Verfälschte Dokumente - Software"fehler" in Kopierern

Diskutiere Verfälschte Dokumente - Software"fehler" in Kopierern im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Moin! Da es hier im Forum einige Luftfahrt-Historiker gibt, die betroffen sein könnten, möchte ich hier mal auf eine Problematik aus der...
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Moin!

Da es hier im Forum einige Luftfahrt-Historiker gibt, die betroffen sein könnten, möchte ich hier mal auf eine Problematik aus der Computertechnik hinweisen:

2013 hat der deutsche Informatiker David Kriesel herausgefunden, daß Xerox-Kopierer bei Kopiervorgängen Ziffern, Buchstaben und ganze zusammenhängende Beschriftungsbestandteile verfälschen können.

Detaillierte Vorstellung der Ergebnisse:


Kurze Zusammenfassung: Kopierer und Scanner arbeiten ein bißchen wie Texterkennungsprogramme. Statt aber bekannte Bildelemente, nämlich Buchstaben und Zahlen, zu suchen und zu speichern, suchen Kopierer nur nach in ähnlicher Form wiederkehrenden Bildausschnitten. Das können auch Buchstaben und Zahlen sein.

Das kann man sich beispielsweise so vorstellen:

Das Original-"Bild" sei eine Liste von Kennzeichen:

- D-ABLA
- D-AKSA
- D-APBA
- D-ARSA

Da die Qualität des Originals nicht mehr so gut ist, erkennt der Kopierer jetzt die folgenden ähnlichen Bildausschnitte und speichert sie für spätere Verwendung:

Leerer Platz -> #0
- D-A -> #1
BLA -> #2
KSA -> #3
PBA -> #4
RSA -> hier passiert's: Der Kopierer entscheidet, das ist bei der schlehcten Qualität des Originals so ein ähnlicher Baustein wie der schon bekannte "KSA" und versteht ihn auch als #3.

Die Seite wird intern dann etwa so gespeichert:

0000
1200
1300
1400
1300
0000

Und bei der Ausgabe dann so wieder ausgepackt:

- D-ABLA
- D-AKSA
- D-APBA
- D-AKSA

Die letzte Zeile ist natürlich falsch. Das ist aber nicht zu erkennen, weil das zusammengesetzte Bild alle Kennzeichen einer echten Kopie trägt, denn der falsch zugeordnete Bildausschnitt stammt ja aus dem gleichen Bild und ist deswegen ausgesucht worden, weil er dem Original sehr ähnlich sieht. Mit anderen Worten, das Ergebnis sieht immer so gut aus, als wäre es von Expertenhand mit Photoshop manipuliert.

Während David Kriesel vor allem darauf abhebt, daß diese Einstellung bei Xerox im Handbuch schlecht erklärt wurde und sich durch einen Softwarefehler auch in der höchsten Qualitätsstufe nicht abschalten ließ, so daß jede Xerox-Kopie der betroffenen Kopierer und Scanner zwischen ca. 2005 und 2013 verdächtig ist, ist für den Historiker vielleicht eher bedenklich, daß er oft mit Kopien oder Scans zu tun hat, bei denen völlig unbekannt ist, auf welchem Gerät und mit welcher Einstellung die mal entstanden sind.

Ich gehe davon aus, daß ähnliche Kompressionsverfahren nicht nur bei Xerox, sondern auch bei anderen Kopiererherstellern angewendet werden, um den für das Speichern der Kopien benötigten Speicherplatz zu minimieren. Auch bei Xerox ist das Verfahren ja nicht abgeschafft worden, sondern es wurde nur dafür gesorgt, daß es auf der höchsten Qualitätsstufe nicht mehr zur Anwendung kommt.

Aus Sicht der Kopiererhersteller ist das also wahrscheinlich kein Softwarefehler, sondern einfach ein wirkungsvoller Kompressionsalgorithmus.

Bevor ich Kriesels Vortrag gesehen habe, hatte ich mich schon öfter gewundert, daß die Leistungsangaben in Datenblättern aus dem 2. Weltkrieg manchmal nicht stimmen konnten. Da es hier technische Zusammenhänge gibt, kann man da manchmal sehr sicher sein, weil ein Flugzeug in einer bestimmten Höhe nicht plötzlich 20 km/h schneller ist als ein bißchen drüber oder drunter. Ich habe dann die Scans angestarrt und nicht verstanden, wie das sein konnte: Zwar stand da dann vielleicht "650" mit einer etwas undeutlichen "5", aber da die "3" im typischen Zeichensatz der Schreibmaschine ganz andere Bögen und Schwünge hat, war ich mir eigentlich sicher, daß es wirklich eine "5" und keine "3" ist.

Jetzt, wo ich weiß, daß der Kopierer den Scan aus einzelnen Bausteinchen zusammenpuzzelt, wie er es für richtig hält, bin ich da nicht mehr so sicher!

Wenn es also in irgendeinem Dokument mal Widersprüche gibt ... nicht auszuschließen, daß das vielleicht auch mal am Kopierer oder Scanner liegen kann.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 

netvoyager

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Der Fehler wurde durch einen Firmware Patch von XEROX noch in 2013 behoben. Auch andere Hersteller, die die ursächliche JBIG2 Komprimierung verwendet haben, haben darauf reagiert. Heute kann das also nur noch in mehr als 5 Jahre alten Geräten auftreten, die seither kein Firmware Update erhalten haben, oder in Dokumenten, die vor dem Patch gescannt wurden. Mit aktuellen Scans von aktuellen Geräten gibt es genau dieses Problem nicht mehr.
 
HoHun

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Moin!

Der Fehler wurde durch einen Firmware Patch von XEROX noch in 2013 behoben. Auch andere Hersteller, die die ursächliche JBIG2 Komprimierung verwendet haben, haben darauf reagiert. Heute kann das also nur noch in mehr als 5 Jahre alten Geräten auftreten, die seither kein Firmware Update erhalten haben, oder in Dokumenten, die vor dem Patch gescannt wurden. Mit aktuellen Scans von aktuellen Geräten gibt es genau dieses Problem nicht mehr.
Danke, das ist schon mal eine gewisse Beruhigung!

Läßt sich dazu irgendwo online näheres nachlesen? Verlustbehaftete Komprimierung wird ja durchaus weiterhin ein Thema sein. Jetzt, wo ich drüber nachdenke: Eigentlich ganz gut, wenn ein Verfahren sichtbare Artefakte zeigt, wenn es an seine Grenzen stößt ... da weiß man wenigstens, was passiert :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 

netvoyager

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Das BSI hat seine Richtlinien für "ersetzendes Scannen" zur rechtssicheren Archivierung entsprechend angepasst.. Dafür sind Verfahren, die Muster vergleichen und ergänzen (wie JBIG2) nicht mehr zulässig. Diese Verfahren dienten eigentlich dazu durch kleinere Dateien Speicherplatz zu sparen. Darauf haben alle namhaften Hersteller von Scannern auch im Consumerbereich reagiert, um kein schlechtes Image für den Einsatz ihrer professionellen Geräte zu riskieren. Wenn man in diesem Bereich sucht, findet man einige Informationen.
 
AGO Scheer

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Hallo Kollegen,
das hat mich ja überrascht. Als Laie war mir dieses Problem nicht bekannt.
Frage: Wären ggf. Kopierer des BA (von SELKE) auch betroffen?
 
HoHun

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Hallo Kollegen,
das hat mich ja überrascht. Als Laie war mir dieses Problem nicht bekannt.
Frage: Wären ggf. Kopierer des BA (von SELKE) auch betroffen?
Da das ja nicht nur vom Hersteller abhängt, sondern auch von der Softwareversion und den spezifischen Einstellungen, kann das wahrscheinlich nur das Bundesarchiv selbst beantworten.

Ich habe da auch keine tieferen Kenntnisse, ich bin da praktisch nur als Betroffener drauf gestoßen, weil ich mich ein gewundert habe, daß ich in alten Datenblättern immer wieder unplausible Zahlen finde, und dann zufällig über den Vortrag von Kriesel gestolpert bin.

Ob das Bundesarchiv in den Anwendungsbereich der von Netvoyager erwähnten BSI-Richtlinie fällt, weiß ich nicht. Ich habe aber diese Informationsseite des Bundesarchivs gefunden, auf der das Thema angesprochen wird:

Bundesarchiv Internet - "Sicher ist sicher? Beweiswert digitaler Unterlagen"

Klingt für mich, als seien sie dort ganz gut im Film ... vermutlich hast Du gute Chancen, daß die konkrete Stelle, von der Du Archivmaterial bezogen hast, genauer eingrenzen kann, ob das Material betroffen sein könnte oder nicht. Das ist natürlich nur meine Spekulation ... ich bin ja Optimist :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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