In den letzten Jahren war der Ukraine die Anwesenheit der russischen Marine auf der Krim zunehmend ein Dorn im Auge. Selbst die traditionell gemeinsame Parade der Schwarzmeerflotte in Sewastopol fand nicht mehr statt. Ein politischer Kurswechsel ermöglicht in diesem Jahr einen Neubeginn bei der Ausbildung russischer Trägerpiloten.
Im August 2010 waren nach einer längeren Abwesenheit wieder Flugzeuge mit dem Roten Stern und Fanghaken über den Salzseen auf der westlichen Krim bei Saki zu sehen. Die Rückkehr auf den Landgestützten Luftfahrterprobungs- und Trainingskomplex (NITKA) in Saki-Nowofjedorowka war den russischen Marinefliegern möglich, nachdem die Bevölkerung der Ukraine am 8. Februar 2010 mit Wiktor Janukowitsch einem neuen Präsidenten zur Mehrheit verholfen hatte, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Juschtschenko als pro-russisch gilt. Damit endeten jahrelange Differenzen zwischen der Ukraine und Russland um die Nutzung des Flugplatzes Nowofjedorowka. Mit Auflösung der Sowjetunion hatte sich ihre einzige Testbasis für trägergestützte Flugzeuge faktisch im Ausland befunden. Nur sporadisch gestattete die ukrainische Regierung der russischen Nordflotte die eine oder andere Trockenübung auf der Krim. Bereits im Dezember 2009 hatte das ukrainische Verteidigungsministerium einen ersten Schritt in die Normalisierung der bilateralen Militärbeziehungen getan und das geregelte Training auf dem NITKA-Komplex für den Zeitraum 2010 bis 2012 genehmigt. Am 22. Juni 2010 konnte der Verteidigungsminister der Russischen Föderation Anatoli Serdjukow nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Michail Jeschel in Sewastopol den neuen Übungszyklus der Marineflieger in Saki verkünden. Russland liefert im Gegenzug Ersatzteile für Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe im Wert von 500.000 US-Dollar. Serdjukow lud seinen ukrainischen Amtskollegen auch zu dem Ende Juni begonnenen Großmanöver „Wostok 2010“ ein, an dem neben den Landstreitkräften auch die russische Pazifikflotte teilnahm. Jeschel nutzte diese Gelegenheit zu der Ankündigung, mit Moskau über eine Umrüstung der auf der Krim stationierten russischen Schwarzmeerflotte zu sprechen. Der Fortbestand der beiden russischen Marinefliegerbasen Katscha und Gwardejskoje sowie deren Lufträume und Flugzonen wurde bestätigt. Mit dieser für beide Seiten gütlichen Einigung endeten jahrelange Querelen um unbezahlte Rechnungen und politische Orientierungen.
Der Komplex NITKA
Mit Schaffung bordgestützter Jagd- und Jagdbombenfliegerkräfte der sowjetischen Seekriegsflotte entstand in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre auf dem Flugplatz Nowofjedorowka der Trainingskomplex NITKA. Das dort aufgestellte 100. Bordgestützte Schlachtfliegerregiment gilt seither als Wiege der stahlgetriebenen Bordfliegerei in der UdSSR. Am Anfang dieser Entwicklung stand der Senkrechtstarter Jak-38, der ab 1975 auf drei Schiffen der Kiew-Klasse (Projekt 1143) betrieben wurde. Ein vierter modifizierter Flugdeckkreuzer dieser Klasse wurde nach jahrelangen Verzögerungen erst 1987 von der Nordflotte übernommen und war für das Nachfolgemuster Jak-141 vorgesehen. Der Überschallsenkrechtstarter gelangte jedoch nie in den Truppendienst. Zum Ablösemuster der Jak-38 avancierten schließlich die konkurrierenden MiG-29K und Su-27K, für die eine neue Schiffsklasse (Projekt 1143.5) entwickelt wurde, sodass auch NITKA zwischen 1977 und 1983 dem angepasst werden musste. Erprobt wurden hier in den folgenden zehn Jahren die Standardversionen der MiG-29, Su-25, Su-27 und Jak-38. Ab 1989 begann die Flugerprobung auf dem ersten echten sowjetischen Flugzeugträger „Breshnew“ – mitten in der Zeit des politischen Umbruchs. Die Fliegerbasis Saki-Nowofjedorowka verfügte ursprünglich über zwei zum Meer ausgerichtete Start-und-Lande-Bahnen. Eine der beiden Pisten ist mit den notwendigen Einrichtungen versehen, um Starts und Landungen unter Decksbedingungen zu simulieren. Ursprünglich dienten alle Anlagen der Ausbildung des Personals der Jak-38. Mit deren Außerdienststellung zwischen 1989 und 1993 erfolgte fortan ausschließlich die Nutzung von Su-27K und Su-25UTG. Die Systeme des Komplexes NITKA liegen teils unter der Erdoberfläche auf dem „zweiten” und „dritten Deck”. Als „erstes Deck” gilt hierbei die Ebene der Start-und-Lande-Bahnen. Die Start- und die Landezone sind einige Hundert Meter voneinander getrennt. Die Flugbetriebsflächen wurden mit massiven Stahlplatten belegt, bewegliche Strahlabweiser und vier Fangseile in 30 cm Höhe installiert. Das Flugzeug setzt mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h auf und erfasst eines der Seile mit dem Fanghaken. Unter dem Stahldeck sind auf „Deck drei” und „Deck zwei” hydraulische Bremsmechanismen untergebracht, die das Flugzeug auf einer Strecke von 90 bis 100 Metern zum Stillstand bringen. Die eigentliche Startrampe – Trampolin genannt – wurde bereits 1984 errichtet und entspricht somit dem heute in Dienst stehenden Träger „Admiral Kusnezow“. Die Rampe ist 5,6 Meter hoch, 53,6 Meter lang, 17,5 Meter breit und hat eine Neigung von 14 Grad. Die Räumlichkeiten der Flugleitstelle sind ebenso dem Flugzeugträger nachempfunden. Ein Sprühsystem zur Imitation von Gischt und Niederschlägen auf den Flugbetriebsflächen sowie zur Brandbekämpfung zapft sich Meerwasser, bereitet es auf und fördert es zum Flugplatz. Für die Erprobung der bordgestützten Frühwarnflugzeuge An-71 und Jak-44 soll eine – vor Satellitenaufklärung gut getarnte – etwa 90 Meter lange Dampfkatapultanlage (Beschleunigung von 25 Tonnen auf 250 bis 280 km/h) vorhanden gewesen sein. Beide Flugzeuge dürften dieses Erprobungsstadium nie erreicht haben, von letzterem existierte lediglich eine Attrappe. Der mit Dampfkatapulten versehen, aber nicht fertig gestellte kernkraftgetriebene Flugzeugträger „Uljanowsk“ (Projekt 1143.7) sollte 60 Su-27K, Jak-44 sowie Hubschrauber tragen und hätte der Sowjetunion den technologischen Anschluss an das US-amerikanische Flugzeugträgerprogramm ermöglicht. Mit Übernahme des Komplexes NITKA Anfang der 1990er-Jahre durch die Ukraine ging auch eine ominöse elektrohydraulische Anlage zur Imitation von Schiffsbewegungen „verloren“ – eines der ungeklärten Geheimnisse das Kalten Kriegs. Der Betrieb mit russischen Su-27K und Su-25UTG auf dem Komplex NITKA wurde nach einer umfassenden Renovierung der Infrastruktur in den Jahren 1994 bis 1996 aufgenommen. Erst im Februar 1997 konnte jedoch ein verbindlicher Nutzungsvertrag unterzeichnet werden, der die russische Seite zur jährlichen Zahlung eines Betrages in Höhe von 500.000 US-Dollar verpflichtete. Nach der Umorientierung der Ukraine auf einen pro-westlichen Kurs kam es zu Verstimmungen im Verhältnis mit der Russischen Föderation und zu diversen Trainingsausfällen auf dem Komplex NITKA. Im Jahr 2007 wurde der Nutzungsvertrag neu ausgehandelt und die jährlich von Russland aufzubringenden Zahlungen auf zwei Millionen US-Dollar angehoben. Die Ukrainer bestanden jedoch zuvor auf dem Ausgleich der inzwischen aufgelaufenen Schulden. Ganz abgebrochen wurde das Training nach dem Russisch-Georgischen Krieg in Südossetien und Abchasien im Jahr 2008.
Trampolin am Schwarzen Meer
Nach Abschluss der Vereinbarung vom 22. Juni dieses Jahres wurden umgehend Teile des 279. Selbstständigen Bordgestützten Jagdfliegerregiments mit 150 Mann Flug- und Bodenpersonal von Seweromorsk nach Saki verlegt. Dies betraf sechs Su-33 (Bordnummern 64, 76, 80, 81, 86, 87), eine Su-27UB (20) und drei Trainer Su-25UTG (08, 12, 15). Ursprünglich vom 19. August bis 17. September vorgesehen, verlängerte sich das Training bis zum 30. September. Der Flugbetrieb begann am 23. August mit Orientierungsflügen. Ab dem 25. August wurden Landungen mit Funknavigations- und optischen Systemen, die Bordbedingungen simulierten, geübt. Dem folgten Präzisionsanflüge und Landungen auf dem nachgebauten Deck. Ende August folgten die ersten Landungen mit Fanghaken. Zwischendurch wurden auch Kurzstarts geübt. Die letzte Übungsphase an Land beinhaltete Rampenstarts, während als krönender Abschluss des Programms die Piloten im Oktober wieder nach Seweromorsk flogen und ihre frisch antrainierten Fähigkeiten auf dem Flugzeugträger „Admiral Kusnezow“ in der Barentssee unter Beweis stellten. Der Kommandeur der Marineflieger der Nordmeerflotte, Generalmajor Igor Kosin, der das diesjährige NITKA-Training befehligte, zeigte sich gegenüber Medienvertretern zufrieden und teilte mit, dass die Schulung seiner Piloten auf der Krim wie geplant im Jahr 2011 seinen Fortgang nähme.