Luftmenge Triebwerk in Idle
Hallo,
wieder da und den Bauch voll.
Nun hab ich mal was überlegt. Wir heizen einfach mal gedanklich einen Luftstrom von 20 °C auf 220 °C und verbrauchen als Heizmittel 54 kg/h Kerosin. Die Werte sind geschätzt, lassen sich ohne Computer gut rechnen.
Mal erst haben wir eine Brennleistung von 54.000 g/h Kerosin, also 15 g/s Brennstoff, der pro Gramm etwa 40 kJ Heizenergie hat. (Anmerk: jeder, der bessere Werte zur Hand hat, darf sie gerne in die Rechnung einsetzen ;))
Thermisch blicken wir also auf eine Leistung von 600 kW. Nur mal am Rande so vermerkt, damit würde ein großes Sportflugzeug schon ganz schön rasen. So `ne 737 hat also mal eben zwei fette Moneys unter ihren Tragflächen baumeln.
Wenn man nichts weiß, darf man für cp-Luft 1 setzen, sagte unser Professor immer. In diesem Bereich, den wir nun betrachten wollen, ist der Fehler wirklich sehr klein. Die Luft tut uns den Gefallen.
Somit heizen unsere 600 kW also einen Luftstrom von 3kg/sek um 200 ° auf . 3 kg Luft sind knapp 3 Kubikmeter. Wenn die Luft noch auf über 200 °C erwärmt wird, sind es schon ungefähr 5. Also kann man sich vorstellen, das bläst schon mal ganz gut.
Nun, was soll diese Rechnung? Sie sagt, daß mindestens diese Menge Luft durchgesetzt werden muß, sonst wäre zwingend die Temperatur nach der Brennkammer höher. Verluste lassen wir mal außen vor.
Tatsächlich aber gibt es den Verdichter und der verdichtet die Luft, ob nun notwendig oder nicht oder gewünscht oder nicht. Er macht sie heiß. Das Druckverhältnis im Leerlauf kann ich nur schätzen. Es ist - denke ich mal - noch unterkritisch, als unter einem bar Brennkammerdruck. Wüßte man diesen Druck, dann könnte man unter einer weiteren Annahmem nämlich der des Polytropenexponenten sich die Verdichtungsendtemperatur ausrechnen. Annahme mal Annahme ergibt geraten, also gehen wir etwas anders ran.
Was würden 5 Kubikmeter Luft pro Sekunde mal einem bar für eine Leistung auf die Turbine geben. Keine Verluste und wir lassen mal den ganzen Adiabatenkram weg, sage einfach nur, die Luft wär jetzt mal nicht kompressibel. Damit haben wir ganz simpel 5 Kubikmeter mal 100000 Pascal (= 1 bar) Das sind stolze 500.000 W also 500 kW :engel:
Kann das sein? Niemals, bei 600 kW Brennleistung gibt es keine 500 kW mechanisch. Ein Zehntel oder vielleicht in Fünftel wäre eher drin. Somit bekommen wir schon ohne große Werksangaben ein Gefühl dafür, daß in der Brennkammer bei Leerlauf einige Zehntel bar Überdruck herrschen.
Ich sag jetzt einfach mal 0,3 bar. Ich weiß es wirklich nicht. Im Triebwerk wird der Druck zwar gemessen und danach auch geregelt. Die Piloten werden aber mit dem Meßwert verschont
Wenn ich nun mit einem schlechten Wirkungsgrad durch solche Verdichterschaufeln fahre, heize ich das ganze ziemlich auf. Luft hat einen Isentropenexponenten von 1,4, für Turboverdichter mittlerer Art und Güte darf man n mit 1,6 bis 1,7 annehmen. Die Axialverdichter von Triebwerken sind wesentlich besser, aber im Idle bei total verstellten Leitschaufeln auch wieder nicht. Ich nehme jetzt mal 1,8 für n, und hoffe, daß es nicht noch mehr ist.
Damit bekomme ich nach der Verdichterformel eine Temperaturspreizung von:
T2 = T1 x (p2/p1)^{(n-1)/n}
Also
T2 = 293 x (1,3/1)^{(1,8-1)/1,8} (Temperaturen in Kelvin)
T2 = 329 K oder 56 °C
Wenn ich diesen Wert mir so anschaue, könnte ich mir denken, daß er vielleicht doch noch etwas höher liegen könnte. So bei 60 °C. Aber ich nehme jetzt mal die angenommenen Werte und mache damit weiter.
Der Dreh ist jetzt, daß die Wärme, die der Verdichter schon reingebracht hat, vom Brennstoff nicht mehr aufgebracht werden muß, oder anders gesagt: der Brennstoff kann eine größere Luftmenge auf 220 °C bringen, wenn diese schon mal vorgewärmt wurde. Wenn ich also gegenüber der 20 °C kalten Luft schon mit 56 °C reingehe, habe ich 33K Erhöhung gespart und kann somit 200/(200-36) mal mehr durchsetzen. Das sind ca. 20%, also statt 5 Kubikmeter warme Luft pro Sekunde schon mal 6.
Nun kühlt sich die Luft in der Turbine auch wieder etwas ab, wird jeder Papierthermodynamiker sagen. Ja, aber bei den Wirkungsgraden ist das nicht viel. Die Luft bläst nicht nur durch die erste Turbinenstufe schon unter Verlusten, sie quetscht sich vor allen Dingen durch den Antriebsteil des Fans unter ganz erheblichen Verlusten durch, weil die Drehzahl der Welle gar nicht zum Gasstrom passen will. Der dicke Fan läßt sich nämlich bei so wenig Power einfach nicht schneller drehen.
Somit ist es sicherlich keine total falsche Annahme, wenn man sagt, es blasen 5 bis 6 Kubikmeter pro Sekunde 200 °C warme Luft hinten raus. Die Luft kühlt natürlich sehr schnell ab und gibt die Wärme an die Umgebung. Da der Strom bedeutend schneller ist, als das bißchen Gefächel des großen Fans, gehe ich mal davon aus, daß der Abgasstrahl im Leerlauf durch den Fan quasi nicht beeinflußt wird. Bei Seitenwind wird vermutlich sogar die austretende Luft aus dem Fan gleich zur Seite abgedrängt, während der warme Abgasstrahl einfach durch die Fanluft geradeaus hindurch schießt.
Wir brauchen nun noch den Austrittsquerschnitt, damit wir eine Geschwindigkeit ermitteln können. Das cfm hat hinten einen Außendurchmesser von vielleicht einem Meter. Dann ist ja der Konus noch hinten dran, der den Ringstrahl zu einem Kernstrahl zusammenführt, wobei sich dieser dabei etwas aufdickt. Blöde Welt, wir nehmen einfach mal einen halben Meter Durchmesser für diesen Strahl an und gucken, was passiert.
6 Kubikmeter pro Sekunde zischen also durch einen Kanal von 0,5 Metern Dicke. Dann muß diese Luft 30 m/s schnell sein, damit das klappt. 30 m/s sind rund 100 km/h.
Naja, das könnte am Turbinenaustritt schon so in etwa hinkommen. Nach dem Impulssatz hätte wir dann (ohne den Fan) im Leerlauf einen Standschub von
Massenstrom mal Geschwindigkeit = 3 kg/s x 30 m/s sind 90 N also 9 kp Schub.
Von Bekannten, die Airliner fliegen, weiß ich, daß der Leerlaufschub bereits ein ganz kleines bißchen zu spüren ist, daß aber ein Airliner auf geradem Boden im Leerlauf auch von selbst wieder anhält, wenn er einmal rollt. Ich will mich für diese Werte nicht verbürgen, man hat auch so selten die Gelegenheit, mal hinter einem Triebwerk zu stehen, aber die modernen Antriebe, die sich sehr weit herunterregeln lassen und dabei auch dann sehr leise werden, entwickeln wirklich kaum noch Leerlaufschub.
Anders sieht es bei älteren Maschinen aus, die schon richtig drehen müssen, um an zu bleiben. Die blasen auch im Leerlauf schon ordentlich was raus hinten. Ein Starfighter z.B. rollt im Leerlaufschub stabil bei ca. 160 km/h. Er beschleunigt zwar nicht rasant bis dorthin, wird aber ohne Bremse immer schneller, wenn das Triebwerk einmal läuft.
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Mit einer Bemerkung hast Du vermutlich absolut Recht: die Hersteller werden nicht gerade behilflich sein, wenn es darum geht, die Ausbreitung von Abgasfahnen zu ermitteln. Glaubt man den Firmenwerbungen, dann müßte sich jede noch so karge Landschaft hinter einem Düsentriebwerk in einen blühenden Garten verwandeln, so gut ist die Luft dahinter
Keine leichte Aufgabe, das ganze. Außer den Annahmen wird man auch mit statistischen Mittelwerten arbeiten müssen, um eine Gesamtaussage für z.B. einen Flughafen zu bekommen. Aber was solls ?! Wenn man gar nicht anfängt, kriegt man auch keine Ergebnisse.
Gruß
und viel Spaß beim Verdauen
Werner Schulte