deutschland auch in seiner Zivilverwaltung unübersehbar zu treffen und dem Volk seinen Durchhaltewillen und seinen Glauben an den Sieg und die eigene Stärke zu rauben. Das „moral bombing“ sollte sich im Nachhinein trotz zahlreicher schwerer Luftangriffe als wirkungslos erweisen, aber die Verwüstungen hatten mit der Zeit spürbare Auswirkungen auf die Industrie- und Rüstungsgüterproduktion.
Die Idee, aus diesem Wahnsinn eine Methode zu machen, hatte Frederick Lindemann als wissenschaftlicher Berater des britischen Kriegskabinetts. Fatal aus deutscher Sicht war, dass er im Chef des RAF-Bomberkommandos, Arthur Harris, einen begeisterten Verbündeten gefunden hat, der lange Zeit die Unterstützung seines vorgesetzten Luftwaffenchefs, Sir Charles Portal, bei seinen Planungen genoss. Verantwortlich sind freilich auch die Mitglieder des Kriegskabinetts selbst, die solche die Pläne angeordnet oder wenigstens gebilligt haben, für die USAAF ihr verantwortlicher Kommandeur Henry ‚Hap’ Arnold und sein Nachfolger Carl Spaatz sowie letztlich die beiden Staats- und Regierungschefs Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill als Gesamtverantwortliche. Es war erst der verheerende dreitägige Großangriff auf Dresden und die darauf hin zunehmende Kritik der britischen Öffentlichkeit an den Flächenbombardements, die Churchill im März 1945 überzeugten (oder daran erinnerten), derartige Angriffe einzustellen. Bis dahin erlitten noch mindestens fünf weitere deutsche Städte das Schicksal Dresdens. Das erwähnte Pforzheim war eine von ihnen.
Warum Dresden? Es war eine mittlere Großstadt und regionales Oberzentrum und teilte das Schicksal dutzender Großstädte im Reich als potenzielles Flächenziel, denn es lag gerade noch in der Reichweite der von England aus operierenden Bomberverbände. Deshalb war es bis dato vergleichsweise wenig angegriffen worden. In der Konferenz von Jalta Anfang Februar 1945 soll vereinbart worden sein, auf Wunsch der UdSSR mitteldeutsche Städte zu bombardieren, um die Verkehrswege und den Nachschub zur deutschen Ostfront zu schwächen. Protokolliert wurde diese Vereinbarung in Jalta damals so:
www.documentarchiv.de schrieb:
„Zeitliche Folge, Umfang und Koordinierung von neuen und noch kraftvolleren, gegen das Herz Deutschlands von Osten, Westen, Norden und Süden her von unseren Heeres- und Luftstreitkräften zu führenden Schlägen sind in vollem Einvernehmen beschlossen und in allen Einzelheiten geplant worden.“
Die Folge war die angloamerikanische ‚Operation Thunderclap’. Hier die entsprechenden Eintragungen aus dieser Zeit im
Kriegstagebuch des britischen Bomberkommandos.
Die Wahl solcher leicht anzunavigierenden Flächenziele wie Großstädten kam auch der Ungenauigkeit und hohen Streuungbreite der Bombenabwürfe entgegen und sorgte für einen vergleichsweise hohen Trefferwirkungsgrad. Wurde die Zielmarkierung ins Stadtzentrum gesetzt, bildete die Stadt rundherum eine große Zielscheibe für zu früh, zu spät, ungenau oder blind abgeworfene Bomben. Schlechtes Wetter, Rauchsäulen, Flakfeuer, heftige Thermik über Brandherden, Notabwürfe sowie schierer Stress taten das ihrige, dass eine als „Punktziel“ markierte Stadt flächendeckend bombardiert wurde. Nach Erlöschen der Zielmarkierungen dienten die Feuersbrünste als Abwurfziel nachfolgender Bomber. Außenbezirke und das nahe Umland der Städte wurden folglich viel dünner bombardiert.
Der Umstand, dass sich Städtebombardements um das Stadtzentrum herum konzentrierten, ist sicherlich auch der Grund gewesen, warum das Industriegebiet mit dem U-Boot-Motorenwerk und ein Fliegerhorst am Rande Dresdens dem Inferno unbeschadet entgangen sein mögen. Ein "ausdrückliches Aussparen" dieser Ziele wäre in der Praxis gar nicht möglich gewesen, auch deshalb, weil die Bomben nicht wirklich "intelligent" waren. (Das sind sie auch heute nicht, weil sie letztlich immer noch von einer relativ dummen Kreatur gesteuert werden.)
Sog. "Sachzwänge" haben in Kriegen, so auch im Zweiten Weltkrieg, immer wieder völkerrechtswidrige Handlungen hervor gerufen, und die systematischen Flächenbombardements auf deutsche und japanische Städte waren da keine Ausnahme. Traurig ist allerdings, dass die Entscheidung für Flächenbombardements auf Deutschland sich gegen mehrere mögliche Alternativpläne durchgesetzt hat. Nach meiner Kenntnis ist dies vor allem der fleißigen Überzeugungsarbeit eines Air Chief Marshals Arthur Harris gegenüber seinen militärischen und zivilen Vorgesetzten und gegenüber den US-Kommandeuren zu verdanken. Er war nicht nur ein gründlicher Stratege, sondern auch eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit. Ich sehe in ihm die Schlüsselfigur an der entscheidenden Schaltstelle zwischen politischer Weisung (aber auch Einflussnahme) und militärischer Umsetzung, und als den Hauptverantwortlichen für die gründliche Zerstörung zahlreicher deutscher Städte.
Viele Gründe sprechen dagegen, diesem Mann ein Denkmal zu setzen, aber selbst wenn man diese Gründe außen vor lässt: weswegen hätte er
überhaupt ein Denkmal verdient? Vielleicht hätte er besser Opfer seiner eigenen Pläne werden sollen. Wenigstens aber rußgeschwärzter Zeuge der Ausführung seiner eigenen Befehle, in einem deutschen Luftschutzkeller um sein Leben zitternd, die Professionalität seines eigenen Bomber Commands verwünschend. Sicher, es gibt viele Verantwortliche, deren Taten am besten auf sie selbst zurück gefallen wären. Ein Hermann Göring hat wenigstens einmal mit dem gemeinen Volk zusammen in einem öffentlichen Berliner Luftschutzkeller unterschlüpfen müssen. Doch dem Hauptverantwortlichen für das Flächenbombardement gegen zahlreiche deutsche Städte hätte ich zusätzlich zu seinem langen, friedvollen Leben im südafrikanischen Exil und seinem Bronzedenkmal auch die Alpträume aus einem sicherlich 'unvergesslichen Ortstermin' gegönnt.
@ Eidner: Die Folgerung "Nie wieder Krieg!" soll kein Traum bleiben. Lebendiger Geschichtsunterricht (auch hier im FF mit seinen lebhaften Diskussionen) und Gedenkstätten dienen heute der Friedenserziehung und sollen uns [FREDO, dir auch?] und künftigen Generationen helfen, vor allem aus diesem Kapitel der Geschichte etwas zu lernen. Ich sehe leider nichts, wofür all' diese Kriegstoten sonst noch gestorben sein sollen. (Und mit "nichts" meine ich "umsonst", "vergeblich", "für die Katz".) Für territoriale Gewinne? Leider umsonst, denn was ist von den Gebietsgewinnen schon geblieben? Hier und da etwas, was eines schönen Tages nicht mehr sein wird: man schaue da nur mal in einen animierten historischen Weltatlas.