Deine Einwände sind schlüssig. Vergessen sollte man aber nicht, unter welchen Gesichtspunkten die TU5 konzipiert wurde. Tupolev mussten ihre TU5 so auslegen, dass diese auch unter widrigen Bedingungen eingesetzt werden konnte. Dies zeichnete ja auch andere zivile Designs aus der damaligen Ära aus.
Falls ich mich nicht irre, wurde die TU5 nach dem „Safe Life“-Prinzip konstruiert - im Gegensatz zu z.B. US-Produkten im fraglichem Zeitfenster, die nach dem Fail Safe-Prinzip entworfen wurden. Grob ausgedrückt wurde die TU5 als Gebrauchsgegenstand mit begrenzter Lebensdauer konzipiert, bei Bedarf sollte dann eben eine neue TU5 die betroffene andere TU5 ersetzen. Die TU5 gehörte sogar zu den Passagierjets, die es auch ohne Sauerstoffmasken für Passagiere gab. Als Begründung konnte man lesen, dass man es nahezu ausschloss, dass bei einer TU5 ein Druckabfall durch ein strukturelles Versagen der Druckkabine auftreten würde. Letztlich wurde dieses Design sicherlich mit konservativen Sicherheitsmargen konstruiert, die man heute niemals berücksichtigen würde.
Die Robustheit des Konzepts ermöglichte der TU5 somit erst den Einsatz in gewissen Gebieten, aber selbst westliche Hersteller haben ja seinerzeit auch bei Bedarf nach sehr konservativen Maßstäben entworfen. Man schaue sich die Fokker F28 an, die in der Gesamtheit dadurch ein „perfektes“ Flugzeug für „Entwicklungsländer“ war: einfach konstruiert, sehr robust, nur so viel Technik wie nötig, so wenig wie möglich und bei richtiger Bedienung überaus zuverlässig.
Gerade die hohe technische Entwicklung der A320 und ihrer Systeme führten ja Anfang der 1990er zu Problemen bei A320-Betreibern in „Entwicklungsländern“, wo selbst der Umstieg von der „robusteren“ Boeing 737-200 auf A320 schon im Normalbetrieb nicht ganz unproblematisch war, da die vorhandene Infrastruktur für ein High-tech-Produkt noch nicht bereit war und manch ein Monsunschauer mehr Probleme bereitete als man erwartete.
Die TU5 spiegelt ja auch die damalige Infrastruktur und das Einsatzspektrum wider und seit den 1990ern haben politische und soziale Veränderungen in der UdSSR und VR China zu einer Verwestlichung geführt, die nicht ganz problemlos verlief.
Noch ein Zusatz wegen der bulgarischen Charteranbieter: vergessen sollte man nicht, dass einerseits Air VIA sich einen sehr guten Ruf mit ihren TU5 erwarb (es waren recht junge Flugzeuge, Baujahr 1990) und deutsche Reiseveranstalter der Air VIA ihr Vertrauen schenkten. Air VIA und auch Bulgarian Air Charter müssen aber (genauso wie andere Anbieter) zu möglichst günstigen Kosten ihr Produkt an einen Veranstalter verkaufen und hier wurde die TU5 zunehmend ein Problem. Auch gab (glaube ich) es technische Modifikationen, die erst den weiteren Einsatz im EU-Luftraum ermöglicht hätten. Auch erwies sich das hohe Gewicht der TU5 als Problem bei den Kosten eines Fluges (mtow kg: 100 000).
Air VIA wählte hochmoderne Airbus A320 als Ersatz, während Bulgarian Air Charter bekanntlich auf MD-82/-83 umstellte. Alleine die Umstellung auf Zweimann-Besatzung, auf Flugzeuge mit nur zwei Triebwerken usw. führte zu deutlichen Einsparungen im Flugbetrieb und auch besseren Möglichkeiten, die Wartung dieser Flugzeuge umzusetzen.
Gruss