Nummi
Astronaut
Als erster Mensch im All faszinierte er die Welt - doch sein Tod ist bis heute ein Mysterium: Vor 40 Jahren stürzte Jurij Gagarin mit einem Militärjet ab. Der offizielle Untersuchungsbericht wurde gesperrt. Jetzt behaupten russische Experten, die Todesursache enthüllt zu haben.
Zumindest einmal hatte Jurij Gagarin heldenhaftes Glück. Nachdem er am 12. April 1961 als erster Mensch mit dem Raumschiff "Wostok 1" die Erde umrundet hatte, gab es bei der Landung unerwartete Probleme: Die Gerätesektion konnte nicht wie geplant von der Raumkapsel getrennt werden, doch Gagarin gelang es, in 7000 Metern Höhe auszusteigen und am Fallschirm sicher zur Erde zurückzukehren. Er setzte wohlbehalten auf einem Acker in der Wolga-Region auf.
Nur sieben Jahre später dann der Schock: Am 27. März 1968 stürzte Gagarin mit einer MiG-15 UTI bei einem simplen Übungsflug in der Nähe von Moskau ab und starb. Mit an Bord war der erfahrene Kommandeur des Pilotentrainingscenters Wladimir Serjogin. Die offizielle Ursache des Absturzes lautete: "Eine unglückliche Verkettung verhängnisvoller Umstände".
Da die MiGs zu jener Zeit noch nicht mit einem Flugschreiber ausgestattet waren, konnten die Ergebnisse der Untersuchungskommission nicht bewiesen werden. Der 30-seitige Report wurde zum Staatsgeheimnis erklärt, er wanderte direkt ins Archiv. Klar war nur eines: Menschliche und technische Fehler galten als ausgeschlossen. Gemunkelt wurde über einen Beinahe-Zusammenstoß mit einem Testballon oder schlechtes Wetter.
Seitdem werden die wildesten Verschwörungstheorien um den Tod des Sowjethelden gesponnen: Nach seinem Raumflug sei er dem Alkohol verfallen und habe im Vollrausch das Flugzeug nicht mehr steuern können. Er habe angeblich seinen Tod nur vorgetäuscht, um sich dem Medienrummel zu entziehen. Der Generalsekretär Leonid Breschnew habe den Unfall eingefädelt, weil er sich bedroht gefühlt habe. Oder Gagarins Copilot habe die beiden aus Eifersucht absichtlich in den Tod gestürzt. Eventuell seien sie sogar von Aliens entführt worden, die Gagarin im Weltall aufgeschreckt habe.
Mit diesen Theorien wollen russische Luftfahrtexperten jetzt Schluss machen. Ehemalige Mitglieder der staatlichen Kommission, die das Unglück vor 40 Jahren untersuchte, behaupten nun, die wahren Gründe zu kennen.
In einem Interview mit der britischen Zeitung "The Independent" stellt der Luftfahrtingenieur Igor Kusnetzow die These auf: Das Cockpit von Gagrins Militärjet sei nicht hermetisch verschlossen gewesen. Das habe die Piloten gezwungen, in einer Höhe von 4200 Metern in einen plötzlichen Steilflug überzugehen. Dabei seien beide ohnmächtig geworden.
Von diesen technischen Erklärungen hält Eduard Scherscher wiederum nicht viel. Der Luftfahrtgeneral untersuchte für das Forschungszentrum der sowjetischen Luftwaffe den Absturz der MiG. In einem Interview mit der russischen Militär-Zeitschrift "Unabhängige Militärrundschau" erinnert er sich an den Nachmittag des 27. März 1968: Die Institutsleitung habe ihm damals befohlen, alles stehen und liegen zu lassen. Begründung: Es gebe einen dringenden Auftrag der Regierung zu erledigen. Gagarins Flugzeug sei abgestürzt.
Er habe sich daraufhin sofort an die Arbeit gemacht, berichtet Scherscher. Und fand heraus: Die beiden Piloten hatten leichtsinnig zahlreiche Regeln missachtet. Doch das durfte damals nicht veröffentlicht werden, sagt er. Immerhin sei Gagarin ein Nationalheld und Träger des Leninordens und des Titels "Held der Sowjetunion" gewesen. Und "Helden begehen keine Fehler" – lautete die politische Order, berichtet Scherscher. Deswegen habe die Untersuchungskommission äußere Umstände als Ursache angeben müssen.
Doch für Scherscher ist klar: Der Absturz ist auf menschliches Versagen zurückzuführen, Schuld sei der erfahrene Copilot Serjogin gewesen. Gagarins Instrukteur habe sich an diesem Tag über sämtliche Sicherheitsvorschriften hinweggesetzt. Mit überfüllten Außenbord-Tanks seien sie waghalsige Manöver geflogen, obwohl das ausdrücklich untersagt war. Gagarin habe das eigentliche Übungsprogramm von 20 Minuten schon nach vier Minuten und 20 Sekunden abgebrochen und sei dann eine Viertelstunde lang "frei" geflogen. Für solche Freiflüge, so Scherscher, mangelte es dem Kosmonauten jedoch schlicht an Erfahrung. Deswegen habe er die Maschine nicht rechtzeitig abfangen können, als er einen Sturzflug erprobte.
Insgesamt 13 Gründe zählt Scherscher im Interview auf, die letztlich zum Absturz führten. Alkohol im Blut, ein Testballon im Anflug oder schlechte Wetterbedingungen sind nicht darunter. Jetzt sei es endlich an der Zeit, den Fall aufzuklären, fordert Scherscher. "Die Wahrheit über Gagarins Tod kann zu einem gewissen Grad auch zur Sicherheit in der militärischen und zivilen Luftfahrt beitragen", hofft er. Denn auch heute noch werden Regeln missachtet und Risiken falsch eingeschätzt.
Gegenüber der britischen Zeitung "The Independent" behauptet Luftfahrtingenieur Kusnetzow, er habe gemeinsam mit 30 weiteren Experten eine Petition beim Kreml eingereicht: Ein offizielles Untersuchungskomitee solle den neuen Ergebnissen nachgehen.
Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow gibt sich überrascht. "Von einer solchen Forderung habe ich nichts gehört", sagte er SPIEGEL ONLINE. Es gebe viele Untersuchungen: Die Presse und auch Privatpersonen würden regelmäßig verschiedene Theorien veröffentlichen. "Doch solange kein Gericht eine gegenteilige Version verabschiedet hat, hält der Kreml an den ursprünglichen Ergebnissen der Untersuchung von 1968 fest."
So wird es wohl weiter Spekulationen um den Tod des ersten Menschen im All geben.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,543482,00.html
Zumindest einmal hatte Jurij Gagarin heldenhaftes Glück. Nachdem er am 12. April 1961 als erster Mensch mit dem Raumschiff "Wostok 1" die Erde umrundet hatte, gab es bei der Landung unerwartete Probleme: Die Gerätesektion konnte nicht wie geplant von der Raumkapsel getrennt werden, doch Gagarin gelang es, in 7000 Metern Höhe auszusteigen und am Fallschirm sicher zur Erde zurückzukehren. Er setzte wohlbehalten auf einem Acker in der Wolga-Region auf.
Nur sieben Jahre später dann der Schock: Am 27. März 1968 stürzte Gagarin mit einer MiG-15 UTI bei einem simplen Übungsflug in der Nähe von Moskau ab und starb. Mit an Bord war der erfahrene Kommandeur des Pilotentrainingscenters Wladimir Serjogin. Die offizielle Ursache des Absturzes lautete: "Eine unglückliche Verkettung verhängnisvoller Umstände".
Da die MiGs zu jener Zeit noch nicht mit einem Flugschreiber ausgestattet waren, konnten die Ergebnisse der Untersuchungskommission nicht bewiesen werden. Der 30-seitige Report wurde zum Staatsgeheimnis erklärt, er wanderte direkt ins Archiv. Klar war nur eines: Menschliche und technische Fehler galten als ausgeschlossen. Gemunkelt wurde über einen Beinahe-Zusammenstoß mit einem Testballon oder schlechtes Wetter.
Seitdem werden die wildesten Verschwörungstheorien um den Tod des Sowjethelden gesponnen: Nach seinem Raumflug sei er dem Alkohol verfallen und habe im Vollrausch das Flugzeug nicht mehr steuern können. Er habe angeblich seinen Tod nur vorgetäuscht, um sich dem Medienrummel zu entziehen. Der Generalsekretär Leonid Breschnew habe den Unfall eingefädelt, weil er sich bedroht gefühlt habe. Oder Gagarins Copilot habe die beiden aus Eifersucht absichtlich in den Tod gestürzt. Eventuell seien sie sogar von Aliens entführt worden, die Gagarin im Weltall aufgeschreckt habe.
Mit diesen Theorien wollen russische Luftfahrtexperten jetzt Schluss machen. Ehemalige Mitglieder der staatlichen Kommission, die das Unglück vor 40 Jahren untersuchte, behaupten nun, die wahren Gründe zu kennen.
In einem Interview mit der britischen Zeitung "The Independent" stellt der Luftfahrtingenieur Igor Kusnetzow die These auf: Das Cockpit von Gagrins Militärjet sei nicht hermetisch verschlossen gewesen. Das habe die Piloten gezwungen, in einer Höhe von 4200 Metern in einen plötzlichen Steilflug überzugehen. Dabei seien beide ohnmächtig geworden.
Von diesen technischen Erklärungen hält Eduard Scherscher wiederum nicht viel. Der Luftfahrtgeneral untersuchte für das Forschungszentrum der sowjetischen Luftwaffe den Absturz der MiG. In einem Interview mit der russischen Militär-Zeitschrift "Unabhängige Militärrundschau" erinnert er sich an den Nachmittag des 27. März 1968: Die Institutsleitung habe ihm damals befohlen, alles stehen und liegen zu lassen. Begründung: Es gebe einen dringenden Auftrag der Regierung zu erledigen. Gagarins Flugzeug sei abgestürzt.
Er habe sich daraufhin sofort an die Arbeit gemacht, berichtet Scherscher. Und fand heraus: Die beiden Piloten hatten leichtsinnig zahlreiche Regeln missachtet. Doch das durfte damals nicht veröffentlicht werden, sagt er. Immerhin sei Gagarin ein Nationalheld und Träger des Leninordens und des Titels "Held der Sowjetunion" gewesen. Und "Helden begehen keine Fehler" – lautete die politische Order, berichtet Scherscher. Deswegen habe die Untersuchungskommission äußere Umstände als Ursache angeben müssen.
Doch für Scherscher ist klar: Der Absturz ist auf menschliches Versagen zurückzuführen, Schuld sei der erfahrene Copilot Serjogin gewesen. Gagarins Instrukteur habe sich an diesem Tag über sämtliche Sicherheitsvorschriften hinweggesetzt. Mit überfüllten Außenbord-Tanks seien sie waghalsige Manöver geflogen, obwohl das ausdrücklich untersagt war. Gagarin habe das eigentliche Übungsprogramm von 20 Minuten schon nach vier Minuten und 20 Sekunden abgebrochen und sei dann eine Viertelstunde lang "frei" geflogen. Für solche Freiflüge, so Scherscher, mangelte es dem Kosmonauten jedoch schlicht an Erfahrung. Deswegen habe er die Maschine nicht rechtzeitig abfangen können, als er einen Sturzflug erprobte.
Insgesamt 13 Gründe zählt Scherscher im Interview auf, die letztlich zum Absturz führten. Alkohol im Blut, ein Testballon im Anflug oder schlechte Wetterbedingungen sind nicht darunter. Jetzt sei es endlich an der Zeit, den Fall aufzuklären, fordert Scherscher. "Die Wahrheit über Gagarins Tod kann zu einem gewissen Grad auch zur Sicherheit in der militärischen und zivilen Luftfahrt beitragen", hofft er. Denn auch heute noch werden Regeln missachtet und Risiken falsch eingeschätzt.
Gegenüber der britischen Zeitung "The Independent" behauptet Luftfahrtingenieur Kusnetzow, er habe gemeinsam mit 30 weiteren Experten eine Petition beim Kreml eingereicht: Ein offizielles Untersuchungskomitee solle den neuen Ergebnissen nachgehen.
Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow gibt sich überrascht. "Von einer solchen Forderung habe ich nichts gehört", sagte er SPIEGEL ONLINE. Es gebe viele Untersuchungen: Die Presse und auch Privatpersonen würden regelmäßig verschiedene Theorien veröffentlichen. "Doch solange kein Gericht eine gegenteilige Version verabschiedet hat, hält der Kreml an den ursprünglichen Ergebnissen der Untersuchung von 1968 fest."
So wird es wohl weiter Spekulationen um den Tod des ersten Menschen im All geben.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,543482,00.html