Analogie und Homologie im Flugzeugbau
Moin André,
ich glaube, hier steckt ein ganz allgemeines Phänomen dahinter:
Die „Wunderwaffen“ des Dritten Reiches sind nach wie vor ein ziemlicher Mythos, und das nicht mal vorwiegend bei ewig Gestrigen oder Deutschen, die dem plötzlichen Ende einer damals großen Luftfahrtnation nachtrauern, sondern vor allem in den USA und Großbritannien haben die deutschen Waffensysteme bis heute einen eigenartigen Nimbus, der vermutlich aus der unberechenbaren Gefährlichkeit einiger Waffen und dem großen technologischen Vorsprung der deutschen Rüstung in vielen Bereichen herrührt. Viele Projekte waren ja auch zukunftsweisend, auch wenn sie nur auf dem Reißbrett existierten, und manche bildeten die Grundlage für Entwicklungen der Alliierten nach dem Krieg.
Aber leider werden viele damalige Errungenschaften nach heutigen Maßstäben gemessen, weil oft eine fundierte Geschichtskenntnis fehlt, auch in Sachen Luftfahrttechnik. Die Bedeutung, die man heutzutage in den kohlenstoffhaltigen Leim, die verminderte Radarsignatur oder die abgeschirmten Abgasaustritte der Horten H IX hinein interpretiert, hält zwar einer genauen Überprüfung am
damaligen Stand der Forschung und Technik nicht stand, aber es klingt halt sensationell, nährt den Mythos des Geheimnisvollen, und solche Berichterstattung verkauft sich auch besser... siehe den verlinkten Artikel im ersten Beitrag zu dem Restaurierungsprojekt in den USA.
Die beiden Triebwerke der H IX musste man zwangsläufig im Schwerpunkt unterbringen und somit vor dem Bereich der Verjüngung der Tragflächenhinterkante. Die Integration an diesem Ort war das schwerpunktmäßige und aerodynamische Optimum. Jetzt kann man sagen, dass die Deutschen damals zeitgleich Infrarot-Lenkflugkörper entwickelten und die Konstruktion darauf Rücksicht nahm. Andererseits war 1944 kein gegnerisches
Waffensystem vorhanden, gegen das der Bomber Ho 229 hätte geschützt sein müssen, und so wäre es – wenn überhaupt – nur ein sehr nachrangiges Konstruktionsmerkmal gewesen.
Die vorstehenden, kritischen Beiträge von Maik zu diesem Thema finde ich übrigens sehr lesenswert.
Nervtötend finde ich dagegen die ständigen Überlegungen, ob dieses oder jene Waffensystem den Kriegsverlauf entscheidend geändert hätte - ich halte es nun mal mehr mit den
Fakten als mit der
Fiktion. ;)
Gruß
Olaf