Nun werde ich ein Stück weit meinen eingangs gemachten Bedenken untreu. Es handelt sich bei den Schilderungen aber um meine persönlichen Erlebnisse und da außer dem Flugzeug auch Niemand zu Schaden gekommen ist es wohl unkritisch.
Es handelt sich um den Absturz der SPS(K) 999 vom JG-2 am 27. April 1982.
Die 999 war in der 3. JS, Techniker war Fä. ?, ein ganz penibeler und exakter Vertreter seiner Zunft (ein Wenig auch Liebling vom Geschwader Ing.). Das sah man in der Box und beim Flieger, alles wie geleckt. Die 999 hatte schon 3 oder 4 Sterne zum Q – darum auch häufig als Cognac-Bomber bezeichnet.
Schon seit einigen Wochen waren wir mit den Vorbereitungen zu einer „Maßnahme“, ich glaube sie hieß „Elbe `82“ beschäftigt. Jeweils in einem Durchgang der Flugschicht flog, sich gegenseitig ablösend, eine Gruppe von Flugzeugen Sperre über dem Autobahnabschnitt Netzeband, wo beim eigentlichen Manöver dann MiG-23 vom JG-9 und von einem sowjetischen Geschwader handeln würden. Das hat auch immer gut geklappt.
Am 27. April war es dann so weit, die „Maßnahme“ lief wie geplant, wir im JG-2 handelten aber wieder aus dem normalen Flugdienst heraus. Da an dem Tag auch Flugsicherungstechnik (unter anderem FFF und NFF) am Autobahnabschnitt installiert war, gab mir unser IvD (in der Schicht OOffz. F/FMA) die FFF Frequenz zum Umstimmen des ARK, die ich mir in gewohnter Manier mit Kuli auf der Hand notierte. Mit dem Funkfeuer sollte den FF der Anflug auf den Autobahnabschnitt erleichtert werden – was bei den vorherigen Übungsflügen aber nicht gemacht wurde.
Besagte 999 (eigentlich aus der 3. JS) flog in dieser Schicht mit bei uns in der 1. JS, auch die Piloten für die „Maßnahme“ waren aus der 1. JS und auf der 999 flog unser Staffelkommandeur. Vor dem ersten Durchgang ging ich nun also mit einem Mechaniker zu den vorgesehenen Maschinen und wir stimmten den ARK um. Da sich das Fernbedienteil bei der SPS und PFM in der Kabine befindet ist das recht easy – und „auf Umformer“ ohne SG-1 (der Spezi sprang wieder im Dreieck) auch schnell erledigt.
Erster Durchgang geflogen, Aufgabe über dem Autobahnabschnitt erfüllt, alle Flugzeuge gelandet, bei der Startkontrolle den ARK zurück gestimmt. Durchsage vom IKP: “Oltn. Pappenberg sofort zum IvD!“ Hmmm…, Kopf kratz, was is`n los? Oben angekommen klärte es sich schnell auf: die FF hatten natürlich wie bei den vorangegangenen Übungen den Autobahnabschnitt gefunden (lag ja vor der Haustür) aber der ARK hat kein FFF angezeigt. Falsch abgestimmt? Sah fast so aus, und das systematisch bei allen beteiligten Maschinen. Der Flugdienst ging natürlich während dessen weiter, Flugzeuge starteten, die Grundabstimmung war überall drauf, also war auch nichts mehr zu kontrollieren. Als ich gerade den trotz dem fälligen Anschiss bekommen sollte sagte Hptm. K. unser TF Z/TW mit Blick nach rechts: „ Der stürzt ab …“.
Na gut, ging dann alles sehr schnell. Zu hören war sogar das Explodieren der Pyropatronen vom Sitz, zu sehen war nur noch ein großer Rauchpilz in Verlängerung der SLB, und dann auch ein Fallschirm.
Das Thema Anschiss hatte sich erledigt, kam später auch nie wieder zur Sprache.
Es folgte der für solche Fälle übliche Ablauf, Abbruch der Flugschicht, Kontrollen an Werkzeug und Ausrüstung, Einsammeln von Werkzeugkiste, Kontrollblatt, Bordbücher und Kraftstoffglas, Befragung und Schreiben von Berichten. Und natürlich gedrückte Stimmung, die besserte sich, als relativ schnell bekannt wurde, dass der Pilot Ltn. Sommnitz die Sache weitgehend unbeschadet (er humpelte ein wenig beim Gang durch die Dienststelle) überstanden hatte und auch am Boden keine ernsthaften Schäden eingetreten waren. Es gibt die eine oder andere Geschichte, z.B. zum Einschlag des Kabinendaches in einer Kleingartenanlage. Da ich dort aber selbst nicht dabei war – kein Kommentar.
Zur Ursache war natürlich noch nichts bekannt, eine Gruppe von Piloten stand vor dem PDG, darunter auch unser Staffelkommandeur OSL R., der war Raucher, aber da ging die Zigarette in seiner Hand gar nicht mehr aus. Die ganze Zeit gingen seine Äußerungen darum: „Mensch vor `ner halben Stunde bin ich noch auf der Maschine geflogen, da war nichts – oder doch? Ne, da war nichts, Steuerung, Triebwerk alles normal… oder? Na ja, das eine mal, war da was…?“ So hatte ich ihn definitiv noch nicht erlebt. Neben der Erkenntnis, dass er da selbst ganz knapp dran gewesen war spürte man seine Sorge (fast wie Selbstvorwürfe – aber das ist meine Interpretation), ob er vielleicht was übersehen hat, was einen Anderen jetzt in die kritische Situation gebracht hatte.
Nun, die Urschache wurde von der Kommission (Oberst K.) sehr schnell gefunden, war auch eindeutig ein Schaufelabriss nach Dauerbruch, der gut zu erkennen war.
Ich kenne dann auch noch einige Bemerkungen und Kommentare, die im Geschwader die Runde machten – die gebe ich hier aber nicht wieder, weil eben nur „Hören Sagen“.