AW: letzter Flug einer DC 10 als Passagierjet
Ja, bei United war die Boeing 777 als direkter Ersatz der DC-10 vorgesehen und nach einigem Schluckauf konnte die 777 bei United einen hervorragenden Ersatz darstellen. Sicherlich waren Douglas für das enorme Strecken ihrer Flugzeuge bekannt und ich bin der Ansicht, dass da immer zwei Seiten gehören. Hersteller und Kunde.
Gewichtige Kunden drängten McDonnell Douglas oder wünschten zumindest mehr oder weniger vehement Lösungen, die dann zu den gestreckten Derivaten gehörten. McDonnell Douglas haben mehrfach „völlig neue Konzepte“ vorgeschlagen.
Mitte der 1970er und Mitte der 1980er wurden neue Konzepte vorgeschlagen, aber der Kundenstamm wünschte Erweiterungen der bestehenden Modellreihe. Auch die Entwicklung der DC-10 zur MD-11 wurde von wichtigen Unternehmen verfolgt und diskutiert. Viele wissen nicht, dass auch Lufthansa damals gerne um ihre Meinung gefragt wurde und deshalb auch mit den Leuten in Long Beach diskutierte. Lufthansa redet traditionell auch bei Konzepten mit, die gar nicht unbedingt in ihre aktuelle Flottenstrategie passte. Die damals ausgewogene Beurteilung von Lufthansa im Zusammenhang mit der MD-11 und MD-80/-90 kann man im „Jahrbuch 1989 (?)“ nachlesen.
Für bedenklich halte ich rückblickend, dass Douglas die Produktion der DC-8 zugunsten der DC-10 Mitte 1972 einstellte. Immerhin deckte die DC-8 den 200/250-Sitzer-Bereich ab. Es war aber eine konsequente Entscheidung, nachdem Douglas einen letzten Rundruf startete und Fluglinien ihre letzten neuen DC-8 bestellten. Die hohe Nachfrage und der Wiederverkaufswert der DC-8 sowie Umrüstung vieler DC-8 auf Super 70-Standard zeigten deutlich auf, dass Fluglinien in der DC-8 dann doch bis Ende der 1980er ein probates Gerät sahen.
Die A320 als völlig neues Konzept, legte neue Standards fest. Hier ist es interessant, dass Boeing bis zur Entscheidung der United für die A320 eher ignorant reagierte. Vorherige Entscheidungen von Pan Am und Northwest wurden offiziell eher „hingenommen“, die United-Entscheidung war aber ein Donnerschlag, da United als Boeing 737-Kunde logischerweise die 737-400 hätte bestellen können. Die 737-400 verkaufte sich als direkter Konkurrent zur A320 und MD-80 von den drei genannten Modellen im fraglichen Zeitraum ab 1988 (A320-Einführung) bis 1999 (Ende der MD-80-Produktion) am schlechtesten.
Ich bin mir recht sicher, dass die Evolution der A320 stark die Entwicklung der Boeing 737NG forcierte.
Douglas waren hier schon auf dem Holzweg. Wurden Technologiesprünge angeboten, hielten sich loyale Kunden zurück und griffen auf bewährte Angebote zurück. Nicht einmal die „MD-80 Advanced“ wurde bestellt. Weder die MD-90-Familie wurde umgesetzt, hätte sich aber später mit der geplanten MD-95-Familie überlappt, die ebenfalls nicht umgesetzt wurde.
Darum fehlte tatsächlich ein Familienkonzept, welches bei Boeing und Airbus eine der tragenden Erfolgsfaktoren wurde.
McDonnell Douglas hätte dies spätestens 1990/91 merken müssen, nachdem Swissair/Austrian ihre wegweisende Entscheidung zugunsten der A320/321 und letztlich A320-Familie trafen und der europäisierten MD-90) “MD90EC“ eine klare Absage erteilten. Bei Swissair war die Entscheidung radikaler, da hier die MD-80 innerhalb von wenigen Jahren durch A32S ausgetauscht werden sollte, bei Austrian zumindest die MD-87 und MD-83 weiterhin (bis nach 2000) Teil der Flotte bleiben sollten und hie „nur“ die 13 MD-81/-82 der A320/321 weichen sollten.
Ganz klar auch Dein Punkt mit „totevoliert“. Die Übernahme des MD-80-Tragflügels für die MD-90 führte dazu, dass die MD-90 aerodynamisch ausgereizt ist und bei den Leistungsparametern der A320 und Boeing 737-800 hinterherhinkt. Sie bietet keine ganzjährige US-transkontinentale Eignung. Interessant ist, dass dies der MD-90-Geburtshelfer Delta berücksichtigt und ihre MD-90 so optimiert einsetzt, dass diese Grenzen nicht erreicht werden. Wo der MD-90 bei der Reichweite die Puste ausgeht, kommt die A320 oder 737-800.
Nun planten Douglas tatsächlich noch weiter gestreckte MD-90, bis auf 52 m Gesamtlänge und für weit über 200 Gäste. Dies erschien damals schon sehr gewagt, alleine die enorme Rumpflänge im Verhältnis zur Passagierkapazität. Boeing 757 sowie A321 konnten mehr Fluggäste in einem kürzeren Rumpf unterbringen – wohl einer der Gründe, warum die 3+3-Bestuhlung optimal ist – keineswegs für den Fluggast.
Selbst die tatsächlich hergestellten Modelle MD-80/-90 und MD-95 (Boeing 717) mögen sich zwar in vielen Bereichen ähnlich sein, sind aber nicht als Familie zu betrachten oder aus einem Pilotenpool zu bedienen. Es müssen Zusatztrainings absolviert werden, die Mehrheit hat aus verschiedenen Gründen getrennte Pools. Einzig Delta wird bekanntlich ihre MD-80/-0 bald mit einem einheitlichen Flugdeck aufrüsten, damit ein identisches Cockpit vorgefunden wird und die Anforderungen an Navigation etc. ab 2020 erfüllt werden können.
Die MD-11 konnte weder ihren zeitlichen Vorteil und nicht im vollen Umfang den DC-10-Kundenstamm nutzen. Die Probleme mit der MD-11 in den Anfangsjahren waren weitere Sargnägel. Selbst die Erfüllung der Garantien ab 1994/95 half nicht mehr.
Auch hier trieb es die Airlines in die Arme von Boeing und Airbus. Der letzte Versuch mit der MD-11ER war schon zu spät, die Konzepte für gestreckte MD-11 (MD-XX etc.) wurden angekündigt und dann wenige Wochen später (!) eingestellt.
Ich glaube auch, dass die DC-10-60 in Japan funktioniert hätte, quasi als Ergänzung der Inlands-DC-10-40D und Boeing 747SR. Eventuell wäre rein spekulativ die DC-10-61 für starke Inlandsrouten geplant, die DC-10-62 für Ultralangstrecken (wenngleich damals zumeist mit Zwischenstopps) und die DC-10-63 für klassische Langstrecken. Die DC-10-Serie hätte möglicherweise schrittweise die sehr große DC-8-Flotte ersetzen können. Bekanntlich fiel die Entscheidung zugunsten der Boeing 767.
Vergessen sollte man aber dabei nicht, dass es damals noch viele zwischenstaatliche Verträge weltweit gab, die genau festlegten, wie viel Kapazität angeboten werden durfte. Swissair konnte nicht einfach eine DC-9 durch eine DC-9-50 ersetzen und eine Garuda konnte nicht einfach daran denken, ob man die DC-10 durch DC-10-60 ergänzen konnte. Bei Garuda stellte sich zum Beispiel die Frage nach MD-80 nicht (obwohl laut Garuda damals als sehr interessant betrachtet), weil man nicht einmal die A300 optimal in Südostasien einsetzen konnte. XXX Sitze erlaubt, die A300 zu groß, dann wurde eben die DC-9-32 eingesetzt, wenn man tägliche Flüge anbieten wollte.
Diese kapazitätsseitigen Restriktionen waren bis weit in die 1980er zu beachten. Erst die Liberalisierung eröffnete auch der Flugzeugfamilie im täglichen Einsatz die Flexibilität, die heute als Norm angenommen wird.
Damals waren übrigens Boeing 747 noch in Itami erlaubt. Itami hatte aber damals enorme Probleme mit Anwohnern (ähnlich heftig vergleichbar wie mit Orange County) und neben dem Flugverbot ab 21 Uhr bis 07 Uhr, wurde dann später der Einsatz vierstrahliger (?) Modelle verboten und der Lärm der Flugzeuge genau verfolgt und die Anzahl an Flugbewegungen pro Stunde gedeckelt. Ein Zugeständnis der JAS war übrigens der Einsatz der A300 und MD-81/-87 ab Itami, da diese Modelle keine Probleme mit den Lärm-Messpunkten hatten.
Ich glaube, dass Douglas bei der DC-10/MD-11 recht lange den Vorteil unter damaligen ETOPS/EROPS-Bedingungen sahen, dass ihre Dreistrahler keinerlei Beschränkungen unterlagen und hier gegenüber den vierstrahligen Boeing 747 wirtschaftlicher (weil kleiner) waren.
Ein europäisches (exemplarisches Warnsignal) für Douglas war meiner Meinung nach die Entscheidung der SAS. Scandinavian Airlines standardisierten in den 1980ern ihre Langstrecken auf die DC-10, musterten die Boeing 747 (und A300) aus. SAS galten als einer der potentiellen Kunden für die MD-11. SAS entschieden sich aber konträr zur zeitnahen MD-11-Entscheidung von Swissair für die Boeing 767!
Ich glaube, dass aber so eine Entscheidung verkraftet wurde, da SAS bekanntlich eine Folgebestellung für 61 weitere MD-80 tätigte und andere Unternehmen ja die MD-11 bestellten. Finnair bestellten zum Beispiel, obwohl ihnen die uns heute bekannte MD-11 damals „etwas zu groß war“. Wäre die MD-11 oder andere Produkte von Douglas tatsächlich völlig an den Vorstellungen vorbei entwickel worden, hätten viele Unternehmen nicht bestellt. Gerade Finnair legte (selbst als staatliches Unternehmen) großen Wert auf freie Entscheidungen bei der Zusammensetzung ihrer Flotte. Dies war einer der tragenden Faktoren für den Erfolg dieser Linie. Es stand allen Unternehmen frei, die Angebote von Airbus oder Boeing anzunehmen.
Die schlimmste Beurteilung kam einst von Singapore Airlines, die eine Zusage für MD-11 stornierte. Dies ist für viele Luftfahrthistoriker der größte Sargnagel gewesen, denn die Äußerungen von Singapore Airlines waren niederschmetternd und wurden von anderen Unternehmen gehört. Dies fiel zeitnah mit den ebenfalls sehr bösen Worten von American Airlines, die offiziell drohte, die Übernahme von weiteren MD-11 abzulehnen, wenn die Probleme nicht behoben würden. Die MD-11 erfüllte die Anforderungen nicht, für die dieses Modell bestellt wurde und dies war tragisch! Das fehlende Vertrauen in die Fortführung der zivilen Produktion erschwerte zusätzlich. Zweifel an der Fortzsetzung der zivilen Sparte von MD hätten mich als Möchtegern-Airlinechef sehr wohl beschäftigt.
Die Historie der MD-11 ist nicht nur in ihrer Evolution eng mit der DC-10 verknüpft. Die Geschichte der DC-10 prägte auch die MD-11.
Gruss