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Die gewohnt unsachlich-subversive Argumentation von dir, Monitor. Nach den Pariser Verträgen dauerte es übrigens noch über zwei Jahre, bis Südvietnam fiel. Das kommt in der Retrospektive immer so vor, als sei die Niederlage direkt erfolgt. Tatsächlich waren diese zwei Jahre aber von relativer Stabilität gekennzeichnet, und nach den Erfolgen, die die südvietnamesische Armee 1972 erzielt hatte (wenn auch natürlich dank der Unterstützung von USAF und USN) war es zu jenem Zeitpunkt nicht abwegig anzunehmen, dass es eine gewisse Konsolidierung geben konnte. Der sehr schnelle Zusammenbruch kam dann auch ziemlich unerwartet.
Es gibt im Übrigen viele Beobachter, die das Ziel von Linebacker II weniger darin sahen, die Nordvietnamesen "an den Verhandlungstisch" zu bomben. Die Nordvietnamesen konnten angesichts des absehbaren Ende der US-Involvierung in Vietnam nach dem Ende der Winterpause '72/'73 ohnehin relativ sicher davon ausgehen, dass sie es zukünftig nur noch mit dem Süden zu tun haben würden. Tatsächlich hatte sich aber vor allem Präsident Thieu zu jenem Zeitpunkt gegen die Pariser Verhandlungen gestemmt. Demnach war Linebacker II eher als Demonstration der US-Unterstützung für Südvietnam zu sehen.
Nach Watergate und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust von Kongress und Bevölkerung war aber an so eine Unterstützung ohnehin nicht zu denken. Das ist insofern "tragisch", als dass die Vietnamisierung ab etwa 1970 recht gute Erfolge zeigte und - abgesehen von der Osteroffensive - tatsächlich eine relative Phase der Stabilität began. Fazit: als man politisch noch voll hinter dem Krieg stand, blieben die militärischen Erfolge bis etwa 1968 aus; als man dann militärische Erfolge und eine relative Befriedung erzielte, war der politische Support weg. Im Grunde so ähnlich wie die Tet-Offensive, die aus militärischer Sicht eine gewaltige Niederlage des Vietcong und Nordvietnams darstellte, politisch aber zum Sieg umgemünzt werden konnte.
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Nochmals zum letzten Beitrag: den Nachschub haben die Vietnamesen so lange hinbekommen, wie im Süden kleine Guerillagruppen unterwegs waren. Dafür war der Luftkrieg in der Form, wie er geführt wurde, tatsächlich das falsche Mittel. Als der Norden dann 1972 (wie später auch 1975) eine massive Offensive mit konventionellen Mitteln startete, weil der VC nach der Tet-Offensive stehend KO war und man auf dem Land dank der langsam greifenden COIN-Strategie nicht mehr die Unterstützung und Präsenz hatte, brach der Nachschub vor allem dank Linebacker ziemlich schnell zusammen und die Offensive scheiterte relativ kläglich.