Erste Opfer von „Irma“ wurden die nördlichen Antillen, die meist kleinen „Inseln über dem Winde“, auf denen der Tropensturm mit Windgeschwindigkeiten von 280km/h und bis zu zehn Meter hohen Flutwellen schwerste Verwüstungen anrichtete. So wurden auf Barbuda „mehr als 90 Prozent“ aller Häuser und Gebäude zerstört oder schwer beschädigt.
Bei flächendeckend zerstörter Infrastruktur kann erste Nothilfe oft nur von See her geleistet werden. Seestreitkräften kommt dabei eine primäre Rolle zu. In HADR (Humanitarian Assistance/Desaster Relief) Operationen besonders gefragt sind amphibische Einheiten und zu Hubschraubereinsätzen befähigte Schiffe, die abseits funtionsfähiger Hafeninfrastruktur ohne größere Vorbereitungen sofort aktiv werden können. Mit von ihnen transportiertem Spezialgerät und –personal stellen sie eine Notversorgung mit Medikamenten (medizinische Erstversorgung), Wasser (Wasseraufbereitungsanlagen) und Nahrungsmitteln sicher, setzen ausgefallene Strom-, Wasserversorgungs- und Kommunikation wieder her, machen Flugplätze, Häfen und wichtige Landverbindungen für nachfolgende Hilfeleistungen wieder betriebsbereit.
Die nur kleinen Marinen/Sicherheitskräfte der betroffenen Inseln sind dazu nicht in der Lage, aber viele Inseln der nördlichen Antillen sind frühere Kolonien oder noch heute europäischen Staaten oder den USA hoheitlich verbunden. So kommt Hilfe denn vor allem von diesen Partnern.
Das größte Kontingent haben natürlich die USA auf den Weg gebracht. Der gerade die Karibik durchfahrende Hubschrauberträger „Wasp“ wurde ad hoc zu den zu den USA gehörenden Virgin Islands beordert. Schwesterschiff „Kearsarge“ brach seinen Hilfseinsatz vor Texas ab und nahm gemeinsam mit Docklandungsschiff „Oak Hill“ ebenfalls Kurs dorthin. Mit „Iwo Jima“ und „New York“ wurden noch ein weiterer amphibischer Träger und ein Docklandungsschiff in Alarmbereitschaft versetzt, sind aber noch nicht ausgelaufen. Die beiden in Mayport (Florida) stationierten Schiffe werden wahrscheinlich vor der US-Küste benötigt.
Gerade die mit zahlreichen großen Transporthubschraubern, Schwenkflügel-Flugzeugen Osprey und Landungsbooten beladenen 40.000-ts großen amphibischen Träger sind wie kaum andere Schiffe für HADR-Einsätze geeignet. Sie können riesige Mengen an Material, Gerät und Hilfspersonal schnell in ein Katastrophengebiet bringen und ohne weitere Vorbereitungen sofort einsetzen.
Auch die Marinen Frankreichs, Großbritanniens und der Niederlande sind bereits in die anlaufenden HADR-Einsätze eingebunden. Die französische Marine hat ihre zwei zurzeit in der Karibik (Martinique) stationierten Fregatten „Ventose“ and „Germinal“ mit Hilfsgütern beladen und zu den von „Irma“ betroffenen Inseln Saint-Martin und Saint-Barthélemy in Marsch gesetzt.
Schmerzlich vermisst wird jetzt das vor erst zwei Monaten abgezogene und zur Verschrottung in die Heimat zurückgekehrte einzige zuvor in der Karibik stationierte Landungsschiff „Dumont d’Urville“.
Die britische Royal Navy ist rund ums Jahr in ablösendem Einsatz mit einem Carribean Station Ship in der Region präsent. Die Einheiten nehmen an internationalen Einsätzen zur Bekämpfung des Drogenhandels teil, sind während der Hurrikan-Saison aber immer auch für kurzfristige HADR-Einsätze vorbereitet und ausgerüstet. Aktuelles Stationsschiff ist das 16.000 ts große amphibische Unterstützungsschiff „Mounts Bay“, das mit eingeschifften Landungsbooten und Hubschraubern zu den etwas nördlich der US Virgin Islands gelegenen etwa 60 kleinen und kleinsten britischen Virgin Islands entsandt wurde.
Obwohl die „Mounts Bay“ für HADR-Einsätze bestens geeignet ist, hat die Royal Navy zusätzlich noch den Hubschrauberträger „Ocean“ in Marsch gesetzt. Das kurzfristig aus dem NATO-Verband SNMG-1 herausgelöste Schiff dürfte etwa zehn Tage für Ausrüstung und Verlegung ins Katastrophengebiet benötigen.
Die niederländische Marine hat in der Region zurzeit keine amphibischen Einheiten präsent. Ihr für mehrere Monate als Karibik-Stationsschiff auf Curacao (südliche Antillen) stationiertes Wachschiff „Zeeland“ sowie das dort beheimatete logistische Unterstützungsschiff „Pelikaan“ sind aber nach Beladung mit Wasser, Medikamenten und anderen Hilfsgütern bereits bei den von „Irma“ verwüsteten niederländischen Inseln Sint Eustacius, Saba, and Sint Maarten im Einsatz.
Die bisher entsandten Schiffe sind nur erste Kontingente. Sowohl die US Navy als auch die drei europäischen Marinen dürften in der Lage sein, bei Bedarf - der sich erst in einigen Tagen genauer darstellen wird – weitere (auch größere amphibische) Einheiten kurzfristig in Marsch zu setzen.