Stalleigenschaften unterschiedlicher Profile

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gero

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Alien
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Hallo,

seit Jahren kommt mir die folgende Aussage immer wieder mal zu Ohren:

"Laminarprofile haben kritische Stalleigenschaften, insbesondere dauert es signifikant länger, bis beim Abfangen die Strömung wieder anliegt"

Ich hab aber auch mit intensivem Suchen nichts belastbares gefunden, was diese These untermauern würde. Ich weiß wohl, daß um die Definition, was nun genau ein Laminarprofil ist, lange gestritten werden könnte. Und ich weiß auch, daß unterschiedliche Profile sich beim Strömungsabriß unterschiedlich verhalten (ich erinnere mich mit Grausen an ein "Flugmodell-Wunderprofil"...)

Hat jemand von Euch da bessere Informationen?

gero
 

Gelöschtes Mitglied 7691

Guest
(ich erinnere mich mit Grausen an ein "Flugmodell-Wunderprofil"...)
Ah, auch ein Opfer des E205 geworden? ;)


Aber eins nach dem anderen.

Was ein "Laminarprofil" ist liegt im Auge des Betrachters. Wenn man das nur über die laminare Laufstrecke definiert, dann wird auch ein NACA0012 unterhalb gewisser Reynoldszahlen zum Laminarprofil.
Eine sinnvolle Definition wäre imho folgende: Laminarprofile sind solche Profile, welche beim Entwurf schon gezielt auf eine möglichst große laminare Laufstrecke in ihrem jeweiligen Einsatzbereich hinkonstruiert wurden.

Das Laminarprofil erkennt man zum Einen an der Form (u.A. eine größere Dickenrücklage) und zum Anderen an der Druckverteilung (Exemplarisch für die Oberseite: Druckabfall am Anfang, möglichst langes unterdruckplateau, "Transitionsrampe" (d.h. gezielter Druckanstieg zum Erzwingen der Transition, bevor es zur Komplettablösung kommt).

Ber Profilen für eher kleine Reynoldszahlen (Flugmodelle) sind die Profile an ihrer Form nicht unbedingt sehr leicht zu erkennen, da das Profil recht freiwillig "laminar" bleibt und die Dickenrücklage nicht allzu weit nach hinten genommen werden kann. Deutlich zu erkennen wirds dann bei Profilen für sehr große Reynoldszahlen. Große Dickenrücklage, sehr späte Einschnürung und auf der Unterseite hinten beinahe konkave Bereiche.




Überziehverhalten... das ist so ne Frage, welche sich schlecht allein aus der Polare beantworten lässt. Zwar liefert die statische Polare einen Anhaltspunkt für das WANN und WIE PLÖTZLICH (man betrachte einfach, wie schnell die Polare im hochauftriebsbereich abbiegt, wie schnell Transitionspunkte über Alpha wandern usw.).. eine Aussage über "Wie gut/schnell ist das zu recovern?" lässt sich daraus aber nicht unbedingt ableiten.
Aufgrund der Laminarhaltung und des Druckplateaus wird das Überziehverhalten von Laminarprofilen eigentlich immer plötzlicher sein als das eines NACAxxxx-Veterans. Auch ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Ströming KOMPLETT weg ist. Bei nicht ausgereizten Profilen gibt`s die Möglichkeit, dass die Strömung nur in den hinteren 50% ablöst, was der Flieger mit einem Auftriebseinbruch quittiert und die Nase brav runternimmt. Da die Umströmung des Nasenbereiches noch einigermaßen intakt ist, dauert das wiederanlegen auch nicht so lange, der abschwimmene "überzieh-Wirbel" ist kleiner.
Da bei "ausgereizten" Profilen auch der Nasenbereich stärker vom Abriss beeinflusst wird dauerts dort eben länger. Zudem kommt noch, dass bei moderneren Profilen die Nasenradien kleiner sind. Das toleriert somit weniger Fehlanströmrichtung, bis die Strömung sich wieder anlegen kann (saugspitzen).

Gruß

A.P.
 
gero

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Alien
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Hallo Acanthurus,

danke, genau auf Deine Antwort habe ich gewartet.

Ah, auch ein Opfer des E205 geworden? ;)
Ach, das E205 war bei meiner Baugenauigkeit eigentlich ganz handzahm. Das "Wunderprofil" war ein anderes.

Überziehverhalten... das ist so ne Frage, welche sich schlecht allein aus der Polare beantworten lässt. Zwar liefert die statische Polare einen Anhaltspunkt für das WANN und WIE PLÖTZLICH (man betrachte einfach, wie schnell die Polare im hochauftriebsbereich abbiegt, wie schnell Transitionspunkte über Alpha wandern usw.).. eine Aussage über "Wie gut/schnell ist das zu recovern?" lässt sich daraus aber nicht unbedingt ableiten.
Aufgrund der Laminarhaltung und des Druckplateaus wird das Überziehverhalten von Laminarprofilen eigentlich immer plötzlicher sein als das eines NACAxxxx-Veterans. Auch ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Ströming KOMPLETT weg ist. Bei nicht ausgereizten Profilen gibt`s die Möglichkeit, dass die Strömung nur in den hinteren 50% ablöst, was der Flieger mit einem Auftriebseinbruch quittiert und die Nase brav runternimmt. Da die Umströmung des Nasenbereiches noch einigermaßen intakt ist, dauert das wiederanlegen auch nicht so lange, der abschwimmene "überzieh-Wirbel" ist kleiner.
Da bei "ausgereizten" Profilen auch der Nasenbereich stärker vom Abriss beeinflusst wird dauerts dort eben länger. Zudem kommt noch, dass bei moderneren Profilen die Nasenradien kleiner sind. Das toleriert somit weniger Fehlanströmrichtung, bis die Strömung sich wieder anlegen kann (saugspitzen).
Danke, das genau wollte ich aus berufenem Munde hören. Mehr oder weniger hatte ich mir das auch so gedacht. Spannend wären jetzt noch praktische Erfahrungen, z.B. aus der Segelflugecke.

gero
 
nerbe

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Das hängt natürlich von der Art des Laminarprofils ab und wie kritisch die Auslegung ist.

Ich kenne rechtig zickige "alte" Laminarprofile und auch gutmütigere. Leider endet meine Erfahrungsspektrum 1996.

Auffällig ist erst einmal die gute Beschleunigung dieser Profile. Einen klassischen Segler auf höhere Geschwindigkeiten zu bringen kosten Zeit, Höhe und Nerven. Dagegen beschleunigt ein laminarer Tragflügel wie eine Rakete.

Besonders im Streckenflug wo viel und kräftig beschleunigt wird ist das ein großer Vorteil. Natürlich hat der relativ geringe Widerstand diese Profile im Schnellflug ungemein positive Wirkung und damit verläuft die Geschwindigkeitspolare angenehm flach.
Nachteilig ist das ;zuweilen zickige; Abrissverhalten beim Langsamflug. Den braucht man natürlich bei Kreisen in der Thermik. Bei manchen Flugzeugen liegen da nur wenige
km/h zwischen Abkippen, Abruschten oder Trudeln zum Langsamflug mit geringstem Steigen. Der Grat ist eng auf dem man wandelt. Besonders beim Kurbeln im Pulk bemerkt man die Nachteile extremer Laminarprofile, welche einen dann immer wieder am Außenrand einfinden lassen.
Ein Nachteil im praktischen Fliegen ist die Empfindlichkeit gegen alle Arten von "Dreck" auf der Nasenkante. Ein dicken Mückenschwarm kann da schon Nachteile bringen und ein Regenschauer sowieso.

Aus diesen Erkenntnissen heraus kann man natürlich auch ableiten, das extreme Laminarprofile für Fluganfänger ungeeignet sind und gutmütige Flugzeuge immer noch klassisch bis halblaminar ausgelegt sind.

Moderneren Laminarflügeln wurde die extreme Zickigkeit im Langsamflug recht wirkungsvoll ausgetrieben, aber das liegt nach meiner Zeit und dazu sollte ein Pilot moderner Langohren etwas sagen.
Das war jetzt recht populärwissenschaftlich, aber Du wolltest ja so etwas von einem Piloten aus der Praxis wissen.

Gruss ...
 
Soaring1972

Soaring1972

Alien
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Es ist schon so, daß du aus dem Stallbereich bzw. aus em Langsamflug heraus etwas mehr Zeit, also Höhe, benötigst um wieder die Strömung sauber anliegend zu haben.
 
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