Die Einwirkungen auf einen Flugzeugentwurf sind ja manchmal ganz offensichtlich, manchmal nur zu erahnen. Es kann aber grundsätzlich angenommen werden, dass Erstbesteller in dem Modell dann eine optimale Kompromisslösung gesehen haben.
Bei der DC-10 und TriStar gab es Vorgaben, dass dieser Flugzeugtyp mit einer bestimmten Nutzlast ab New York-La Guardia operieren konnte.
Bei der DC-8-62 war es eine angeblich in einem Stockholmer Hotelzimmer geäußerte Forderung, dass dieser Typ nonstop mit Nutzlast X ab Skandinavien nach Kalifornien fliegen sollte.
Bei der A310 war es die gemeinsame Forderung von Lufthansa und Swissair für eine “kleinere A310 mit optimiertem Tragflügel”. Bei Lufthansa sollte die A310 den Bereich oberhalb der Boeing 727 und unterhalb der A300 abdecken, bei Swissair oberhalb der MD-81 und unterhalb der DC-10. Interessant ist auch, dass Austrian Airlines sehr früh Anfang der 1980er die A310 bestellte und die Rolle eine ganz andere war: es sollten Routen mit starker Nachfrage bedient werden und hier die MD-81 ergänzt/ersetzt werden. Man verschob aber die Pläne und in der Zwischenzeit wurde die A310-300 entwickelt und Austrian wagten den zweiten Versuch, ins Langstreckengeschäft einzusteigen - mit der A310-300!
Die DC-10-30ER wurde entwickelt, da Finnair eine DC-10 mit der erforderlichen Reichweite für Nonstopflüge ab Helsinki nach Tokyo (mit Umweg um Russland herum) brauchte und Boeing der Finnair einen kompletten Flottenwechsel (weg von der DC-8/-9/-10 und Caravelle) anbot, mit der 737/727/757 und 747SP. Da McDonnell Douglas einen Wechsel nicht ohne Gegenangebot geschehen lassen wollte, entwickelte man die “ER”.
Die DC-10-15 wurde für die Bedürfnisse von Mexicana und AeroMexico entwickelt und für den Einsatz ab Mexico City optimiert.
Hinter der MD-11ER stand sehr wahrscheinlich Garuda, weil man mit dieser Version Routen nach Europa und in die USA besser bedienen wollte. World Airways waren möglicherweise auch Impulsgeber.
Bei Iberia waren es zuerst kleine DC-9, die bestellt wurden. Man änderte sehr schnell die Bestellung in solche für die DC-9-32 um und eine der Hauptforderungen war es, dass die DC-9 mit der Nutzlast entsprechend 100 Gästen an Madrid zu den Kanaren fliegen konnte. Iberia wurden der erste Nutzer der DC-9-30 in Europa. Die 1987 beschlossene Neuausrichtung der Flotte war in der Hinsicht interessant, da man ab 1986 öffentlich alle Optionen verkündete. Wichtig erschien weiterhin eine hohe kapazitätsseitige Flexibilität aufgrund stark saisonaler Schwankungen beim Bedarf im Sommer und Winter. Alle bekannten (westlichen) Hersteller präsentierten ihre Konzepte, die A320 war Favorit, gefolgt von der MD-87/-88-Kombination und der 737-300(/-400/-500) sowie Fokker 100 und BAe 146-100/-200/-300. Die MD-87 wurde tatsächlich bestellt, die MD-88 für Aviaco. Die A340-Bestellung wurde (offiziell nachzulesen) auch damit begründet, dass Spanien Teil des Airbus-Konsortiums wäre.
Bei TDA/JAS gab es erhebliche Anforderungen an Lärmarmut, um an Osaka-Itami operieren zu können. Da eine “STOL DC-9“ (DC-9-22) nicht über das Projektstadium hinaus ging, beobachteten TDA die MD-81 und bestellten dann zehn Stück. Mitte der 1980er wurden dann MD-87 bestellt, um Provinzflughäfen mit kurzen Pisten und unter Einhaltung von Lärmschutzbestimmungen zu bedienen.
Bei Korean Air und Alitalia spielten die Entscheidungen zugunsten bestimmter Modelle nicht nur aufgrund der Eignung eine Rolle. Hier half - wie auch bei anderen Projekten anderer Hersteller - der Anteil an Zulieferern und Unterstützung heimischer Wirtschaft.
Bei SAS sollte eigentlich ein ganz anderes Konzept eines passagierfreundlichen Flugzeugs ab Mitte der 1980er eingesetzt werden, aber kein Hersteller wagte den Schritt. Darum schauten sich SAS nach verfügbaren Modellen um und entschieden sich dann für die MD-80.
In der VR China war es eine staatliche Entscheidung, MD-80 in Lizenz zu produzieren und bei CAAC einzusetzen. Durch Neuordnung der CAAC erhielten die Divisionen Ost und Nord die MD-80 (China Eastern/China Northern).
Bei KLM entschied man sich bewusst als Ersatz der DC-9 für zwei verschiedene Modelle: die 737-300 und Fokker 100. Bis 1989 ersetzten 737-300/-400 und Fokker 100 mit hoher zeitlicher Verzögerung die letzten DC-9. Oberhalb der 737-400 waren ja die zehn A310-200 platziert, die sich aber seinerzeit als ab und an zu groß für KLM erwiesen und deren Reichweite nicht so war wie von KLM gewünscht.
Bei Lufthansa entschied man sich relativ spät für die A320, da nach Ansicht von Lufthansa die A320 grundsätzlich etwas zu klein war. Dies darf mit als Grund berücksichtigt werden, dass Lufthansa sich sehr früh und stark für ihr eigentliches Kind - die A321 - einsetzten.
Es existieren typenspezifische Foren und Internetauftritte, die sich diesen Themen mehr oder weniger widmen. Gerade in Foren kann dann regelrecht “gesammelt werden”, damit ein klareres Bild entsteht. 100% eindeutig war und wird es nicht sein, da meiner Ansicht nach die Entscheidung zugunsten eines Musters immer eine Kompromisslösung darstellt(e) und konkurrierende Modelle nicht automatisch völlig ungeeignet waren oder sind. Hunderte von faktoren spielen eine Rolle - da spielt das Flugzeugmodell manchmal sogar weniger eine Rolle. Man kann sein Streckennetz um ein Flugzeugtyp herum aufbauen oder ein Modell finden, welches dem Streckennetz genügen soll. Finanzierung, zeitliche Faktoren, etablierte Kundenstämme, regionale Anforderungen, Politik, Wirtschaft etc. spielen eine Rolle.
Interessant könnte für Dich ein Buch über Britannia Airways sein (“Flying into the Sun” heisst es, glaube ich). In diesem Buch wird ziemlich gut auf die Überlegungen eingegangen, die zu Entscheidungen zugunsten der 737-200 und 767-200 führten. Sehr interessant! Auch gibt es ein Buch über British Midland, wo über die flottenstrukturellen Gedanken berichtet wird, Entscheidungen für die Vioscount, DC-9, Boeing 737 und BAe ATP.
Dann gibt es ein sehr dickes Buch über Finnair (“The art of flying since 1923”), ein sehr detailliertes Buch über die Entwicklung der Finnair von 1923 bis 1983 und die flottenpolitischen Gedanken bei der Entscheidung der dann gewählten Flugzeugtypen.
Gruss