Die Frage ist auch: Kann die MAX ohne MCAS konkurrenzfähig fliegen und auch sicher?
Können war nicht das Problem. Ohne MCAS *darf* sie nicht...
Um die Zulassung zu bekommen, muss ein Flugzeugtyp grundlegende Flugeigenschaften nachweisen. Die sind haarklein festgelegt und nicht verhandelbar.
Das Problem das die MAX hatte, waren die Zulassungsbedingungen für Transportflugzeuge der FAA, Part 25:
14 CFR Subpart B - Flight
Da stehen alle möglichen Anforderungen, z.B. dass die Steuerung "linear" reagieren muss, d.h. dass es keine schlagartigen, sprunghaften Effekte gibt. Oder "
The stick force vs. g curve must have a positive slope", d.h. die Kraft, die der Pilot am Steuer aufbringen muss, muss zunehmen, wenn höhere G-Kräfte erzeugt werden sollen. Oder "
... the direction of the primary longitudinal control force may not reverse", d.h. die Kräfte dürfen für den Piloten am Steuer nicht erst zunehmen, und dann irgendwann plötzlich wieder abnehmen, wenn er noch mehr zieht.
Damit hatte Boeing bei der MAX ein Problem: ab einem bestimmten Anstellwinkel wird die große Triebwerk-Cowling von unten "angeblasen". Und da sie so weit vor dem Flügel montiert sind, nehmen die nötigen Steuerkräfte für den Piloten bei bestimmten Manövern irgendwann wieder ab, wenn der Anstellwinkel zu groß wird. Und das passierte in einem Bereich, der der Zulassungsbehörde praktisch zu demonstrieren ist. Bedingung nicht erfüllt. Flugzeug nicht zulassungsfähig. Blöd gelaufen...
Um das Problem zu lösen, hätte Boeing die Aerodynamik grundlegend ändern müssen. Das hätte Jahre gedauert. Also hat man einen Software-Fix gewählt. MCAS sorgt dafür, dass die Steuerkräfte bei steigendem AOA nicht irgendwann wieder abnehmen - in dem es, ab einem bestimmten Anstellwinkel, die Trimmung verstellt und gegen die manuelle Steuerung des Piloten antrimmt. Problem gelöst, Eigenschaft erfüllt, Flugzeug wird zugelassen.
Man könnte Boeing vorwerfen, dass sie geschummelt haben. Klingt ein bisschen nach VW: sie haben eine SW-Funktion gebaut, um der Zulassungsbehörde eine Flugeigenschaft zu demonstrieren, die das Flugzeug rein aerodynamisch nicht gehabt hätte.
Man muss aber fairerweise sagen: für Fly-By-Wire Flugzeuge sind solche SW-Funktionen ganz normaler Alltag. Airbus hat mit Anforderungen an das Steuerverhalten kaum ein Problem. Wenn ohnehin alles über einen Joystick läuft und der Computer jedes Signal irgendwie umsetzen muss, kann man dem Computer auch jedes beliebige Ansprechverhalten beibringen. Zunehmende Empfindlichkeit oder abnehmende Empfindlichkeit, Abhängigkeiten der Empfindlichkeit von der Geschwindigkeit, Anstellwinkel oder was auch immer. Wird alles so programmiert und kalibriert, bis es zu den Anforderungen passt. Ganz normal.
Solche SW-Eingriffe sind also nicht verboten oder grundsätzlich schlecht. Nur: man muss eben *richtig* machen. (Und sich bei solchen kritischen Funktionen auf einen *einzigen* Sensor zu verlassen, erscheint irgendwie *nicht* richtig...)