Donaukurier 25.8.2015
Neue Flügel für die "Orion"
Manching (DK) Die Seeaufklärer der Bundesmarine sind schon 30 Jahre alt – und sollen noch 20 Jahre im Dienst bleiben. Im Manchinger Airbus-Werk werden die Veteranen aufwendig wieder fit gemacht.
Dicke Kabelstränge hängen aus den Flügeln, dort wo eigentlich die Triebwerke sein sollten, klaffen leere Löcher. Der Lack ist buchstäblich ab bis auf das blanke Aluminium. Und außen um die von Gerüsten eingesperrten Flugzeug-Gerippe stehen überall Kisten, Container und Kartons mit unzähligen, säuberlich beschrifteten Einzelteilen, von winzigen Schrauben bis zu altertümlichen Sitzen und dunkelgebrannten Abgasrohren.
Wer in der riesigen Halle 254 des Manchinger Airbus-Werks steht, bekommt einen neuen Eindruck davon, was der nüchterne Begriff „Wartung und Instandsetzung“ in der Welt des Militärflugzeugbaus eigentlich bedeutet: praktisch den permanenten Neubau. „Das ist wie bei einem Oldtimer eine Grundrestauration“, erklärt Wolfgang Gammel, Programmleiter für die Flugzeugwartung, oben auf einer Gerüstplattform das Durcheinander.
Oldtimer, das ist das Stichwort. Die großen Seeaufklärer Lockheed „P-3C Orion“ der Bundesmarine, die hier tief im Binnenland vor den Toren Ingolstadts aufgearbeitet werden, haben teilweise schon weit über 30 Jahre auf dem Buckel. Geplant waren die viermotorigen Propellermaschinen einst als Verkehrsflugzeuge. Das war in den 50er Jahren, noch vor dem Jet-Zeitalter.
Wäre die „Orion“ ein Auto, dürfte sie längst mit dem H-Kennzeichen für Oldtimer durch die Gegend gondeln. Weil sie aber ein Militärflugzeug ist, gelten andere Maßstäbe: Gerade hat das Verteidigungsministerium beschlossen, dass die acht „Orion“-Flugzeuge der Bundeswehr noch weitere 20 Jahre, bis zum Jahr 2035, im Dienst bleiben sollen.
Unumstritten ist das nicht. Schon im Februar bekrittelte der „Spiegel“: „Deutsche Seeaufklärer kosten viel und fliegen wenig.“ Die Opposition im Bundestag sprach gar von „Schrottflugzeugen“. Die Marine, das ist kein Geheimnis, hätte lieber neue Flugzeuge gehabt als die gebrauchten „Orion“, die Deutschland 2006 günstig von der niederländischen Marine übernahm. Gut 440 Millionen Euro kosteten die Aufklärer samt allen Nebenleistungen wie der Ausbildung. Ein Schnäppchen im Vergleich zu moderneren Alternativmodellen. Aber wie das bei Gebrauchtfahrzeugen eben so ist: Im Nachhinein entpuppen sie sich gerne als Spardose. Nochmals rund 570 Millionen Euro mussten bisher für Unterhalt und Modernisierung investiert werden. Die beiden Maschinen, die gerade in Manching neu zusammengebaut werden, sind die letzten der acht Marineflieger, die dieses Auffrischungsprogramm durchlaufen.
Und die nächste Renovierungsmaßnahme ist schon vereinbart: Im Juli bewilligte der Verteidigungsausschuss des Bundestags drei Beschaffungsvorhaben mit einem Umfang von nochmals rund 570 Millionen Euro, die die „Orion“ langfristig einsatztauglich halten sollen – und den etwa 180 „Orion“-Spezialisten in Manching auf Jahre hinaus Arbeit versprechen. So bekommen die Flugzeug-Oldies neue Computer, neue Cockpits und – vielleicht am spektakulärsten – neue Tragflächen.
„Rewinging“ heißt diese seltene Operation im Fliegerdeutsch. Neuland auch für die erfahrenen Manchinger Flugzeugexperten: „Einen Tragflächenwechsel hatten wir in dieser Form noch nicht“, sagt Programmleiter Gammel. Acht Tragflächen-Bausätze liefert der US-Hersteller Lockheed dafür nach Manching. Wobei Bausatz ein etwas niedliches Wort ist: Zwölfeinhalb Meter ist jede der Tragflächen lang, dazu kommen noch Mittelstücke für den Rumpf und Leitwerke. Nächstes Jahr soll der erste Bausatz mit einem der riesigen russischen „Antonow“-Transportflugzeuge im Airbus-Werk einschweben. Etwa neun Monate, so Gammel, dauert es dann, bis die Neuteile in die Flugzeug-Veteranen eingepasst sind – pro Maschine.
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