Spitfire vs. Bf 109 - Battle of Britain

Diskutiere Spitfire vs. Bf 109 - Battle of Britain im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Moin! Ich habe gerade dieses Video von Chris (Military Aviation History) geguckt: Ich war nicht so begeistert ... der Titel "What German Aces...
HoHun

HoHun

Space Cadet
Dabei seit
10.10.2014
Beiträge
1.422
Zustimmungen
2.189
Moin!

Ich habe gerade dieses Video von Chris (Military Aviation History) geguckt:


Ich war nicht so begeistert ... der Titel "What German Aces Said" ist eher Clickbait, es wird viel gelabert (auch Wehner hat einen Gastauftritt) und viel relativiert.

Die Spitfire war viel manövrierfähiger und dann doch wieder nicht, und natürlich hing immer alles vom Piloten ab, blablabla.

Interessant wäre vielleicht die Erwähnung einer Quelle gewesen, wenn die nicht schon seit langem von der Kurfurst-Seite bekannt wäre:


Was völlig fehlt ist Einsicht in Technik und Taktik. Auch im kurzen betrachteten Zeitraum - der bei Verwendung der verlinkten Quelle auch die Zeit vor der Luftschlacht um England mit einschließt, denn dort wird eine Spitfire mit Starrluftschraube getestet - gab es sowohl von der Spitfire als auch von der Messerschmitt eine ganze Reihe von Versionen oder zumindest unterschiedlichen Konfigurationen. Eine Spitfire I mit Starrluftschraube und Ladedruck begrenzung von +6 lbs/sqin hat eine ganz andere Leistung als eine Spitfire II mit Verstelluftschraube und + 12 lbs/sqin Notleistung, und eine Me 109E-1 mit DB 601A-1 mit altem Lader ist überhaupt nicht mit einer Me 109E-4 mit DB 601N zu vergleichen.

Dieser Faktor hätte die gleiche Aufmerksamkeit verdient wie die Qualität der Piloten ... und er ist auch im von Air Chief Marshal Hugh Dowding auf Anweisung der britischen Regierung 1942 verfaßte "Battle of Britain Despatch" schon erwähnt:

"Es ist sehr schwierig, eine prägnante Beschreibung der in der Luftschlacht um England eingesetzten feindlichen Flugzeugtypen zu geben. Während sich die Deutschen an generell standardisierten Typen festhielten, haben sie diese fortlaufend modifiziert und verändert, indem sie stärkere Motoren eingebaut und die Bewaffnung geändert haben. Die ursprüngliche Messerschmitt 109 zum Beispiel hatte Flugleistungen, die denjenigen der Hurricane vergleichbar waren, aber der modernste Typ konnte mit der Spitfire mithalten und hatte eine höhere Gipfelhöhe."

(Hier zu finden: https://www.raf.mod.uk/what-we-do/centre-for-air-and-space-power-studies/publications/ ... siehe Vol. 18 No. 2 Battle of Britain 75th Anniversary Special Edition.)

Zur Taktik: Diese Fixierung darauf, einen Gegner "auszukurven", ist mir nicht verständlich. Natürlich sind die RAF-Piloten stolz darauf, dass ihre Muster so toll kurven können, aber es ist nicht so, dass sie das überbewerten würden. Die Erkenntnis war, "Kurven gewinnt keine Luftschlachten" ... von Johnnie Johnson so formuliert, von Eric Brown zustimmend zitiert.

Noch mehr RAF-Asse dazu ... "Sailor" Malan in seinen "Notes on Tactics and Air Fighting", die im zweiten Weltkrieg für die Ausbildung von RAF-Jägerpiloten verwendet wurde:

"Wie oft wird uns die selbe Frage gestellt - 'Sir, bitte, was mache ich, um eine 109 von meinem Schwanz abzuschütteln?' Als ob wir's wüßten. Die Antwort ist eigentlich: 'Warum hast du es überhaupt zugelassen, daß sie sich dranhängt?'

[...]

Na gut, wir versuchen, dich aus der Ecke rauszuholen. Aber denk dran - es ist sehr schwierig, eine Verteidigung in einen Angriff umzuwandeln, also starte nicht in der Defensive. Wenn du Luftkampf übst, flieg nicht immer weiter in Kreisen mit immer kleinerem Radius. Für eine Weile ist das in Ordnung - zumindest, wenn du eng genug kurvst. Aber es ist unwahrscheinlich, dass du so hinter den Hunnen kommst, also denk dir etwas Schlaueres aus."

Und hier ein Zitat von "Teddy" Donaldson aus seinen "Notes on Air Gunnery and Air Fighting", einem Text, der ebenfalls für die Ausbildung von RAF-Piloten (und USAAF-Piloten - Donaldson war Verbindungsoffizier für die USAAF und hat seine "Notes" an sie weitergegeben):

"Höhe und Geschwindigkeit sind die einzig wichtigen Punkte im Luftkampf. Natürlich kann man Höhe immer in Geschwindigkeit umwandeln, indem man einfach die Nase seines Flugzeuges nach unten drückt. Ich bin überzeugt, daß es Selbstmord ist, irgendeinen Wert auf Wendigkeit zu legen. Wendigkeit ist nur eine Form der Verteidigung, die nicht erforderlich ist, wenn man genug Geschwindigkeit hat, um aus der Klemme zu kommen. Man braucht keine besondere Wendigkeit, um anzugreifen, und wenn man keine Geschwindigkeit hat, dann kann der Feind dem Kampf immer ausweichen, ohne auf seine Wendigkeit zurückgreifen zu müssen.

[...]

Man kann einen Dogfight nicht mit Wendigkeit gewinnen, weil es keine Form des Angriffs ist, sondern nur eine Methode, um einen verübergehenden Aufschub zu erzielen, der nur so lange dauert, wie man das Manöver ausführt. Es muß irgendwann beendet werden, und wenn du durch grobschlächtiges Fliegen viel Höhe verloren hast, dann steckst du in einer sehr gefährlichen Klemme."

(Meine Übersetzung ... zitiert aus Dilip Sarkat's "The Spitfire Manual". Die ersten paar Seiten hier: The Spitfire manual : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive )

Im gleichen Buch finden sich noch mehr Überlegungen von RAF-Piloten, die generell die (kurven-)wendigeren Muster flogen als ihre Gegner ... dazu gehört auch die Ansicht, daß immer die Maschine enger kurvt, deren Pilot verzweifelter ist, weil der angreifende Pilot eben nicht seine Geschwindigkeit oder Höhe aufgeben will und deswegen nicht mitkurvt, sondern stattdessen wieder hochzieht und zu einem neuen Angriff ansetzt. Das Problem ist nicht, daß die feindliche Maschine enger kurven könnte, sondern daß die feindliche Maschine nicht allein ist, und man in einem Kurvenkampf fast sofort die Übersicht verliert.

Warum man also im Jahr 2023 immer noch die Wendigkeit hypet, wenn 1943 schon klar war, "Kurven gewinnt keine Luftschlachten" ... ich bin da eher genervt.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
HoHun

HoHun

Space Cadet
Dabei seit
10.10.2014
Beiträge
1.422
Zustimmungen
2.189
Moin!

von Air Chief Marshal Hugh Dowding auf Anweisung der britischen Regierung 1942 verfaßte "Battle of Britain Despatch"
Daraus vielleicht noch erwähnenswert: Dowding (der selbst für die entsprechende Ausstattung der RAF-Jagdflugzeuge verantwortlich war) schreibt über die Bewaffnung der britischen Jäger:

"Die Bewaffnung der Royal Air Force ist nicht ihr stärkster Punkt, und meiner Meinung nach sollten wir unsere eigene Forschung und Entwicklung betreiben, unabhängig von Woolwich [Standort des Royal Arsenal] und Shoeburyness [Standort der Royal Artillery Experimental Unit]."

Zwar ist das in Chris' Video lobenswerterweise nicht der Fall, aber man liest oft genug, daß die Bewaffnung der RAF-Jäger während der Luftschlacht um England ja perfekt an ihre Aufgaben angepaßt war ... nee, fand Dowding nicht.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
t7710

t7710

Fluglehrer
Dabei seit
15.11.2021
Beiträge
124
Zustimmungen
78
Moin!

Ich habe gerade dieses Video von Chris (Military Aviation History) geguckt:


Ich war nicht so begeistert ... der Titel "What German Aces Said" ist eher Clickbait, es wird viel gelabert (auch Wehner hat einen Gastauftritt) und viel relativiert.

Die Spitfire war viel manövrierfähiger und dann doch wieder nicht, und natürlich hing immer alles vom Piloten ab, blablabla.

Interessant wäre vielleicht die Erwähnung einer Quelle gewesen, wenn die nicht schon seit langem von der Kurfurst-Seite bekannt wäre:


Was völlig fehlt ist Einsicht in Technik und Taktik. Auch im kurzen betrachteten Zeitraum - der bei Verwendung der verlinkten Quelle auch die Zeit vor der Luftschlacht um England mit einschließt, denn dort wird eine Spitfire mit Starrluftschraube getestet - gab es sowohl von der Spitfire als auch von der Messerschmitt eine ganze Reihe von Versionen oder zumindest unterschiedlichen Konfigurationen. Eine Spitfire I mit Starrluftschraube und Ladedruck begrenzung von +6 lbs/sqin hat eine ganz andere Leistung als eine Spitfire II mit Verstelluftschraube und + 12 lbs/sqin Notleistung, und eine Me 109E-1 mit DB 601A-1 mit altem Lader ist überhaupt nicht mit einer Me 109E-4 mit DB 601N zu vergleichen.

Dieser Faktor hätte die gleiche Aufmerksamkeit verdient wie die Qualität der Piloten ... und er ist auch im von Air Chief Marshal Hugh Dowding auf Anweisung der britischen Regierung 1942 verfaßte "Battle of Britain Despatch" schon erwähnt:

"Es ist sehr schwierig, eine prägnante Beschreibung der in der Luftschlacht um England eingesetzten feindlichen Flugzeugtypen zu geben. Während sich die Deutschen an generell standardisierten Typen festhielten, haben sie diese fortlaufend modifiziert und verändert, indem sie stärkere Motoren eingebaut und die Bewaffnung geändert haben. Die ursprüngliche Messerschmitt 109 zum Beispiel hatte Flugleistungen, die denjenigen der Hurricane vergleichbar waren, aber der modernste Typ konnte mit der Spitfire mithalten und hatte eine höhere Gipfelhöhe."

(Hier zu finden: https://www.raf.mod.uk/what-we-do/centre-for-air-and-space-power-studies/publications/ ... siehe Vol. 18 No. 2 Battle of Britain 75th Anniversary Special Edition.)

Zur Taktik: Diese Fixierung darauf, einen Gegner "auszukurven", ist mir nicht verständlich. Natürlich sind die RAF-Piloten stolz darauf, dass ihre Muster so toll kurven können, aber es ist nicht so, dass sie das überbewerten würden. Die Erkenntnis war, "Kurven gewinnt keine Luftschlachten" ... von Johnnie Johnson so formuliert, von Eric Brown zustimmend zitiert.

Noch mehr RAF-Asse dazu ... "Sailor" Malan in seinen "Notes on Tactics and Air Fighting", die im zweiten Weltkrieg für die Ausbildung von RAF-Jägerpiloten verwendet wurde:

"Wie oft wird uns die selbe Frage gestellt - 'Sir, bitte, was mache ich, um eine 109 von meinem Schwanz abzuschütteln?' Als ob wir's wüßten. Die Antwort ist eigentlich: 'Warum hast du es überhaupt zugelassen, daß sie sich dranhängt?'

[...]

Na gut, wir versuchen, dich aus der Ecke rauszuholen. Aber denk dran - es ist sehr schwierig, eine Verteidigung in einen Angriff umzuwandeln, also starte nicht in der Defensive. Wenn du Luftkampf übst, flieg nicht immer weiter in Kreisen mit immer kleinerem Radius. Für eine Weile ist das in Ordnung - zumindest, wenn du eng genug kurvst. Aber es ist unwahrscheinlich, dass du so hinter den Hunnen kommst, also denk dir etwas Schlaueres aus."

Und hier ein Zitat von "Teddy" Donaldson aus seinen "Notes on Air Gunnery and Air Fighting", einem Text, der ebenfalls für die Ausbildung von RAF-Piloten (und USAAF-Piloten - Donaldson war Verbindungsoffizier für die USAAF und hat seine "Notes" an sie weitergegeben):

"Höhe und Geschwindigkeit sind die einzig wichtigen Punkte im Luftkampf. Natürlich kann man Höhe immer in Geschwindigkeit umwandeln, indem man einfach die Nase seines Flugzeuges nach unten drückt. Ich bin überzeugt, daß es Selbstmord ist, irgendeinen Wert auf Wendigkeit zu legen. Wendigkeit ist nur eine Form der Verteidigung, die nicht erforderlich ist, wenn man genug Geschwindigkeit hat, um aus der Klemme zu kommen. Man braucht keine besondere Wendigkeit, um anzugreifen, und wenn man keine Geschwindigkeit hat, dann kann der Feind dem Kampf immer ausweichen, ohne auf seine Wendigkeit zurückgreifen zu müssen.

[...]

Man kann einen Dogfight nicht mit Wendigkeit gewinnen, weil es keine Form des Angriffs ist, sondern nur eine Methode, um einen verübergehenden Aufschub zu erzielen, der nur so lange dauert, wie man das Manöver ausführt. Es muß irgendwann beendet werden, und wenn du durch grobschlächtiges Fliegen viel Höhe verloren hast, dann steckst du in einer sehr gefährlichen Klemme."

(Meine Übersetzung ... zitiert aus Dilip Sarkat's "The Spitfire Manual". Die ersten paar Seiten hier: The Spitfire manual : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive )

Im gleichen Buch finden sich noch mehr Überlegungen von RAF-Piloten, die generell die (kurven-)wendigeren Muster flogen als ihre Gegner ... dazu gehört auch die Ansicht, daß immer die Maschine enger kurvt, deren Pilot verzweifelter ist, weil der angreifende Pilot eben nicht seine Geschwindigkeit oder Höhe aufgeben will und deswegen nicht mitkurvt, sondern stattdessen wieder hochzieht und zu einem neuen Angriff ansetzt. Das Problem ist nicht, daß die feindliche Maschine enger kurven könnte, sondern daß die feindliche Maschine nicht allein ist, und man in einem Kurvenkampf fast sofort die Übersicht verliert.

Warum man also im Jahr 2023 immer noch die Wendigkeit hypet, wenn 1943 schon klar war, "Kurven gewinnt keine Luftschlachten" ... ich bin da eher genervt.

Tschüs!

Henning (HoHun)
Deine Einwände sind sehr berechtigt, das Video ist in der Tat ausgesprochen oberflächlich hingerotzt. Ingendwie um die Werbung herumgebastelt.

Gruß Rainer
 
Thema:

Spitfire vs. Bf 109 - Battle of Britain

Spitfire vs. Bf 109 - Battle of Britain - Ähnliche Themen

  • Ein 99,9% Rollout: Spitfire P.R. XI PL965 | 1:48 v. Hasegawa

    Ein 99,9% Rollout: Spitfire P.R. XI PL965 | 1:48 v. Hasegawa: Warum 99.9%? Ganz einfach, leider habe ich bis hierher trotz meiner großen Sammlung keine entsprechenden Seriennummer als Abziehbild für diese in...
  • Supermarine Typ 356 / Spitfire F Mk 21 - Griffon Version (Umbau: AIRFIX/ ACADEMY)

    Supermarine Typ 356 / Spitfire F Mk 21 - Griffon Version (Umbau: AIRFIX/ ACADEMY): Heute endlich sind die Abziehbilder drauf gekommen und versiegelt worden. Für die Unterseite muss ich noch die 6 passenden in meiner Kramksite...
  • Spitfire Type 300 early Prototype: Umbau aus dem alten Airfix-Kit 4100 1:48

    Spitfire Type 300 early Prototype: Umbau aus dem alten Airfix-Kit 4100 1:48: Es ist endlich geschafft, das Modell ging nur Lansam voran, es gab da ein paar Schwierigkeiten zu meistern. Untern Strich ein gelungener Umbau...
  • Adlertag! Spitfire Mk Ia (Eduard-Umbau) und Me-109 E4 (Armory), 1:144

    Adlertag! Spitfire Mk Ia (Eduard-Umbau) und Me-109 E4 (Armory), 1:144: N'Abend allerseits, das Schietwetter momentan drängt einen ja geradezu an den Basteltisch - zum Glück! Viele Alternativen gibt's momentan (noch)...
  • Video: Dogfight Me-109 & Spitfire

    Video: Dogfight Me-109 & Spitfire: Ein sehr schönes Fundstück aus dem Netz. Eine spanische Me-109 und zwei Spitfires duellieren sich über der englischen Küste...
  • Ähnliche Themen

    Oben