American Airlines müssen nicht zwangsläufig zahlungsunfähig sein, recht oft stellten sich US-Linien sehr bewusst unter Chapter 11, um dann während des Verfahrens Änderungen bei verschiedensten Konditionen zu erwirken, die ohne Chapter 11-Verfahren nicht möglich wären. Ich behaupte gar, dass in der Vergangenheit US-Linien Chapter 11 mitunter „missbraucht“ haben und gesunde US-Linien sogar schadeten.
American Airlines wagten (meiner Meinung nach) den Schritt für Chapter 11 sehr spät, da über Jahre hinweg die Kostenstrukturen sehr nachteilig waren und sind. Das Unternehmen versuchte über einen langen Zeitraum, durch Verkauf und Zurückmieten von Flugzeugen angebliche Liquiditätsprobleme zu beseitigen. Das mag der offiziell Grund sein, wahrscheinlich ist der Öffentlichkeit gar nicht bekannt, wie tatsächlich gespielt wird. Boeing und Airbus als Lieferanten werden wohl ein realistischeres Bild haben, was American unterschreiben kann und was nicht.
Der Konzern hat sehr wahrscheinlich stille Reserven und jede Aktion ist ein vermeintlicher Schachzug im Interesse der verschiedenen Unternehmen innerhalb der AMR. American Airlines können in dem eingeleiteten Verfahren unter Umständen Leasingkonditionen oder Zahlungsraten für neue Flugzeuge zu Gunsten der Airline ändern, bestehende Leasingvereinbarungen für bestimmte Flugzeuge zeitlich deutlich verkürzen, Lohnstrukturen erheblich modifizieren, teure Mitarbeiter „loswerden“, die Flotte je nach Option deutlich einstampfen und im Zuge von Chapter 11 dann Flottenabgänge über die bekannten Pläne hinweg beschleunigen. Auch kann mit weniger Gequake das eine oder andere Drehkreuz eingestampft und neue Arbeitsverträge diskutiert werden. Flugzeugbestellungen können „überarbeitet werden“, selbst eine Stornierung tut dann finanziell weniger weh, man ist ja in Chapter 11.
Im Grunde können American Airlines froh sein, dass sie große Flottenteile besitzen, für die keine oder nur geringe monatliche Leasingbelastungen anfallen. Würde aktuell und schon seit einigen Jahren ein Grossteil der Flotte aus neuen und teuer abzuzahlenden Flugzeugen bestehen, wäre es so ähnlich wie einst bei TWA: erdrückt von Verbindlichkeiten für neue Flugzeuge.
Auch würde bei American Airlines meiner Ansicht nach selbst mit Lieferung von 130 Airbus A319/321 bei unveränderten Kostenstrukturen keine durchgreifender Effekt erzielt werden, da Kerosinkosten und moderne Flugzeuge nicht alles sind. Bei American Airlines waren einst die Fokker 100 nicht mehr tragfähig, zu hoch waren die Kostenstrukturen, wenn man nur 97 Sitzplätze vermarkten konnte und fortan klaffte eine Lücke zwischen der CRJ700 (American Eagle) und MD-80 (American Airlines). Die kapazitätsseitige und flexible Staffelung von Fokker 100 über MD-80, Boeing 737/757/767/777 und A300 war nicht mehr haltbar und dies lag nicht primär an der Charakteristika der einzelnen Flugzeugtypen. Andere Airlines bewiesen und beweisen ja, wie man effizient arbeitet und äußerst niedrige Betriebskosten auf Sitzbasis erzielen kann.
Darum könnte Chapter 11 die Chance für AMR und ihre Töchter sein, sich von ihren eingefahrenen Strukturen zu lösen und erheblich agiler, schlagkräftiger und so schnell wie möglich aus Chapter 11 zu kommen.
Gruss!