...wenn es das nicht gibt, dann würde man auch ohne auskommen. So wie, wenn heute noch dei Sowjetunion stünde, dort wohl noch unzählige IL-62 und IL-86 in Betrieb wären, weil einfach nix anderes da wär.
Wären die politischen Umstände andere und wären noch die Gesetzmäßigkeiten des Luftverkehrsmarktes nicht verändert worden, dann würde sicherlich die Luftfahrtszenerie anders aussehen. Sicherlich würde manch eine GUS-Linie heute nicht vor der Frage stehen, ob sie ihre 737-500 durch A319 oder Embraer 195 ersetzen sollte.
Eine Fluggesellschaft wie Malev war einst froh, ihre Flotte durch Boeing 737-200Adv. zu ergänzen und dann durch 737-300/-400/-500 zu ersetzen, um ein paar Jahre wieder ihre vermeintliche Wettbewerbsfähigkeit mit 737NG zu optimieren, nur um dann mit hochmodernem Equipment kurz vor dem finanziellen Kollaps zu stehen...
Selbst ohne politische Zwänge, würden sehr wahrscheinlich viele Flugzeugflotten anders aussehen, möglicherweise diverse Flugzeughersteller aufgrund von Luftverkehrsabkommen bessere oder schlechtere Chancen bei der Vermarktung ihrer Flugzeuge haben.
Die gute „alte“ Fokker 100 und mögliche Parallelen zur neuen Fokker 100:
Ich hege wenig Zweifel, dass die Fokker 100 für sich genommen ein wirtschaftliches Flugzeug ist – unabhängig von den häufig geäußerten Kommentaren manch einer Fluggesellschaft, dass die Fokker 100 „unwirtschaftlich“ sei. Zwar passen solche Beurteilungen gut ins gewollte Gesamtbild, dass man heute nur noch mit modernsten 100-Sitzern überhaupt noch Passagiere zu Buchungen animieren kann und rechtfertigt in der Massenmeinung einen notwendigen Austausch der Flotte, vertuscht aber oftmals ganz andere betriebswirtschaftliche Aspekte/Vorgänge. Grundsätzlich sollte man – finde ich - mit der „Beurteilung“ von Wirtschaftlichkeit eines Flugzeugtyps immer den Gesamtzusammenhang sehen und auch ab und an die Zeilen zwischen den geschwollenen Sätzen erkennen. Vergessen sollte man aber sicherlich nicht, dass die Fokker 100 1988 ein neues und modernes Modell war und dies nun 22 Jahre her ist.
So sehr zum Beispiel die KLM Cityhopper auf die Differenz bei der Wirtschaftlichkeit zwischen ihren neuen Embraer-Jets und ihren Fokker 100 hinweist, so könnte man stundenlang lamentieren, ob KLM Cityhopper mit ihrer Fokker70/100 tatsächlich so viel schlechter unter dem Strich fliegt, wenn man die Berechnungen aus einer anderen Sicht sehen würde. Zweifellos haben aber KLM Cityhopper ihre Richtung vorgegeben und die Frage ihrer Flottenstruktur geklärt und dies ist auch ein sehr wichtiger Faktor.
Die Kalkulationen sind meiner Ansicht nach logischerweise immer zum Vorteil des Nachfolgemusters – es wäre ja auch unpassend, wenn man schreiben würde, dass der neue Flugzeugtyp zwar pro Sitz weniger verbraucht, aber die Investitionen über Jahre hinweg erstmal wieder eingeflogen werden müssen. Auch kalkuliert jedes Unternehmen anders, jeder Flugzeugtyp zeigt andere Werte, sobald man den Betreiber wechselt.
Die Fokker 100 hat für sich genommen in ihrer Konzeptphase- und hier tauchen wir mal in die Historie ein - sehr erfolgreich Mainline-Gesellschaften angesprochen, aber auch bestehende Fokker F28-Betreiber gewinnen können und dies war schwer, da das Kundenprofil der F28 ganz andere Anforderungen an Flugzeuge hatte. Selbst der einst überaus erfolgreiche schwedische F28-Betreiber Linjeflyg beurteilte die Fokker 100 als „neues“ Flugzeug und evaluierte deshalb die Fokker 100, Boeing 737-300 und MD-87. Die Entscheidung fiel dann zugunsten der 737-500 und nicht zugunsten der Fokker 100! Die Fokker 100
Insgesamt fiel es aber der Fokker 100 schwer, weitere europäische Kunden zu gewinnen. Eventuell lag es an der damals (aus meiner Sicht) niederschmetternden Kritik der KLM, die nach nur wenigen Einsatzmonaten ihre ausstehenden Fokker 100-Bestellungen stornierte und einige Defizite ziemlich deutlich aussprach. Das Verhältnis zwischen Fokker und KLM hat sich meiner Ansicht danach nicht wieder wirklich erholt – daran änderte auch die Entscheidung nichts, dass KLM Cityhopper dann Fokker 70 und später wieder Fokker 100 einsetzte und die Fokker 100 plötzlich doch wieder geeignet war.
KLM beklagten nicht nur die verspätete Lieferung der Fokker 100, sondern primär die zu geringe Frachtkapazität. Da KLM ihre DC-9 nach einem festen Plan ausmustern mussten (sie waren schon von den neuen Eigentümern verplant), mussten – glaube ich – temporär sogar Boeing 737-200Adv. von Transavia einspringen.
Auch der Erstkunde und Erstbetreiber Swissair zeiget sich laut damaliger Fachpresse nicht zögerlich mit negativer Kritik an der Fokker 100, wobei gewisse andere Umstände im Zusammenhang mit der Fokker 100 damals gerne verschwiegen wurden.
Bei diversen Ausschreibungen europäischer Fluggesellschaften konnte Fokker ihre für Kurzstrecken optimierte Fokker 100 nicht ausreichend schmackhaft machen. Mehrfach stand die Fokker 100 bei der SAS im Gespräch, zuerst Mitte der 1980er als möglicher Ersatz der DC-9 und weitere Angebote kamen von BAe (BAe146-Familie) und McDonnell Douglas (MD-87), dann nochmals in der ersten Hälfte der 1990er abermals als Ersatz für die DC-9 in Konkurrenz mit der MD-95. Der Auftrag ging bekanntlich an die wenig an Kurzstrecken optimierte Boeing 737-600. Insgesamt stieg die Anzahl an Fokker 100 erst ab 2002/2003 in Europa wieder deutlich an und die Anzahl an Betreibern war recht hoch.
Oft geäußerte negative Kritik an der Fokker 100 war zumeist eine unzureichende Frachtraumkapazität und eine unzureichende Reichweite bei voller Nutzlast. Die Grenze der Leistungsfähigkeit der Fokker 100 schränkte das Muster dann ein, wenn längere Routen beflogen werden sollten oder klimatische/geographische Herausforderungen eine hohe Leistungsfähigkeit erforderten.
Die „Nichteignung“ als europäisches Charterflugzeug zeigt sich vielleicht ganz gut an der damaligen Entscheidung der Schweizer CTA gegen die Fokker 100 als Ersatz der Caravelle. Die CTA galt als fast sicherer Kunde für eine „Fokker 100ER“, die der CTA die Möglichkeit geben sollte, ab der Schweiz nonstop zu den Kanaren operieren. Mir ist aber nicht bekannt, ob man tatsächlich 119 oder gar 122 Sitzplätze einbauen wollte, wie Fokker es in Broschüren demonstrierte.
Damalige Fachartikel beschrieben die Bestrebungen von Fokker, die Anforderungen zu erfüllen und CTA konnte bei der technischen Betreuung auf den baldigen Betreiber Swissair setzen. CTA mussten dann aber feststellen, dass die Fokker 100 selbst in der „ER-Version“ nicht die für sie beste Lösung wäre und es wurden vier MD-87 eingeführt, für die dann Swissair ebenfalls technische Assistenz bieten konnte.
Selbst die leistungsgesteigerte Version der Fokker 100 kam somit nicht an die 737-500/MD-87 heran, ganz zu schweigen von der zusätzlich möglichen Frachtkapazität der beiden letzteren Modelle. Trotzdem konnten in den USA zwei große Fluggesellschaften für die Fokker 100 gewonnen werden: American Airlines und USAir. USAir hatten durch die Integration der Piedmont Airlines zusätzlich die größte Fokker F28-Flotte, während American Airlines in der Fokker 100 ein optimales 100-sitziges Flugzeug sahen.
Ein enormer Vorteil der Fokker 100 war sicherlich damals die gegenüber der 737-200, DC-9 etc. deutlich leiseren und sauberen Triebwerke, eine hohe Effizienz und vergleichsweise sehr moderne Auslegung des Cockpits. Auch bot die Kabine mit ihrer 2+3-Bestuhlung eine von Geschäftskunden eher akzeptierte Auslegung. Das Fehlen einer Hecktreppe wurde übrigens von späteren Betreibern ebenfalls negativ kritisiert („Bodenzeiten dauern länger“).
Und jetzt soll die neue Fokker 100 kommen, die einen Markt ansprechen soll, der – wie bereits geschrieben – neu aufgeteilt wurde. Weder kann ein großer Kundenstamm angesprochen werden und nach dem Kollaps von Fokker gab es einige Zeit ziemliche Probleme für damalige Fokker-Betreiber, einen effizienten Support zu erhalten. Dann wurde immer wieder die Wiederaufnahme der Produktion angekündigt, seit es in Südkorea oder als Rekkof-Idee. Während diese Seifenblasen durch die Luft schwebten, handelten viele Betreiber und sie handelten ohne Berücksichtigung auf mögliche Wiederbelebungspläne, die dann sowieso wieder zerplatzen sollten. Jede Fluggesellschaft wünscht sich – unabhängig davon, ob nun heute oder vor 20 Jahren – ein Kalkulierbarkeit hinsichtlich der Kreditwürdigkeit eines Herstellers. Schließlich hat die Einstellung der Produktion eines Modells sehr negative Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert eines Flugzeugs.
Auch zeigt sich zu guter Letzt doch auch für die mögliche neue Fokker 100 das identische Problem, welches der alten Fokker 100 spätestens nach 2001 bei Mainline-Linien zum Verhängnis wurde: 100-Sitzer können offensichtlich schwer optimal bei Mainline-Gesellschaften optimal betrieben werden, während sie nach Ansicht von anderen für Regionalzubringer zu groß waren. Es ist somit im Interesse vieler Mainline-Gesellschaften, möglichst solche Flugzeuge nicht mehr selber einzusetzen, sondern noch kostengünstiger bei regionalen Zubringern mit dem Schein, dass die Hauptgesellschaft den Flug durchführt. Dies betrifft ja nicht nur die Fokker 100, sondern alle Flugzeuge mit 100 bis 120-Sitzplätzen und der Markt ist heute nicht einfacher.
Es fällt ja selbst bestehenden Anbietern von Flugzeugen der Größe einer Fokker 100 schwer, weitere Aufträge an Land zu ziehen. Daran ändern auch Verkaufserfolge bei Bombardier und Embraer nichts. Hier als abermaligen Versuch die Fokker 100 als ebenbürtiges Alternativmodell anzubieten, erscheint nicht einfach.
Gruss