Verbesserungen im Masseneinsatz: Rakete geringer Reichweite RS-2U/RS-2US
Das inzwischen für die Arbeiten an der RS-1U verantwortliche OKB-2 untersuchte im Verlauf des Jahres 1954, welche Möglichkeiten es zur Verbesserung der Rakete gab. Vorgesehen war eine Vergrößerung der Flügelfläche um das Anderthalbfache, eine Verbesserung der Stabilität der Rakete, die Vergrößerung des Treibstoffsatzes und des Druckluftvorrates für die Ruder und nicht zuletzt eine Erhöhung der Sprengstoffmenge. Als Projekt K-5M wurde dies im März 1955 vorgeschlagen. Äußerlich unterschied sich die Rakete von ihrer Vorgängerin nur durch die größeren Flügel und durch die Form der Raketenspitze in der sich jetzt der Funkzünder befand. Trotzdem waren die Gefechtseigenschaften der Rakete verbessert. So vergrößerte sich der Wirkungsradius des Gefechtskopfes um das Anderthalbfache. Die neue Rakete konnte Manöver bis zu einem Lastvielfachen von 18 g durchführen, doppelt so viel wie bei der RS-1U. Anstelle des Feststofftriebwerkes 5G-1-Sch-1 wurde das Feststofftriebwerk 9A207 mit vergrößerter Treibstoffmenge verwendet. Bei praktisch gleichem Durchmesser von 182 mm (anstelle von 180 mm) wuchs die Länge der Pulverstäbe von 447 mm auf 501 mm, wodurch das Gewicht von 17,4 kg auf 20,1 kg stieg. Die Geschwindigkeit wurde auf 1620 m/s gesteigert und die Reichweite von 3 km auf 5,2 km. Als neuer Funkzünder wurde der AR-45 eingebaut. Bereits 1956 wurden die ersten Starts von einem Erprobungsmuster der MiG-19 aus durchgeführt. Das Trägerflugzeug SM-2M wurde mit zwei Trägern APU-4 bestückt. Die Maschine besaß kein Funkmessvisier und wurde nur zum Start von Raketen ohne Funkmesssteuerung eingesetzt. Später wurde das Erprobungsflugzeug SM-7M (einer der Prototypen der MiG-19PM) mit dem Funkmessvisier RP-2U in das Programm aufgenommen. Vier Maschinen wurden im staatlichen Flugzeugwerk Nr. 21 mit Trägern und Startschienen umgerüstet. Die ersten Tests mit der Rakete K-5M wurden in Höhen bis 5000 m durchgeführt und ergaben keinerlei Probleme. Dann verlegte man das Schießen in Höhen über 10000 m. Beim ersten Abschuss einer Rakete blieben beide Triebwerke der MiG-19 stehen. Die in das Triebwerk angesaugten Pulvergase veränderten den Luftdurchsatz und die Stärke des Kraftstoffgemisches in den Brennkammern. Es bedurfte einer großen Anstrengung des NII-2, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Trotzdem blieb das Triebwerk RD-9B anfällig für dieses Phänomen. Nach der Einführung bei der Truppe mit Erlass vom 28. November 1957 erhielt das System die Bezeichnung S-2-U und die Rakete die Bezeichnung RS-2U. Im Werk in Gorki wurden die MiG-19PM (Erzeugnis 65) als Trägerflugzeuge für diesen Raketentyp gebaut. Von 1956 bis 1960 entstanden so 369 MiG-19PM und stellten damit etwa ein Drittel der gebauten MiG-19. Leider war die Zuverlässigkeit der elektronischen Ausrüstung der MiG-19PM geringer als die der einfacheren MiG-19S. Auch die Flugleistungen verschlechterten sich. So sank die Geschwindigkeit von 1452 km/h auf 1250 km/h und überschritt damit nur knapp die Schallgeschwindigkeit. Durch viele Ausfälle der Funkmessstation „Isumrud-2M“ und die fehlende Kanonenbewaffnung sank der Kampfwert um ein Vielfaches. Der Wartungsaufwand war enorm. Erst kurz vor dem Ende ihres Einsatzlebens gelang es, eine akzeptable Zuverlässigkeit zu erreichen. Die Dokumentation und einige Raketen wurden der Volksrepublik China übergeben. Dort wurde die RS-2U unter der Bezeichnung PL-1 nachgebaut. In der Sowjetunion wurde die Rakete RS-2U noch in den 1950er-Jahren zur RS-2US weiterentwickelt. Neben der MiG-19PM avancierte das Abfangjagdflugzeug Su-9 der Heimatluftverteidigung zum neuen Träger für diese Raketen. In den 1960er-Jahren konnte dann auch noch die MiG-21 ihre Kampffähigkeiten durch Einsatz der Rakete RS-2US verbessern und so nahm es nicht Wunder, dass noch in den 1990er-Jahren diese aus den 1950er-Jahren stammende erste sowjetische gelenkte Luft-Luft- Raketen an einzelnen MiG-21 gesehen wurde. Von westlicher Seite wurden die drei Raketen RS-1U, RS-2U und RS-2US ausschließlich als AA-1 Alkali bezeichnet. Zur Unterscheidung wurden dem Kürzel „AA-1“ in alphabetischer Reihenfolge weitere Buchstaben angefügt. Bei der AA-1b handelte es sich, soweit nachvollziehbar, um die RS-2U oder RS-2US. Die auf der RS-2US basierende R-55 erhielt vermutlich die Bezeichnung AA-1c.