Wer sah Guynemers Leichnam?

Diskutiere Wer sah Guynemers Leichnam? im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Hallo liebe Luftfahrtenthusiasten, im Auftrag eines belgischen Historikers bitte ich um Hilfe beim Versuch der Lösung einer ungeklärten Frage...

Koflheim5

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Hallo liebe Luftfahrtenthusiasten,

im Auftrag eines belgischen Historikers bitte ich um Hilfe beim Versuch der Lösung einer ungeklärten Frage der Luftkriegsgeschichte des Ersten Weltkrieges. Bitte lest den nachfolgenden Text:

Wer sah Guynemers Leichnam?

Am 11. September vor 95 Jahren fiel der französische Kampfflieger Georges Guynemer über dem belgischen Dorf Poelkapelle bei Ypern. Ein belgischer Historiker (1) sucht Zeitzeugenberichte, die die Aussagen von vier belgischen Zivilisten zwischen dem 11. und 14. September 1917 ergänzen oder präzisieren.
Der französische Jagdflieger Georges Guynemer (1894-1917) unternahm am 11. September 1917 einen Erkundungsflug nördlich von Ypern. Ein Kamerad gab an, dass er in etwa 5800 Metern Höhe einen deutschen Zweisitzer angriff. Dabei stürzte Guynemer ab und wurde von Leutnant Kurt Wissemann (Jagdstaffel 3) verfolgt und beschossen. Der Abschuss wurde Wissemann zuerkannt, obwohl es wahrscheinlicher ist, dass Guynemer vom Abwehrfeuer des deutschen Zweisitzers getroffen wurde. Am 11. September gingen zwei deutsche Zweisitzer nördlich von Ypern verloren. Wenn einer davon Guynemer zuvor abschoss, konnte dieser den Sieg selbstverständlich nicht beanspruchen. Auch ‚friendly fire‘ ist nicht ganz auszuschließen.

Guynemer stürzte südlich von Poelkapelle, im Sektor des Infanterieregiments 413 der 204. württembergischen Infanteriedivision ab. Leutnant Eugen Wendler, Adjutant des Bereitschaftsbataillons, fand die Leiche einige Hundert Meter von seinem Gefechtsstand entfernt und nahm die Papiere, einen Stiefel und ein Stück der Haltegurte an sich. Die Papiere wurden später den französischen Behörden, das persönliche Eigentum der Familie übergeben.
Was mit dem Leichnam von Guynemer geschah, ist von deutscher Seite niemals eindeutig erklärt worden. Die Überlieferungen der vier Belgier aus dem Herbst 1917, die unabhängig voneinander einen in Leder gehüllten Körper beschreiben, sind bisher die einzigen verlässlichen Hinweise.

Frans Vandewalle, damals 15 Jahre alt, hörte in einem Gasthof bei Rumbeke, etwa 20 Kilometern hinter der Front, der Unterhaltung von zwei deutschen Fuhrleuten zu, die den Leichnam eines bekannten französischen Piloten, der in der Nähe von Poelkapelle abgeschossen worden war und dessen Name nicht genannt werden darf, transportierten. Vandewalle sah sich daraufhin die Leiche an und behauptete bis zu seinem Tod, dass es Guynemer war.

Am nächsten Tag hinderten deutsche Wachposten den Landwirt Cyriel Nijs (35 Jahre) am Betreten seines Futterstalls in Rumbeke. Durch eine Luke in seinem Kuhstall sah auch er einen in Leder gehüllten Leichnam. Im Laufe des 12. und 13. September erschienen etwa 70 deutsche Offiziere und Flugzeugführer, die dem Toten ihre Ehre erwiesen. Es gab zwei Flughäfen in der Nähe.
Am nächsten Tag gab ein Fuhrman gegenüber Cyriel Nijs an, dass er die sterblichen Überreste eines bekannten Piloten, dessen Namen er nicht nennen durfte, zum Friedhof Rumbeke transportieren soll.

Dort wurde die in Leder gehüllte Leiche in einer Kapelle am Eingang des Friedhofs von Remi Vanacker (11 Jahre) gesehen. Ein anderer Junge, Cyriel Defraeye (14 Jahre), der den Totengräbern half, erinnerte sich an ein zur gleichen Zeit ausgehobenes Sammelgrab für (deutsche) Opfer der Ruhr. Es ist also möglich, dass auch Guynemer als Namenloser hier seine letzte Ruhe fand.

Für mehr Klarheit sind wir auf die Nachkommen jener 70 deutschen Offiziere und Flugzeugführer angewiesen, die im September 1917 in Rumbeke stationiert waren und möglicherweise an der Grußerweisung teilnahmen. Angesichts des renommierten Gegners sind schriftliche oder mündliche Hinterlassenschaften zu diesem Ereignis sehr wahrscheinlich. Diese gilt es nunmehr zu finden.


(1) Luc Vanacker, Een late krans voor Guynemer, Koksijde, 2011 (auf Niederländisch; auch auf Französisch: Une couronne tardive pour Guynemer).


Ich bedanke mich vorab, besonders im Namen des belgischen Historikers, für alle in dieser Sache (hoffentlich) eingehenden Informationen und Hinweise. Es folgt noch eine Liste von damals in dieser Gegend tätigen deutschen Jagdfliegern.


Jasta 3 (Rumbeke Ost)
Führer: Obltn Hermann Kohze
Ltn Joachim von Busse
Vzfw Rudolf Eck
Ltn d.R. Carl Menckhoff
Ltn d.R. Julius Schmidt
Uffz Karl Steudel
Uffz Tönjes
Vzfw Arthur Weber
Ltn d.R. Kurt Wissemann

Jasta 8 (Rumbeke Ost)
Führer: Hptm. Constantin von Bentheim
Vzfw Rudolf Franke
Ltn d.R. Walter Göttsch
Vzfw Hans Körner
Ltn d.R. Wilhelm Seitz
Ltn d.R. Alfred Träger
Obltn Bruno von Voigt
Vzfw Weber
Ltn d.R. Rudolf Wendelmuth

Jasta 26 (Abeele)
Führer: Oblt Bruno Loerzer
Ltn d.R. Hans Auer
Ltn d.R. Walter Blume
Ltn d.R. Xaver Dannhuber
Ltn Werner Daum
Ltn d.R. Heinrich Dreckmann
Vzfw Otto Esswein
Vzfw Otto Fruhner
Vzfw Fritz Kosmahl
Ltn d.R. Fritz Loerzer
Offz Stv. Rudolf Weckbrodt
Ltn Karl Wever
Ltn Maximilian Ziegler

Jasta 27 (Abeele)
Führer: Ltn Hermann Göring
Ltn d.R. Fritz Berkemeyer
Ltn d.R. Helmuth Dilthey
Vzfw Otto Jumpelt
Vzfw Willi Kampe
Ltn d.R. Rudolf Klimke
Vzfw Max Krauss
Ltn d.R. Ludwig Luer
Ltn d.R. Willi Rosenstein

 
Husar

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Das wird sehr schwierig werden! Normalerweise hat mal doch damals dem jeweiligen Gegner mitgeteilt, wer von den Assen wo runter geschossen wurde. Außerdem lief sowas auch über das Rote Kreuz in Genf. Eine der wenigen Möglichkeiten im Archiv zu forschen wäre eine Anfrage beim Geheimen Preussischen Staatsarchiv in Berlin, die haben z. B. noch Akten aus dem Siebenjährigen Krieg.
Gruß
h.
 
Husar

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Die Franzosen beschäftigen sich noch immer mit dem Thema. Siehe Heft 507 u. 508/2012 "Le Fana de l'Aviation.

Im zweiten Teil wird auf den LK mit deutschen Jägern vom Typ Halberstadt näher eingegangen.
 

Koflheim5

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Vielen Dank für die Beiträge, Husar, insbesondere den Hinweis auf das Geheime Preußische Staatsarchiv in Berlin.

Es ist tatsächlich ein schwer zu lösender Fall, insbesondere weil die deutsche Seite behauptete, dass Guynemers Leichnam in einem Trichter notdürftig beerdigt und dieses Gebiet dann durch alliierte Artillerie umgepflügt wurde.
Angesichts der belgischen Zeugenaussagen erscheint das aber fragwürdig zu sein.

Wenn nicht gerade Großkämpfe stattfanden, setzten die Deutschen gegnerische Flieger oft mit militärischen Ehren bei. Doch im Fall Guynemer hätte ein öffentlicher Trauermarsch sehr leicht zu unerwünschten Symphatiebekundungen, Aufruhr etc. in der belgischen Bevölkerung führen können. Daher hatten die deutschen Stellen sicher ein natürliches Interesse an einer Geheimhaltung.
 
Husar

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Deutscherseits wurde über den Absturz in einer Zeitung berichtet und zwar in der "Kölnischen Zeitung".


Amsterdam, Samstag 29. Sept. 1917

Der Correspondent der Kölnischen Zeitung berichtet, daß in der Gazette des Ardennes (unter deutscher Militärverwaltung) über den Tod von Capitän Guynemer berichtet wird. Dieser ist am 11. September ca. 600m östlich des Friedhofes von Poelcapelle tödlich abgestürzt. Ein deutscher Sergeant fand einen Doppeldecker mit gebrochener oberen Tragfläche und im Flugzeug einen toten Piloten mit einem Kopfschuß. Weiterhin wurde eine Erkennungsmarke mit dem Namen "Georges Guynemer" gefunden.
Reuter
 

Koflheim5

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Recht herzlichen Dank, Husar!

Die Information deckt sich im wesentlichen mit der Meldung im "Nachrichtenblatt der Luftstreitkräfte":
"8. Hauptmann Guynemer ist am 11.9. vor der 4. Armee im Luftkampf gefallen. Nach Meldung der 204. ID stürzte er dicht südlich Poelkapelle ab. Ein Flügel des Flugzeuges war abgebrochen; Motor und Rumpf hatten sich tief in das Erdreich gebohrt. Die Leiche hatte anscheinend einen Kopfschuß: der Zeigefinger der linken Hand war abgeschossen. 1 Unteroffizier und 2 Mann begaben sich zur Absturzstelle. Etwa 20 Minuten nach dem Sturz gingen feindliche Flieger auf die Absturzstelle nieder und beschossen das Bergungskommando mit M.G. Zugleich setzte starkes und andauerndes Artilleriefeuer auf die Stelle ein, so daß die Leute den Toten unbeerdigt liegen lassen und sich zurückziehen mußten, nachdem der Unteroffizier dem Toten die unten aufgeführten Gegenstände abgenommen hatte. Die Kompagnie wurde nachts abgelöst und gab der nachfolgenden Truppe den Ort des Absturzes an mit der Bitte den Toten zu beerdigen. Ob dieses geschehen ist, ist unbekannt. Das Flugzeug ist nach Ansicht des Unteroffiziers völlig zerstört. Bei dem Toten fanden sich Geld, 4 Personalausweise, Besuchskarten, Briefe, Notizzettel und eine Frontkarte.

Wer den Hauptmann Guynemer besiegt hat, ist noch unentschieden [wurde Wissemann zuerkannt]. Am 11.9. wurden bei der 4. Armee 20 Flugzeuge abgeschossen. Es herrschte in Höhen bis zu 5000 m sehr geringe Luftbewegung. über 5000 m Südwestwinde in Stärke von 5-6 m [je Sekunde]. Hauptmann Guynemer ist danach wahrscheinlich über oder hart westlich der Linie abgeschossen worden."

Wie aus meiner ersten Post ersichtlich ist Guynemer aber eben vermutlich doch geborgen und beerdigt worden.
Aufgrund umfangreicher, viele Jahre andauernder Recherchen besteht leider wenig Grund für die Annahme, die Lösung des Rätsels noch aus den "gängigen" bzw. bekannten militärischen Dokumenten zu erfahren. Daraus resultiert dieser Diskussionspfad mit der Hoffnung über Angehörige der damaligen deutschen Flieger weitere Informationen ermitteln zu können. Wer also irgendjemand kennt, der einen der oben aufgrführten Namen trägt, sollte ihn mal befragen oder auf dieses Forum verweisen.

Vielen Dank!
 

Koflheim5

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Es ist sonst nicht meine Art deutschsprachige Wikipedia-Einträge zu kommentieren, da man aufgrund der Fehlerhaftigkeit vieler Beiträge dann nie zum Ende käme. Beim Lesen des deutschen Wikipedia-Eintrages zu Georges Guynemer bin ich aber auf eine Behauptung gestoßen, die ich hier unbedingt richtig stellen muss, weil sie mit der Fragestellung dieses Diskussionspfades zu tun hat.

Es wird behauptet:
Weder das Flugzeugwrack noch die Leiche von Guynmer wurden gefunden - wenngleich es inoffizielle Berichte und solche von Augenzeugen über einen "unbekannten Toten" gibt, der aufgefunden und bestattet worden sei.
Es ist grober Unfug zu behaupten, dass Guynmers Leiche nicht gefunden worden wäre und nur inoffizielle Berichte existieren würden!

Guynemers Auffindung und Tod wurde nicht nur in amtlichen Berichten (z.B. Rotes Kreuz Oktober 1917; Deutsches Außenministerium November 1917; Deutsche Botschaft in Paris 1938) gemeldet, sondern 3 Fotos von bei ihm gefundenen Passdokumenten wurden Anfang Oktober 1917 in "Gazettes des Ardennes, Edition illustrée" abgedruckt.
Das geht nur, wenn man sich im Besitz dieser Dokumente befindet, die dem Toten abgenommen wurden!

Es kann also gar keinen Zweifel daran geben, dass Guynemer von den Deutschen aufgefunden wurde. Offen ist nur, ob die oben angeführten belgischen Augenzeugenberichte dahingehend korrekt sind, dass sein Leichnam tatsächlich geborgen und heimlich beigesetzt wurde. Hier ist jeder helfende Hinweis zur Klärung der Vorgänge sehr willkommen!
 
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Koflheim5

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Nachtrag zum richtigen Verständnis:
Bei "Gazettes des Ardennes" handelte es sich um eine deutsche Zeitung, die in französischer Sprache erschien. Sie ist im Internet bei der Uni Heidelberg einsehbar.
 

Koflheim5

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Inzwischen wurde der deutschsprachige Beitrag zu Georges Guynemer auf Wikipedia unter Berücksichtigung auch dieses Threads korrigiert und aktualisiert.
 
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