Ja, es sind sicher viele Dokumente verloren gegangen und was den
Bombengleiter angeht, das könnte vielleicht wirklich vor 45 dem Hirn
irgendeines Konstrukteurs entsprungen sein (nicht unbedingt Lippisch,
dem wird das Ding ja häufig zugeschrieben, aber ich habe noch keinen
haltbaren Beleg dafür gesehen, von der Flächenform mal abgesehen),
der es dann auf seinem privaten Notizblock, quasi in der Mittagspause
skizziert hat. Solche Entwürfe lassen sich sicher auch zukünftig noch
auf Dachböden und in Kellern finden, wenn man Opas Sachen durchflöht.
Aber durchkonstruierte Projekte, die sogar bis zur Attrappe oder sogar
zum Prototypen reifen, hinterlassen ihre Spuren nicht nur beim Hersteller.
Da mußten auch damals schon Zulieferer, zuvorderst wohl Motorenhersteller,
bemüht werden, Material mußte bestellt und Arbeitskräfte mußten
bereitgestellt werden. Und ohne das ok der offiziellen Stellen hätten das
wohl Wenige gemacht. Die damaligen Flugzeugtypen waren wesentlich
einfacher gestrickt, verglichen mit dem, was heute fliegt, aber soetwas ließ
sich m.E. trotzdem nicht mit einer Handvoll von Verschwörern in einer
abgelegenen Baracke durchziehen, sondern hätte Spuren hinterlassen.
Die He 176 und 178 sind eigentlich gute Beispiele, die Industrie arbeitete
quasi noch unter Friedensbedingungen, was einer Person wie Ernst Heinkel,
der ja wohl nicht immer konform mit der „offiziellen Seite“ ging, noch mehr
Möglichkeiten zu privater Initiative gegeben hat. Und das offizielle Interesse
an diesem Typen war verhältnismäßig gering. Trotzdem hätte sich ihre
Existenz praktisch gar nicht mehr verheimlichen lassen. Ein anderes Beispiel,
das mir gerade einfällt, wäre die Bf 165, der Messerschmitt Vorkriegs-4-Mot,
von dem nur eine Attrappe gebaut wurde. Wie dieser Typ genau aussah,
wissen wir nicht, aber es gibt Belege, dass es dieses Projekt gab. Jahrelang
haben etliche Leute nach Fotonachweisen für die Ju 88H gesucht. Es war
aus Unterlagen nur bekannt, dass es sich um eine verlängerte Version handelte.
Und auf einmal taucht ein komplettes Flugzeug auf, das niemand wirklich zu
benennen weiß ! Keine neue Version eins bekannten Typs, sondern etwas
völlig neues, scheinbar sogar mit einem Triebwerk, das ähnlich neu gewesen
zu sein scheint. Von den Ungereimtheiten, die manche Leuten auf diesen
Fotos entdeckt zu haben meinen, mal ganz abgesehen ...
Ich will niemandem die Freude an dieser Sensation vermiesen und auch gar
nicht wissen, wieviele Modelle schon in Regalen und Kellern stehn und nur
noch auf das „richtige“ Beschriftungsschildchen warten. Ich werde nur das
Gefühl nicht los, das bei der Begeisterung, die solche Entdeckungen auslösen,
oft der Wunsch der eigentliche Vater des Gedanken ist und dann häufig eine
kritischere Betrachtungsweise etwas zu kurz kommen könnte.
Speziell die deutsche Luftfahrtgeschichte der Jahre bis 1945 dürfte zu den am
meisten durchforsachten Abschnitten der Luftfahrtgeschichte gehören, aus
welchen Gründen auch immer scheint dieses Thema mehr Faszination
auszuüben als der gleiche Zeitabschnitt anderer Länder. Und ich zweifle nicht
daran, dass sich immer noch Unterlagen irgendwelcher Art von bisher
unbekannten Konzepten finden lassen. Auf viel mehr als „Ideenskizzen“ ,
ähnlich dem eBay-Angebot, sollten wir aber nicht hoffen.
Aber die Entdeckung neuer, unbekannter, aber gebauter Typen setzt meiner
Meinung nach mehr Zufälle voraus, als man selbst bei großzügigster Aus-
legung der Wahrscheinlichkeitsgesetze noch als halbwegs plausibel
akzeptieren kann.
P.S.: Ich bitte das lange Geschreibe zu entschuldigen, aber das Thema
"deutsche Projekte des II.WK" ist eins, bei dem ich mir schon oft verwundert
die Augen gerieben habe.