Funktionsweise der Koaxial-Helis

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drkite

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Hallo,

gibt es irgendwo eine Erklärung, wie die Mechanik bei den Koaxial-Helis, z.B. KA26 funktioniert? Ich weiss, wie Koaxial-Helis im Prinzip funktionieren, aber mich interessiert die spezielle Mechanik der Kamov.

Ich war heute in der Flugwerft Oberschleissheim und bin mit 400+ Fotos nach Hause gekommen :TOP:. Aber trotz der vielen Fotos verstehe ich nicht, wie die einzelnen Teile gerade bei der Kamov funktionieren.:FFCry::FFCry:

Bernhard
 
Hirsch

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Eigentlich (!) ist es nicht kompliziert, nur eben eine sehr komplexe Mechanik.

Ich muss hier mal auf die verbale Beschreibung gehen, hab' gerade keine vorbereiteten Bilder. Ansonsten ist in Kamows 50-Jahres-Buch einiges an Bildern zu finden, aber die sind ungescannt zu Hause und nicht hier im Rechner.

Ganz unten sitzt ein Schrägsteller (1) mit Steuerstangen, die durch die Rotorebene hindurch geht und einen Schrägsteller (2) zwischen beiden Rotorebenen mit verstellt, der damit immer die gleiche Neigung wie der untere hat und auch die gleiche Drehrichtung. Dieser hat die Aufgabe, die Schrägstellung zum oberen Rotor zu übermitteln.
Vom Schrägsteller (1) führen ebenfalls Steuerstangen zum Schrägsteller (3), welcher wiederum direkt die Blätter der unteren Ebene (4) verstellt; das allerdings in "negativem" Sinne - denn im Vergleich zu den meisten bekannten Blattansteuerungen an anderen Hubschraubern greifen hier die Steuerstangen vorn an. (Das Wort "negativ" dient hier nur zur Abgrenzung von den üblichen Ansteuerungen.) Ein Hochschieben des Schrägstellers (3) bringt so eine Einstellwinkelvergrößerung.

Über dem Schrägsteller (2) sitzt anderer Schrägsteller (4), der sich entgegengesetzt dreht (da sich ja die obere Tragschraube anders herum dreht) und die Einstellwinkel der oberen Blätter bestimmt (über einen weiteren Hebelmechanismus (5)). Die Ansteuerung der Blätter erfolgt hier von hinten.

Die Tragschraubenkegel der oberen und unteren Ebene haben somit immer die gleiche Art und Größe der Neigung (rechts, links, vorne oder hinten).

Ein wesentliches Funktionsprinzip ist allerdings, dass die Gesamtsteigungen der oberen und unteren Ebene unterschiedlich sein können müssen (der Koaxialhubschrauber realisiert eine Drehung um die Hochachse, indem beide entgegengesetzt rotierenden Tragschrauben betragsmäßig unterschiedliche Drehmomente erhalten). Das (beispielsweise) höhere Drehmoment der oberen Tragschraube wird durch einen größeren Einstellwinkel (und damit Anstellwinkel) der oberen Blätter erreicht; damit die Maschine nicht steigt und die Gesamtleistungsbilanz konstant bleibt, muss die Gesamtsteigung der unteren Rotorebene in gleichem Maße verringert werden. Das ganze erledigt ein Differenzialmechanismus, der bei Pedaltreten genau das realisiert.

Nun kommt der Punkt, an dem ich mir bei der Ka-26 nicht ganz sicher bin; bei älteren Modellen (Ka-15) funktionierte die Verstellung der kollektiven Steigung der oberen und unteren Blätter über eine Verschiebung der Wellenteile nach oben bzw. unten. (Ich hoffe mal, dass auf Grund der äußeren Gleichheit der Aufbauten bei beiden Maschinen das auch identisch funktioniert. Eine praktische Überprüfung gelingt mir bei den zu besichtigenden Museums-Maschinen ja nicht mehr, man kann ja nicht einfach mal wackeln...).

Im Grunde besteht der Rotormast aus 4 Wellen. Von außen nach (längerwerdend...):
  • Äußerste Welle für die unteren Tragschraube, die Nabe ist an dieser befestigt. Diese Welle ist im Hubschrauber vertikal fixiert.
  • Innere Welle I für den unteren Schrägsteller (2). Diese Welle ist vertikal verschiebbar und hebt oder senkt damit den Schrägsteller für die untere Ebene, ist damit zuständig für die kollektive Steigung der unteren Blätter.
  • Innere Welle II, die sich in Drehrichtung des oberen Rotors dreht (=entgegengesetzt zur der des unteren Rotors) und den Schrägsteller (4) und den Hebelmechansimus (5) trägt.
  • Innerste Welle (hier nicht separat zu sehen), die sich gemeinsam mit der mittleren in Drehrichtung des oberen Rotors dreht und die Nabe der oberen TS trägt. Diese Welle ist vertikal verschiebbar; um trotzdem zuverlässig die Kräfte auf die Zelle zu übertragen, ist ein ordentlicher Spindelmechanismus erforderlich.
Die innerste Welle kann also nach oben oder unten verschoben werden. Durch die sich dadurch hebenden/senkenden Aufhängepunkte der Blätter einerseits und die über den Hebelmechanismus (5) unverändert angreifenden Steuerstangen anderserseits ändert sich damit die kollektive Steigung der oberen Blätter.

Die innere Welle I hebt oder senkt den Schrägsteller (3) für die unteren Blätter.
Werden der untere Schrägsteller (3) und die innerste Welle+Nabe der oberen Ebene (7) gehoben, vergrößert sich bei beiden der kollektive Einstellwinkel gemeinsam, der Hubschrauber wird steigen.

Für eine Drehung werden die oberen und unteren Blätter unterschiedlich stark angestellt, das passiert, indem sich beispielsweise die innerste Welle nach oben bewegt, der untere Schrägsteller (3) nach unten. Die Differenz führt zur Drehung, in Summe bleiben jedoch die von beiden Tragschrauben gelieferten Schubkräfte gleich und halten damit den Hubschrauber in konstanter Höhe (die betragsmäßige Summe beider Drehmomente bleibt gleich).

Die Verstellung der beweglichen Wellenteile (innere Welle I und innerste Welle) erfolgt, wie geschrieben, über einen Spindelmechanismus. Im Falle der beabsichtigten gemeinsamen Verstellung der oberen und unteren Ebene, was einer Bewegung des Gassteigunsghebels (Pitch) entspricht, bewegen sich auch die innere Welle I und die innerste Welle in gleichem Maße nach oben oder unten. Wird das Pedal getreten, werden die äußeren, mit einem Gewinde versehen Befestigunsgteile beider Wellen, gegeneinander verdreht und weisen nun infolge des Gewindes eine vertikale Differenz auf - voilà, der eine Einstellwinkel wird größer, der andere kleiner.

Zu meiner Unsicherheit: den oben beschriebenen Effekt könnte man auch erreichen, indem man den oberen Hebelmechanismus (5) hebt oder senkt statt der gesamten Nabe (7). Wie gesagt, in den Skizzen zur Ka-15 ist das Funktionsschema wie beschrieben realisiert.

Im Übrigen sind die Blätter der unteren Ebene ohnehin konstruktiv stärker angestellt, um mit dem wirkenden Luftstrom der oberen Ebene zurecht zu kommen.

Ansonsten noch ein paar Ansätze auf meiner Seite, auch wenn genau das oben Beschriebene noch in der Wartschleife auf Abarbeitung und Erstellung eines Artikels wartet :-).

(Großes Bild bei Wikipedia, da aber ohne beschreibende Zahlen)
 
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Eigentlich (!) ist es nicht kompliziert, nur eben eine sehr komplexe Mechanik.


Super Beschreibung !
Hab neulich erst drüber gegrübelt, wie die Koax-Helis wohl "die Kurve kriegen".
Mit dieser Hubgeschichte wird das dann klarer.

Das Justieren der ganzen Hebelwege zueinander muß allerdings der schiere Albtraum sein.


Grüezis

PS: deine Seite wird zukünftig einen häufigeren Gastleser haben.
 

drkite

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Hallo Thomas,

vielen Dank für die tolle, verständliche und ausführliche Beschreibung. Das macht vieles klarer.
:TOP::TOP:

Bernhard:
 
Hirsch

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Das Ka-52-Modell aus dem Linktip von @Vtg-Amtmann ist ja echt der Hammer... selten sieht man so filigrane und aufwändige Mechanik! Sie scheint sich äußerst genau am Original zu orientieren, auch was die ganze Rotoransteuerung betrifft (und was beileibe ja nicht jeder Modellbauer im Hubschrauberbereich tut).
Auf den Bilder sieht man es recht gut, wie es um den Aufbau des Rotormastes bestellt ist. Bei der Ka-50/52 wurde die Steuerung in der Form verändert (gegenüber früheren Baureihen Ka-25,26,27,29,32, aber sogar Ka-226), dass die obere Tragschraube nun von einem oben liegenden Schrägsteller angesteuert wird (vergleiche unten liegender Schrägsteller der Ka-26 auf dem Bild weiter oben). Damit wird nicht mehr die gesamte obere Nabenaufhängung verändert, diese ist nun vertikal fest; die innerste Welle ist mit ihrer Auf- und Abbewegung nun für die Ansteuerung der kollektiven Steigung des oberen Rotors verantwortlich, der Hebelmechanismus (5) aus dem obigen Ka-26-Bild ist über den ganzen Mast gewandert.
 
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