HolgerXX
Fluglehrer
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Hallo zusammen!
De mortuis nihil nisi bene. Der gute Griehl schaut sich jetzt auch schon ein paar Jahre die Radieschen von unten an. Ihn zu verbessern wird also nicht funktionieren. Ich habe mir sein in englischer (vermutlich, damit die Angelsachsen außer dem Roten Baron, dem Wüstenfuchs und den U-Booten noch mehr zum Schauern haben) Sprache geschriebenes Buch "Luftwaffe over America" (Greenhill/Stackpole, London UK/Mechanicsburg PA, 2004) mal genauer durchgelesen. Und mir ist da auch an angeblichen deutschen Projekten einiges Schauerliche aufgefallen:
S. 29, 49: ein Heinkel-Bomber mit 6 DB 603 und 11.000 km Reichweite (Zurechnung der Motorenkonfiguration S. 48f auch zu anderen Projekten)
S. 30: er äußert sich so, als wäre die Arado E.340 wirklich gebaut worden: "In 1940, the manufacturer had built...", mit 2 Jumo 222
S. 149: ein aus welchen Gründen auch immer mit "Warschau" bezeichneter Lufttanker: "..., after refuelling from the aerial tanker 'Warsaw'"
S. 176: soll die Me 263 "Mischantrieb" gehabt haben: "..shows us possibilities ... in combining piston engines and jets", Otto Saur in den Mund gelegt
S. 212f: absolut schockiert war ich da von dem Focke-Wulf zugerechneten Extremprojekt. Ein Vergleich der Daten zeigt aber, dass es sich um das Daimler-Benz-Projekt B/C handelt!
S. 157: als Sahnehäubchen noch die dort erwähnte Focke-Wulf Fw 35. Das mitgelieferte Stammkennzeichen CA+GN weist die Maschine als Fw 56 aus. Im Text war kurz vorher von der Klemm Kl 35 die Rede gewesen. Dass man da einen Fehler machen kann, ist ok. Nicht aber, diesen auch ins Register zu übertragen.
Griehl führt zwar eine Riesenanzahl an Quellen an (S. 247, vor den namentlich genannten Werken folgendes: "A listing of the approximately 5.500 individual original documents consulted has not been included for reasons of space." Auf seitengenaue Verweise verzichtet er sowieso. Das macht es sehr schwer, nachzuprüfen, woher er seine Informationen hat.
Sönke Neitzel arbeitet als Professor (bzw. der damals erst noch einer werden wollte) natürlich viel genauer. Schräg findet er allerdings die Vorstellung einer schwer bewaffneten Ju 390 als sozusagen Super-Stachelschwein (mein eigener Ausdruck mit Bezug auf die wegen ihrer Abwehrstärke von deutschen Piloten "Stachelschwein" genannte Short Sunderland, Bewaffnung aufgrund Vorstellungen Hauptmann Fischers von der FAGr. 5, S. 189 in Der Einsatz der deutschen Luftwaffe über dem Atlantik und der Nordsee 1939 - 1945, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1995) und nennt sie "fliegender Flakkreuzer", Anm. 233. Neitzel fühlt sich an die mit schwerer Bugbewaffnung ausgestattete He 177 aus dem bekannten (nicht dem oben zitierten) Buch von Griehl (S. 110) erinnert. Der Ausdruck "fliegender Flakkreuzer" findet sich jedoch dort nicht, die Maschinen werden als "Großzerstörer" bezeichnet. Stattdessen wird das Blohm & Voss-Projekt P.191 so genannt (Fundstelle auf Anfrage). Wie diese achtmotorige Maschine ausgeschaut haben sollte, hätte mich echt mal interessiert.
Statt, oder von mir aus auch gleichzeitig, einer Bewaffnung mit diversen Dreizentimeter-Kanonen waren auch Parasitjäger für die Ju 390 angedacht (Kössler & Ott, Die großen Dessauer, Aviatic-Verlag, Planegg 1993, S. 97). Das erinnert nun wieder, um zu Griehls oben zitiertem Buch zurückzukommen, an ein weiteres Monsterprojekt, nämlich P.1073 von Messerschmitt. Ob die zu findende Darstellung (es gibt eigentlich nur eine) dieser auch achtmotorigen (Me P.1073A) Maschine authentisch sind, frage ich mich. Der Einzug der Parasitjäger (Me P.1073B) soll nach der Darstellung in die Unterseite erfolgen. Dass sich da noch ein brauchbarer Bombenraum ergibt, halte ich für schwierig. Deshalb hätte ich mir vorgestellt, den oder die Parasitjäger auf dem Rumpfrücken zu befördern. Ob man die bei einigen hundert km Geschwindigkeit ohne Kollision wieder an die Muttermaschine hätte bringen können, bereitet mir Kopfzerbrechen. Im Fall der Ju 390 jedoch, mit tatsächlich auf dem Rumpfrücken zu transportierenden Parasitjäger, erwähnen Kössler & Ott eine so genannte "Schlippe-Kupplung". Man hat sich also schon genaue Gedanken über das Verfahren gemacht...
Laut dem eingangs zitierten Buch von Griehl stammt das Me P.1073 bereits vom Juli 1937 (S. 22)! Konnte man sich damals schon den als Antrieb vorgesehenen Jumo 223 und strahlgetriebene Parasitjäger vorstellen? Na ja, wenigstens hätte vielleicht die Zeit gereicht, um so ein Riesenprojekt (P.1073A hat die Ausmaße moderner Großraumverkehrsflugzeuge) um 1945 herum einsatzfähig zu bekommen.
Zu diesen Dingen fällt mir jetzt nichts mehr ein. Euch vielleicht schon, deshalb würde ich mich über Antworten freuen!
Grüße, Holger
De mortuis nihil nisi bene. Der gute Griehl schaut sich jetzt auch schon ein paar Jahre die Radieschen von unten an. Ihn zu verbessern wird also nicht funktionieren. Ich habe mir sein in englischer (vermutlich, damit die Angelsachsen außer dem Roten Baron, dem Wüstenfuchs und den U-Booten noch mehr zum Schauern haben) Sprache geschriebenes Buch "Luftwaffe over America" (Greenhill/Stackpole, London UK/Mechanicsburg PA, 2004) mal genauer durchgelesen. Und mir ist da auch an angeblichen deutschen Projekten einiges Schauerliche aufgefallen:
S. 29, 49: ein Heinkel-Bomber mit 6 DB 603 und 11.000 km Reichweite (Zurechnung der Motorenkonfiguration S. 48f auch zu anderen Projekten)
S. 30: er äußert sich so, als wäre die Arado E.340 wirklich gebaut worden: "In 1940, the manufacturer had built...", mit 2 Jumo 222
S. 149: ein aus welchen Gründen auch immer mit "Warschau" bezeichneter Lufttanker: "..., after refuelling from the aerial tanker 'Warsaw'"
S. 176: soll die Me 263 "Mischantrieb" gehabt haben: "..shows us possibilities ... in combining piston engines and jets", Otto Saur in den Mund gelegt
S. 212f: absolut schockiert war ich da von dem Focke-Wulf zugerechneten Extremprojekt. Ein Vergleich der Daten zeigt aber, dass es sich um das Daimler-Benz-Projekt B/C handelt!
S. 157: als Sahnehäubchen noch die dort erwähnte Focke-Wulf Fw 35. Das mitgelieferte Stammkennzeichen CA+GN weist die Maschine als Fw 56 aus. Im Text war kurz vorher von der Klemm Kl 35 die Rede gewesen. Dass man da einen Fehler machen kann, ist ok. Nicht aber, diesen auch ins Register zu übertragen.
Griehl führt zwar eine Riesenanzahl an Quellen an (S. 247, vor den namentlich genannten Werken folgendes: "A listing of the approximately 5.500 individual original documents consulted has not been included for reasons of space." Auf seitengenaue Verweise verzichtet er sowieso. Das macht es sehr schwer, nachzuprüfen, woher er seine Informationen hat.
Sönke Neitzel arbeitet als Professor (bzw. der damals erst noch einer werden wollte) natürlich viel genauer. Schräg findet er allerdings die Vorstellung einer schwer bewaffneten Ju 390 als sozusagen Super-Stachelschwein (mein eigener Ausdruck mit Bezug auf die wegen ihrer Abwehrstärke von deutschen Piloten "Stachelschwein" genannte Short Sunderland, Bewaffnung aufgrund Vorstellungen Hauptmann Fischers von der FAGr. 5, S. 189 in Der Einsatz der deutschen Luftwaffe über dem Atlantik und der Nordsee 1939 - 1945, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1995) und nennt sie "fliegender Flakkreuzer", Anm. 233. Neitzel fühlt sich an die mit schwerer Bugbewaffnung ausgestattete He 177 aus dem bekannten (nicht dem oben zitierten) Buch von Griehl (S. 110) erinnert. Der Ausdruck "fliegender Flakkreuzer" findet sich jedoch dort nicht, die Maschinen werden als "Großzerstörer" bezeichnet. Stattdessen wird das Blohm & Voss-Projekt P.191 so genannt (Fundstelle auf Anfrage). Wie diese achtmotorige Maschine ausgeschaut haben sollte, hätte mich echt mal interessiert.
Statt, oder von mir aus auch gleichzeitig, einer Bewaffnung mit diversen Dreizentimeter-Kanonen waren auch Parasitjäger für die Ju 390 angedacht (Kössler & Ott, Die großen Dessauer, Aviatic-Verlag, Planegg 1993, S. 97). Das erinnert nun wieder, um zu Griehls oben zitiertem Buch zurückzukommen, an ein weiteres Monsterprojekt, nämlich P.1073 von Messerschmitt. Ob die zu findende Darstellung (es gibt eigentlich nur eine) dieser auch achtmotorigen (Me P.1073A) Maschine authentisch sind, frage ich mich. Der Einzug der Parasitjäger (Me P.1073B) soll nach der Darstellung in die Unterseite erfolgen. Dass sich da noch ein brauchbarer Bombenraum ergibt, halte ich für schwierig. Deshalb hätte ich mir vorgestellt, den oder die Parasitjäger auf dem Rumpfrücken zu befördern. Ob man die bei einigen hundert km Geschwindigkeit ohne Kollision wieder an die Muttermaschine hätte bringen können, bereitet mir Kopfzerbrechen. Im Fall der Ju 390 jedoch, mit tatsächlich auf dem Rumpfrücken zu transportierenden Parasitjäger, erwähnen Kössler & Ott eine so genannte "Schlippe-Kupplung". Man hat sich also schon genaue Gedanken über das Verfahren gemacht...
Laut dem eingangs zitierten Buch von Griehl stammt das Me P.1073 bereits vom Juli 1937 (S. 22)! Konnte man sich damals schon den als Antrieb vorgesehenen Jumo 223 und strahlgetriebene Parasitjäger vorstellen? Na ja, wenigstens hätte vielleicht die Zeit gereicht, um so ein Riesenprojekt (P.1073A hat die Ausmaße moderner Großraumverkehrsflugzeuge) um 1945 herum einsatzfähig zu bekommen.
Zu diesen Dingen fällt mir jetzt nichts mehr ein. Euch vielleicht schon, deshalb würde ich mich über Antworten freuen!
Grüße, Holger
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