Hier nun, wie versprochen, noch etwas mehr:
In etwas ungewohntem Querformat präsentiert der Start-Luftfahrtverlag die jedenfalls mir bekannte erste umfassende Biografie über Gerhard Barkhorn. Den Jagdflieger, der mit 301 Abschüssen die zweithöchste Abschusszahl in der Luftkriegsgeschichte erzielt hat.
Der Autor – bekannt als Historiker des Jagdgeschwaders 52 – hat nach eigener Aussage im Vorwort Gerhard Barkhorn erst wenige Monate vor dessen Tod bei einem Verkehrsunfall 1983 persönlich kennen gelernt. Gelegenheiten zu einem umfassenden persönlichen Austausch von Erfahrungen und Bewertungen haben sich daher nicht mehr ergeben.
Im Textteil folgt nach einer kurzen, nicht vertiefenden, Darstellung der familiären Herkunft, der schulischen und militärischen Ausbildung eine umfangreiche Komplettdarstellung des militärischen Einsatzes von Barkhorn im Zweiten Weltkrieg. Diese ist immer im Kontext mit der jeweiligen Staffel oder Gruppe und den anderen dort eingesetzten Piloten gehalten. Gelegentlich wird fehlende Hintergrundkenntnis zu bestimmten Situationen und Entwicklungen eingeräumt. Ich halte dies persönlich für besser, dann nichts zu sagen, als zu spekulieren und dies womöglich noch als Tatsache darzustellen.
Der Textteil über die Dienstzeit Barkhorns in der Bundesluftwaffe ist leider nur eher Stichwortartig. Immerhin rd. 19 Jahre werden mit nur wenigen Absätzen abgehandelt. Hier hätte sich bestimmt noch die Gelegenheit ergeben, Zeitzeugen zu befragen und Dokumente sowie andere Literatur auszuwerten. Immerhin war Barkhorn Gründungskommodore des JaboG 31 und auch in der ersten Zeit der Starfigher-Einführung noch in dieser Funktion. Neu war für mich seine aktive Beteiliung an der Erprobung der Harriervorstufe Kestrel, die nur angerissen wird. Für Barkhorns Zeit in der Luftwaffe sollte es doch interessante Anknüpfungspunkte gegeben haben, oder eben überraschender Weise auch nicht. In anderen Werken schon angedeutete Entscheidungen zur „Ausbootung“ Barkhorns im Verhältnis z. B. zu Krupinski, Obleser und Limberg für höchste Führungspositionen in der Luftwaffe sind ein weiterer Punkt, zu dem der etwas näher mit der Materie befasste Leser sich Aussagen und neue oder bestätigte Erkenntnisse erhofft hätte. Hier hätte ich mir mehr Quellenarbeit vom Autor gewünscht; dort liegt nach meiner Meinung leider, an den heutigen Möglichkeiten gemessen, ein deutliches Defizit des Werkes.
Im Vergleich der redaktionellen Arbeit entspricht das Buch damit nicht den Biografien in der bekannten NeunundzwanzigSechs-Buchreihe über andere bekannte Fliegerpersönlichkeiten im gleichen Biografiezeitraum.
Das Buch zeichnet sich auf der Positivseite auf jeden Fall durch eine Vielzahl von häufig bisher unveröffentlichten, großformatig und hervorragend gedruckt wiedergegebenen S/W- und vor allem Farbfotos aus Barkhorns Privatarchiv und dem Archiv des Verlags und vieler Farbprofiles von Barkhorns Einsatzmaschinen aus. Diesen ist wohl vor Allem wohl auch das Format geschuldet. Soweit schon bekannte Fotos verwendet wurden, scheint die Wiedergabe- und Druckqualität deutlich höher als in älteren Werken. Dies macht auch für denjenigen, der über die Thematik schon einiges gelesen und gesehen hat, einen besonderen Wert des Buches aus und hier liegt auch ein anderer Schwerpunkt als in anderen Biografiewerken.
Aus meiner Sicht ist das Buch auf jeden Fall empfehlenswert, leider wurde die Chance verpasst, die ganze Biografie wirklich „rund“ zu machen.
So habe ich es gesehen!
Hagewi