Der neue Schweizer KRAMPF-JET
Wieder neue Probleme bei der Beschaffung neuer Militärflugzeuge: Die drei Anbieter müssen nun die Betriebskosten der Jets präzisieren. Ein baldiger Entscheid wird immer ungewisser.
Die 2,2 Milliarden Franken, die der Bundesrat für den Kauf neuer Kampfjets ausgeben will, sind das eine. Die Betriebskosten, die mit neuen Flugzeugen anfallen, sind das andere - hier könnte eine Kostenfalle lauern.
Laut Recherchen des «
Tages-Anzeigers» hat die mit der Jet-Evaluation beauftragte Armasuisse von den Anbietern zusätzliche Angaben angefordert. Nachdem die Flugzeughersteller ihre Offerten schon im Frühling eingereicht haben, müssen sie jetzt bis Anfang November die Betriebskosten präzisieren.
Von der Diskussion über die Betriebskosten erhofft sich Mitkonkurrent Saab Aufwind für seinen Gripen.
Der schwedische Kampfjet hat nur ein Triebwerk und braucht deshalb weniger Benzin als der Eurofighter und die Rafale, die zwei anderen Flugzeuge im Rennen um den Teilersatz der Tiger-Flotte.
Auch in anderen Bereichen schneidet der Gripen bei den Betriebskosten möglicherweise besser ab, weil er weniger leistungsfähig ist als die Jets der Konkurrenz.
Ein hoher Saab-Vertreter wagte kürzlich im Schweizer Fernsehen die Behauptung, mit dem Gripen spare die Schweiz über 30 Jahre gerechnet 2 Milliarden Franken - man werde der Armasuisse entsprechende Garantien abgeben.
Sicherheitspolitiker schütteln zwar den Kopf über solche Aussagen: Für einen so langen Zeitraum Versprechen abzugeben, sei unseriös.
Doch nach der Fernseh-Offensive von Saab stehen auch der französische Rafale-Hersteller Dassault und das Eurofighter-Konsortium EADS unter Zugzwang, Preisgarantien für 30 Jahre abzugeben - obwohl die Armasuisse solche nur für 10 Jahre gefordert hat.
Welches Flugzeug die Schweiz am Schluss kauft, oder ob sie überhaupt so bald eines beschafft, entscheidet aber nicht der wackelige Kostenvergleich einer TV-Sendung.
Hingegen wäre es wenig überraschend, wenn der Bundesrat das 2-Milliarden-Geschäft um wenigstens ein Jahr verschieben würde, also nicht wie bisher geplant ins Rüstungsprogramm 2010 verpackte.
Dazu könnten ihn die Einnahmenausfälle im Zuge der Wirtschaftskrise zwingen.
Offiziell heisst es bisher aber nur, der Bundesrat werde im Frühling den Typenentscheid fällen.
Absturz im Parlament möglich
Spätestens im Parlament ist sogar ein Vollstopp möglich.
Der Chefredaktor der Fachzeitschrift «
Cockpit», Max Ungricht, wäre jedenfalls nicht überrascht: «Selbst bürgerliche Politiker sagen mir, dass es im Moment keine neuen Kampfjets brauche.»
Vor kurzem hatte der frühere Generalsekretär des Militärdepartements, Hans-Ulrich Ernst, erklärt, es sei nicht nötig, die Tiger-Flotte zu ersetzen; die 33 F/A-18-Jets genügten (TA vom 28. August).
Ernst plädiert dafür, dass die Schweiz auf eine Luftwaffe mit nur noch einem Flugzeugtyp zusteuern soll.
Tatsächlich leistet sich heute praktisch kein anderes Land eine Flotte mit zwei Typen.
Selbst wenn Bundesrat und Parlament am Schluss rascher neue Flugzeuge kaufen wollen, als von Ex-Militär Ernst für nötig befunden, wird bei der Wahl des Flugzeugs der langfristige Blick eine zentrale Rolle spielen: Mit welchem Jet ist die technische Weiterentwicklung am besten sichergestellt?
Wo ist das Risiko am kleinsten, dass die Schweiz technologisch von einem einzigen Land abhängig wird?
«Solche Überlegungen sind ganz wichtig», sagt SVP-Nationalrat Thomas Hurter, Präsident der Subkommission, die das Geschäft begleitet.
Vor allem das EADS-Konsortium rechnet sich deshalb weiterhin gute Chancen aus, in der Schweiz einen Treffer zu landen - obschon sein Eurofighter teurer ist als der Gripen.
Mit Deutschland, Grossbritannien, Spanien und Italien stehen vier Grossstaaten hinter EADS, die auf Jahrzehnte hinaus eine im Vergleich sichere Zusammenarbeit versprechen.
Mit rund 700 Jets hat das Konsortium gegenwärtig mit Abstand am meisten Maschinen in der Luft: Je mehr verkaufte Flugzeuge, desto kostengünstiger sind für neue Käufer tendenziell spätere technische Verbesserungen.
Gripen-Hersteller Saab und Rafale-Produzent Dassault haben mit je rund 200 Jets keine vergleichbaren Mengenvorteile zu bieten.
Die im Parlament wachsende Skepsis gegenüber neuen Kampfjets und der Druck der GSoA-Initiative für ein zehnjähriges Beschaffungsmoratorium könnten laut Insidern am Ende zu folgender Lösung führen: Der Bundesrat nimmt etwas Tempo weg und entscheidet, vorerst nur eine minimale Zahl neuer Flugzeuge zu kaufen, die er aber für zukunftsträchtig hält. So behielte die Schweiz einen Fuss in der Tür für den gestaffelten Aufbau einer neuen Flugzeugflotte.
Denn manche Sicherheitspolitiker befürchten, wenn man ganz auf neue Jets verzichte, bis die F/A-18 ins Alter kommen, drohe dannzumal auf einen Schlag eine Riesenausgabe, für die eine politische Mehrheit fehlen würde.
http://bazonline.ch/schweiz/standard/Der-neue-Schweizer-KrampfJet/story/15222806