Darum wurden Me 261 und 264 nicht gebaut!

Diskutiere Darum wurden Me 261 und 264 nicht gebaut! im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Schon erstaunlich wie falsch ein Milch die Situation Deutschlands sah. Die Alliierten hatten längst erkannt, das Deutschland nach 1940 unter einem...

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Ich denke das trifft es genau. Die Fernbomber-Ausschreibung ist von 1941. Rein entwicklungstechnisch hätte man bis 1945 mit der Me 264, Ta 400 oder weiss der Himmel was nach Amerika fliegen können. Trotzdem hätten sich Amerikaner und Russen an der Elbe getroffen. Die kluge Leute in der Luftwaffe wussten das.

Milch hat fast unmittelbar nach dem Kriegseintritt der USA - aus Geheimdienstquellen über die US-Produktionsplanungen informiert - gegenüber Göring und dem Generalstab praktisch eine Verzehnfachung der Jägerfertigung gefordert: "Herr Reichsmarschall, Ihre Gesamtforderung beträgt 360 Jagdflugzeuge pro Monat. Ich verstehe das nicht. Wenn Sie 3600 Jagdflugzeuge gesagt hätten, dann müsste ich erwiedern, dass 3600 zu wenig seien." (Irving, S. 216) Da hat der Jeschonnek gesagt, er wisse nicht, was er mit so vielen Jägern anfangen solle! Auf die Frage, welches der große Fehler der Luftwaffe war, antwortete Milch nach dem Krieg: "140.000 nicht gebaute Jäger." Der Mann hat versucht diese Jäger zu bauen: Das ist der Grund, warum Me 261 und 264 nicht gebaut wurden.

Rainer
Schon erstaunlich wie falsch ein Milch die Situation Deutschlands sah. Die Alliierten hatten längst erkannt, das Deutschland nach 1940 unter einem Pilotenmangel litt und damit außerstande war eine zunehmende Produktion in Kampfkraft zu verwandeln.
 
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Schon erstaunlich wie falsch ein Milch die Situation Deutschlands sah. Die Alliierten hatten längst erkannt, das Deutschland nach 1940 unter einem Pilotenmangel litt und damit außerstande war eine zunehmende Produktion in Kampfkraft zu verwandeln.
Ich denke nicht. Erstens braucht man auch für Bomber Personal. Zweitens kann man auch einem Mangel an Piloten entgegenwirken. Drittens vermindert man Verluste, wenn rechtzeitig die Weichen gestellt werden.

Rainer
 

Sens

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Nach 1940 konnte das deutsche Reich niemals genügend Piloten für die schon bestehenden Geschwader generieren. Ein Umsteuern hätte Jahre gebraucht. Nur für Frischlinge braucht man zwei Jahre Ausbildung. Mindestens ein weiteres Jahr, um wirklich kampffähig zu sein, wenn man bis dahin überlebt hat. 1941 oder spätestens 1942 sollte der Krieg gewonnen sein und da dachte noch niemand an ein umsteuern, während die Zahl der alten Hasen ständig schrumpfte. Die noch kostbareren, Bomberkutscher wollte zu jener Zeit niemand umwidmen.
Ein Erich Hartmann hat seine Ausbildung zum Jagdflieger 1940 begonnen und brachte zudem eine fliegerische Vorerfahrung mit, als er im Oktober 1942 an die Front kam und dort die ersten Monate überleben musste.
 

Ta152

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Richtig und schon 1944 hatte die USAAF Probleme die zulaufenden Jäger in Europa sinnvoll zu beschäftigen. Man erwartete sogar noch 1944 das Ende des Krieges in Europa. Als Plan B gab es für 1945 den Atomwaffeneinsatz in Deutschland. Jede Verlängerung des Krieges auch nur von Tagen war sinnfrei.
Natürlich wäre es kein Kriegsentscheidendes Mittel gewesen. Aber einige sporadische Angriffe 1942 und 1943 hätten die Lage im Westen für Deutschland vermutlich klar verbessert. Das Deutschland den Krieg im Osten verloren hat ist ein anderes Thema. Und das man in der Luftrüstung sowohl Materiell wie auch Personell diverse große Fehler gemacht hat ist noch klarer. Das man eben 1941 kein wirklich gutes "Superlangstreckenflugzeug" für Seefernaufklärung, Anti-Schiff Einsätze und mit einigen Umbaumaßnahmen auch Störnagriffe gegen die USA hatte ist da bestimmt nicht der größte fehler den Deutschland gemacht hat.
 

Ta152

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Ich denke nicht. Erstens braucht man auch für Bomber Personal. Zweitens kann man auch einem Mangel an Piloten entgegenwirken. Drittens vermindert man Verluste, wenn rechtzeitig die Weichen gestellt werden.

Rainer
Ja, so Weichen wie die ausgebildeten Piloten nicht mehr zur "Frontbewährung" als Infanteristen an die Front zu schicken. Trainingsflugzeuge hätten die höchste Priorität in den Produktionsplänen haben müssen (mit gedeckelter Stückzahl), erfahrene Piloten hätte man nach einem festen Plan für gewisse Zeiten an die Flugzeugführerschuhen abziehen sollen. Aber ich bewege mich immer weiter vom Threadtitel weg...
 
HoHun

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Moin!

Auf die Frage, welches der große Fehler der Luftwaffe war, antwortete Milch nach dem Krieg: "140.000 nicht gebaute Jäger." Der Mann hat versucht diese Jäger zu bauen: Das ist der Grund, warum Me 261 und 264 nicht gebaut wurden.
Vielleicht hast Du nicht ganz unrecht, aber wüßte jetzt nicht, daß Milch sich während des Krieges so geäußert hätte. Er mag so gedacht haben - obwohl ich da gern andere Quellen als Irvings Milch-Biographie hätte -, aber was er so an Aussagen über die Me 264 getätigt hat, klingt eher so, als ob er den Typ mittels Rufmord beerdigen wollte. Natürlich konnte das einfach ein strukturelles Problem gewesen sein ... da die damalige deutsche Ideologie den Angriff über die Verteidigung priorisierte und ein Bomber - nach damaliger Terminologie ein "Kampfflugzeug"! - ein Angriffsflugzeug war, während noch so viele Jäger "nur" der Verteidigung dienten. Daher war es schwierig, offen gegen den Bau eines Kampfflugzeuges zu opponieren, also war dann Kreativität gefragt.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 

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Natürlich wäre es kein Kriegsentscheidendes Mittel gewesen. Aber einige sporadische Angriffe 1942 und 1943 hätten die Lage im Westen für Deutschland vermutlich klar verbessert. Das Deutschland den Krieg im Osten verloren hat ist ein anderes Thema. Und das man in der Luftrüstung sowohl Materiell wie auch Personell diverse große Fehler gemacht hat ist noch klarer. Das man eben 1941 kein wirklich gutes "Superlangstreckenflugzeug" für Seefernaufklärung, Anti-Schiff Einsätze und mit einigen Umbaumaßnahmen auch Störnagriffe gegen die USA hatte ist da bestimmt nicht der größte fehler den Deutschland gemacht hat.
Da gab es nichts zu verbessern. 1941 hat man mit der deutschen Kriegserklärung an die USA das Manhattan-Projekt abgesichert. Alles was einer schnellen deutschen Niederlage entgegenstand hat den blutigen Krieg nur verlängert. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann kann man sich den technischen Aspekten der Me-261 und 264 widmen. Die damit möglichen Missionen sind ja reine Fiktion geblieben.
 
AGO Scheer

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Ein Tipp an dich, Henning, da du nach anderen Quellen fragtest: Irvings /Milchs "Tragödie" ist mit Sicherheit recht einseitig zu werten, aus dem Grund sollte zumindest Theo Osterkamps kritische Streitschrift gegen Irving/Milch bei der Bewertung der Situation mit Berücksichtigung finden.

Siehe:
Theodor Osterkamp,
"Tragödie der Luftwaffe?"
Kritische Begegnung mit dem gleichnamigen Werk von Irving,
Vowinckel, 1971

Ab und an noch antiquarisch zu bekommen.
 
Junkers-Peter

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@HoHun Beitrag #37 (Und Bitte beim Thema 261/264/direkte Konkurrenten bleiben)

Die Kritik an den Startstrecken kam ja nicht von Milch selber, sondern von der Fachabteilung, die für die Flugzeugentwicklung zuständig war (GL/C-E) und KdE, also wirklichen Fachleuten. Denen standen sicher mehr Informationen zur Verfügung, als uns heute, um zu diesem Urteil zu gelangen. Und die denken sich ja solche Sachen nicht einfach aus. Hier wird sich mitunter zu sehr auf Milch konzentriert. Die meisten Entscheidungen traf der aufgrund der Einschätzung seiner Fachabteilungen und waren weniger dramatisch, als wir uns das heute vielleicht vorstellen. (siehe die Stenographischen Niederschriften der GL-Besprechungen.) Und viele Weichen wurden noch unter seinem Vorgänger Udet gestellt, der übrigens ein enger Freund von Messerschmitt war.

Der Entscheid gegen die 264 fiel ja dann auch einvernehmlich mit KdE, GL/C-E, und den Gen.d. Kampfflieger und Aufklärer. Ich denke nicht, dass die alle wissentlich das vermeintlich bessere Flugzeug nur studienhalber bauen wollten. Leider habe ich die Steno-Niederschrift dieser Sitzung nicht, da würde man sicher noch mehr Informationen herausholen können.

Das RLM hat die 264 nicht bei Mtt bestellt. Der hat sie ungefragt unter der Hand entwickelt. Mtt sollte sich auf Jäger und Zerstörer konzentrieren, also kleinere Flugzeuge entsprechend der Größe und den Fähigkeiten des Werkes. Die Aufteilung ist 1937 so gemacht worden. Das Dokument habe ich. Dort kann man schon lesen: "Weiterbearbeitung von Bombern durch Firma Messerschmitt wird für unzweckmäßig erachtet." :biggrin:

Ich denke, einzig Junkers wäre vom Entwicklungs- und Serienbaupotential fähig gewesen, so ein Großbomberprojekt durchzuziehen, und die Ju 290/Ju 390 wäre dazu sicher die bessere Alternative gewesen und nicht die Me 264. Deshalb wurden in der Besprechung auch die 290/390 zum Serienbau bestimmt. Wenn auch diese Entscheidung nicht von längerer Dauer war.
 
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Die Entwicklungsgeschichte der B-29 zeigt ja, was in jener Zeit bis zur Einsatzreife 1944 möglich war.
Die Entfernung von Brest bis New York City beträgt 5.380 km. Dazu kommt noch die Windgeschwindigkeit, die es bei einem Flug in Westrichtung zu überwinden gilt und die dafür notwendigen Treibstoffreserven. Die man auch bei idealen Verhältnissen benötigt, weil die Winddrift immer für Kursabweichungen sorgt, deren Korrekturen gleichzeitig den realen Flugweg verlängern.
Dieser Rekordflug einer besonders präparierten Maschine zeigt was 1938 in Deutschland möglich war. Für solche Flüge gab es jedoch schon Navigationshilfen und Ausweichflugplätze, falls Planung und Wirklichkeit nicht Deckungsgleich waren. Als Einsatzmuster waren gerade die Hälfte der demonstrierten Reichweite ein realistischer Wert. Die Ju-90 von 1939 bot auch nur eine ähnliche Leistung. Die Ju-290, die 1943 zum Einsatz kam, hatte zwar die doppelte Startmasse, überbot jedoch nicht die Rekordwerte von 1938. Die so mögliche Einsatzreichweite von über 6000 km waren nur unter Standardbedingungen zu erreichen, die es wenig überraschend über dem Nordatlantik fast nie gab.
Die ersten Testflüge der Me-264 waren wenig Erfolg versprechend und ein Entwicklungsabbruch nur konsequent.
Bei reinen Zahlenvergleichen, der jeweiligen Höchstwerte ist man dann auf einem Quartettspiel-Niveau unterwegs. Aber das ist ja jedem Leser bewusst.
 
HoHun

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Hallo Peter,.

Die Kritik an den Startstrecken kam ja nicht von Milch selber, sondern von der Fachabteilung, die für die Flugzeugentwicklung zuständig war (GL/C-E) und KdE, also wirklichen Fachleuten.
Mag sein - aber für Fachleute ist die Startstrecke nicht einfach eine Zahl, sondern eine Funktion zahlreicher Variablen:


(S. 104 aus dem Handbuch der Boeing B-29 mit dem Startstreckendiagramm)

Die Me 264 hat praktisch die gleichen Eckparameter wir die B-29, also wird sie unter gleichen Bedingungen auch ähnliche Startstrecken erreichen. Die B-29 hat sich als Langstrecken-Kampfflugzeug absolut bewährt ... mit der gleichen Flächenbelastung wie die Me 264.

Dass die anderen deutschen Entwürfe unter gleichen Voraussetzungen nennenswert kürzere Startstrecken aufgewiesen hätten, bezweifle ich. Die Ju 390 hatte bei 75 t Abfluggewicht die gleiche Leistungsbelastung wie die Me 264, aber bei einer niedrigeren Flächenbelastung ist ihre Geschwindigkeit für die längste Flugstrecke niedriger, so dass sie für die gleiche Mission einen größeren Treibstoffanteil als die Me 264 benötigt. Damit überschreitet sie die 75 t und braucht auch wieder eine längere Startstrecke ...

In der Luftfahrt ist alles ein Kompromiss, und die Auslegung der Me 264 war sehr nah an der der B-29, die wohl ohne Zweifel einen gelungenen Kompromiss darstellt.

Jeder Kompromiss zugunsten einer kürzeren Startstrecke wäre zu Lasten eines der anderen Parameter wie Reichweite oder Bombenlast gegangen. Eine Verbesserung gegenüber der Me 264 wäre vor allrm möglich, wenn Messerschmitt wesentlich unter den Möglichkeiten der damaligen Technologie geblieben wäte, aber der Vergleich mit der B-29 läßt das eher unwahrscheinlich erscheinen.

Man könnte sich auch noch die Consolidated B-32 Dominator ansehen, die ja einen Konkurrenzentwurf zur B-29 darstellte und ebenfalls in Serie gebaut worden ist, wenn auch nur in geringer Stückzahl. Leider fehlen im online verfügbaren Handbuch die ausführlichen Tabellen: Airplane Commander Training Manual For The Dominator : United States. Army Air Forces : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive ... aber das maximale Startgewicht, das ich auf die Schnelle online gefunden habe, lag bei 124000 lbs, was bei einer Flügelfläche von 14200 sqft eine Flächenbelastung von 425 kg/m^2 ergibt, also etwa 5 % mehr als die B-29 und die Me 264.

Es ist natürlich kein Zufall, dass all diese Langstreckenkampfflugzeuge bei ähnlichen Werten landen ... die verfügbare Technologie führt da zu konvergierenden Lösungen.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
Junkers-Peter

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Theoretische Leistungsberechnungen sind die eine Sache, tatsächliche Einsatzbereitschaft eine andere. Sie sehe da, wie auch die damaligen Fachabteilungen, erhebliche Probleme. Was, wenn der Platz zu kurz ist und keine Starthilfsraketen vorhanden sind? Da bleiben die Kisten stehen? Man sollte nicht zu datengläubig sein.

Siehe die He 177: Sicher auch von den theoretischen Leistungswerten ein "geiles" Flugzeug und besser als die anglo-amerikanischen Gegenstücke. Leider gab es erhebliche Schwierigkeiten mit den Doppeltriebwerken und besonders mit deren komplizierter Wartung. Das setzte die Einsatzbereitschaft erheblich herab.

In zwei Jahren hat Mtt einen Prototypen der 264 in die Luft gebracht, der Mitte 1944 immer noch im absoluten Anfangsstadium des Erprobungsprogramms steckte (siehe z.B. Mtt./Memmingen, Flugbericht Nr. M 5/02 vom 29.04.44, Me 264 V1 mit BMW 801: Stoppflug, Untersuchen des Verhaltens um die Hochachse) Bis dahin und auch später hat man mit dieser fliegenden Attrappe nicht mal ansatzweise irgendwelche Grenzwerte erflogen oder Leistungsmessungen durchgeführt, die die theoretischen Werte bestätigte.

Leistungsdaten Ju 290 B und Ju 390 habe ich, auch Ju 290 bzw. Ju 390 mit 4 bzw. 6 x Jumo 222 E/F Höhenmotoren (Volldruckhöhe um die 10 km). Ich vermute, dass die 264 dagegen nicht besonders gut aussieht. Muss ich mal raussuchen, wenn ich Muse habe.
 
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Die Me 264 hat praktisch die gleichen Eckparameter wir die B-29, also wird sie unter gleichen Bedingungen auch ähnliche Startstrecken erreichen. Die B-29 hat sich als Langstrecken-Kampfflugzeug absolut bewährt ... mit der gleichen Flächenbelastung wie die Me 264.

Dass die anderen deutschen Entwürfe unter gleichen Voraussetzungen nennenswert kürzere Startstrecken aufgewiesen hätten, bezweifle ich. Die Ju 390 hatte bei 75 t Abfluggewicht die gleiche Leistungsbelastung wie die Me 264, aber bei einer niedrigeren Flächenbelastung ist ihre Geschwindigkeit für die längste Flugstrecke niedriger, so dass sie für die gleiche Mission einen größeren Treibstoffanteil als die Me 264 benötigt. Damit überschreitet sie die 75 t und braucht auch wieder eine längere Startstrecke ...

In der Luftfahrt ist alles ein Kompromiss, und die Auslegung der Me 264 war sehr nah an der der B-29, die wohl ohne Zweifel einen gelungenen Kompromiss darstellt.

Jeder Kompromiss zugunsten einer kürzeren Startstrecke wäre zu Lasten eines der anderen Parameter wie Reichweite oder Bombenlast gegangen. Eine Verbesserung gegenüber der Me 264 wäre vor allrm möglich, wenn Messerschmitt wesentlich unter den Möglichkeiten der damaligen Technologie geblieben wäte, aber der Vergleich mit der B-29 läßt das eher unwahrscheinlich erscheinen.
Vielleicht sind die beiden Positionen nicht so weit voneinander entfernt, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Wenn ich mich recht entsinne, haben die Amerikaner ja für die B-29 extra Basen angelegt und bestehende erweitert. Insofern scheint die Maschine, für den bis dato geltenden Standard, erhöhte Start-/Landebahnlängen erfordert zu haben.
Es erscheint mir durchaus plausibel, dass die deutsche Seite da nicht willens (oder mangels Ressourcen nicht in der Lage) war einen derartigen Ausbauaufwand zu betreiben um die Maschine in den Einsatz zu bringen. Also waren unter dieser Prämisse die Startstrecken zu lang.
Und beim Vergleich der beiden Muster gilt es ja nicht nur die Flächenbelastungen und die "nackten" Profile zu betrachten, sondern auch das jeweils verfügbare Klappensystem, welches ja gerade bei Start und Landung zum Zuge kommt und hier wesentlichen Einfluss auf die notwendigen Strecken nehmen kann.
 
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@HoHun Beitrag #37 (Und Bitte beim Thema 261/264/direkte Konkurrenten bleiben)

Das RLM hat die 264 nicht bei Mtt bestellt. Der hat sie ungefragt unter der Hand entwickelt. Mtt sollte sich auf Jäger und Zerstörer konzentrieren, also kleinere Flugzeuge entsprechend der Größe und den Fähigkeiten des Werkes. Die Aufteilung ist 1937 so gemacht worden. Das Dokument habe ich. Dort kann man schon lesen: "Weiterbearbeitung von Bombern durch Firma Messerschmitt wird für unzweckmäßig erachtet." :biggrin:
Doch, die Luftwaffe hat bestellt und wie! Bei Dan Sharp findet sich folgende Passage einer Schrift des Chefs des Luftwaffenplanungsamtes, von Gablenz, vom Mai 1942 zitiert, in der er auf die erste Fernbomber-Ausschreibung von 1940 zurückblickt: "At the same time, because of current development of the Me 261, Messerschmitt had received a similar invitation to tender, and the Me 264 variant was offered to the RLM in mid-1941." Die Me 261 hatte im Dezember 1940 ihren Erstflug.

Interessant ist jetzt die Chronologie der Ereignisse: Das RLM macht 1940 eine Fernbomber-Ausschreibung für 15.000 Kilometer Reichweite. Junkers und Focke-Wulf reichen Entwürfe mit 120 bis 140 Tonnen ein mit großen, erst noch zu entwickelnden Motoren (Vermutlich BMW 803 und Jumo 222, 223). Die nicht einmal halb so schwere Me 264 mit greifbaren Triebwerken geht als Sieger hervor. Nun stellt sich aber heraus, dass die Maschine die von Messerschmitt behaupteten Leistungen nicht erreichen kann: Sie erreicht nicht die geforderten 15.000 Kilometer - ganz zu schweigen von den behaupteten 20.000. Und was tut das RLM? Es macht eine neue Ausschreibung mit auf 12.000 Km reduzierter Reichweite und der Forderung, die Maschine dürfe nicht übergroß sein. Defacto hat man die Ausschreibung auf die Me 264 zugeschnitten. Junkers reicht die Ju 390 mit 74 Tonnen ein, Focke-Wulf einen Vorläufer der Ta 400 mit 80 Tonnen, heinkel eine 90 Tonnen-Maschine und Messerschmitt erneut die Me 264 mit vier 603, 801 oder 211 Triebwerken und 43 bis 50 Tonnen Gewicht. Und Überraschung: Es gewinnt die Me 264.

von Gablenz: "Investigation has shown that contrary to the assertion made by the firm, the America return flight direct is probably not possible with so little reserve. However, compared with the other proposals, the lesser all-up weights and materials requirement, plus four engines as against five or six, the design is so much better that in the opinion of the GLZM this is the aircraft to order and accordingly attempts will be made to resolve the difficulties of under-capacity at Messerschmitt. If it is possible to resume the interrupted course of development work on the Me264, then we can have the prototypes this year, get the programme of flight testing over with during 1943, and have the machines operational in 1944. The simplifications to the design suggested by the RLM technical centre (normal unpressurised cockpit, proven engines, no bomb-aimer’s position) were made so that development could be continued despite the under-capacity at Messerschmitt... A range of 11,000-12,000km provides enormous possibilities for the Battle of the Atlantic."

Die Luftwaffe war seinerzeit offenkundig ziemlich überzeugt vom Messerschmitt-Entwurf, weil der Entwicklungs- und Fertigungsaufwand für attraktiv niedrig gehalten wurde und man möglichst schnelle Verfügbarkeit in der Atlantik-Schlacht wünschte. Angriffe auf die USA traten in den Hintergrund.

Rainer
 
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Nach 1940 konnte das deutsche Reich niemals genügend Piloten für die schon bestehenden Geschwader generieren. Ein Umsteuern hätte Jahre gebraucht. Nur für Frischlinge braucht man zwei Jahre Ausbildung. Mindestens ein weiteres Jahr, um wirklich kampffähig zu sein, wenn man bis dahin überlebt hat. 1941 oder spätestens 1942 sollte der Krieg gewonnen sein und da dachte noch niemand an ein umsteuern, während die Zahl der alten Hasen ständig schrumpfte. Die noch kostbareren, Bomberkutscher wollte zu jener Zeit niemand umwidmen.
Ein Erich Hartmann hat seine Ausbildung zum Jagdflieger 1940 begonnen und brachte zudem eine fliegerische Vorerfahrung mit, als er im Oktober 1942 an die Front kam und dort die ersten Monate überleben musste.
Die Kernausbildung der Piloten vor 1942 dauerte gemäß dieser Darstellung 13 Monate, wobei die fliegerische Schulung erst etwa nach sechs Monaten begann. Piloten-Training der Luftwaffe Die Stillegung eines Teiles der Kampfverbände und die Überführung des fliegenden Personals zur Jagdwaffe - wie sie von Hajo Herrmann bereits 1942 vorgeschlagen wurde - hätte jedenfalls eine erhebliche Entlastung gebracht.

Ich stelle auch nicht die Behauptung auf, dass die Bereitstellung von ausreichend gut geschulten Piloten ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Mir geht es nur um die Feststellung, dass das im Laufe des Jahres 1942 stattgefundene Umdenken Milchs und anderer in Richtung Jägerrüstung unter den gegebenen Umständen jedenfalls die rationalste Strategie war und den Hintergrund für die Abwürgung der Me 264 und anderer Projekte darstellt. Für fragwürdig halte ich die verbreitete Sitte, einen Mann wie Milch, der in Lufthansa und Luftwaffe doch beachtliche Organisationserfolge vorweisen kann, ex post als realitätsfremd, unfähig oder von zweifelhaften Motiven (Boog) getrieben darzustellen.

Rainer
 
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Mag sein - aber für Fachleute ist die Startstrecke nicht einfach eine Zahl, sondern eine Funktion zahlreicher Variablen:


Henning (HoHun)
Ja, und unter anderem ist der Kriegsverlauf eine solche Variable. Man muss sich immer vor Augen halten, dass das Tempo der Verschlechterung der militärischen Lage Deutschlands den berühmter "Blitzkriegen" recht nahe kam: Noch August 1942 haben deutsche und italienische Verbände mit großem Erfolg einen Geleitzug nach Malta bekämpft - ein Jahr später war die alliierte Luftherrschaft über dem ganzen Kontinent Tatsache. Unter den Bedingungen pausenloser Luftangriffe des Gegners ist natürlich eine kilometerlange Beton-Startbahn völlig anders zu bewerten, als wenn die eigenen Jäger über dem Kanal kreuzen.

Jeder Kompromiss zugunsten einer kürzeren Startstrecke wäre zu Lasten eines der anderen Parameter wie Reichweite oder Bombenlast gegangen. Eine Verbesserung gegenüber der Me 264 wäre vor allrm möglich, wenn Messerschmitt wesentlich unter den Möglichkeiten der damaligen Technologie geblieben wäte, aber der Vergleich mit der B-29 läßt das eher unwahrscheinlich erscheinen.
Überzeugende Argumentation.

Rainer
 

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Die Kernausbildung der Piloten vor 1942 dauerte gemäß dieser Darstellung 13 Monate, wobei die fliegerische Schulung erst etwa nach sechs Monaten begann. Piloten-Training der Luftwaffe Die Stillegung eines Teiles der Kampfverbände und die Überführung des fliegenden Personals zur Jagdwaffe - wie sie von Hajo Herrmann bereits 1942 vorgeschlagen wurde - hätte jedenfalls eine erhebliche Entlastung gebracht.

Ich stelle auch nicht die Behauptung auf, dass die Bereitstellung von ausreichend gut geschulten Piloten ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Mir geht es nur um die Feststellung, dass das im Laufe des Jahres 1942 stattgefundene Umdenken Milchs und anderer in Richtung Jägerrüstung unter den gegebenen Umständen jedenfalls die rationalste Strategie war und den Hintergrund für die Abwürgung der Me 264 und anderer Projekte darstellt. Für fragwürdig halte ich die verbreitete Sitte, einen Mann wie Milch, der in Lufthansa und Luftwaffe doch beachtliche Organisationserfolge vorweisen kann, ex post als realitätsfremd, unfähig oder von zweifelhaften Motiven (Boog) getrieben darzustellen.

Rainer
1942 war man schon auf dem Weg in den Teufelskreis, als die Konsequenzen der Deutschen Kriegserklärung an die USA sichtbar werden. Ab Juli 1942 änderten sich die Kräfteverhältnisse im Westen immer schneller. Milch sah es zwar und reagierte mit der für Deutschland verbliebenen Möglichkeit einer Optimierung, die jedoch auf Widerstände in der Führung und in der Wirtschaft stießen. Er übersah jedoch, was noch wichtiger war, dass sich die so generierte Quantität nicht mehr in eine entsprechende Kampfkraft verwandeln lies. Seine unbestrittene organisatorische Leistung trug leider auch so zur Verlängerung des Krieges bei. Als ein glühender Verfechter des Nationalsozialismus wollte er das nicht sehen.
Die mangelhaften Ergebnisse der Me 264 in der Erprobungsphase ließen ja keinen Serienbau zu, egal was ein Herr Milch über die Maschine und ihre Möglichkeiten dachte. Auch die gerade angelaufene Produktion der nicht Serienreifen He 177 endete Vorzeitig.
 
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HoHun

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Moin!

Sie sehe da, wie auch die damaligen Fachabteilungen, erhebliche Probleme. Was, wenn der Platz zu kurz ist und keine Starthilfsraketen vorhanden sind? Da bleiben die Kisten stehen?
Das ist ja keine Frage nur für die Me 264, sondern für den Fernbomber allgemein. Keiner von denen ist ein Kurzstarter, auch die Ju 390 nicht. Also ist das keine Typenkritik, sondern grundsätzliche Kritik am Einsatzprinzip ... vielleicht durchaus berechtigt, aber das kann man nicht auf Messerschmitt projizieren.

Leistungsdaten Ju 290 B und Ju 390 habe ich, auch Ju 290 bzw. Ju 390 mit 4 bzw. 6 x Jumo 222 E/F Höhenmotoren (Volldruckhöhe um die 10 km). Ich vermute, dass die 264 dagegen nicht besonders gut aussieht. Muss ich mal raussuchen, wenn ich Muse habe.
Naja, ein neues Flugzeug für einen noch nicht verfügbaren Motor zu entwickeln erhöht das Entwicklungsrisiko erheblich. Der Jumo 222 ist ja nie fertig geworden, also wäre auch der Junkers-Amerikabomber nie fertig geworden. Darüber hinaus hätte ja auch Messerschmitt den Jumo 222 einsetzen können.

Oder den BMW 801TJ mit Turbolader ... dann wäre auch die Höhenleistung vergleichbar gewesen. Der BMW-Motor ist ja im ein paar Junkers-Mustern sogar noch zum Einsatz gekommen, glaube ich.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Von der Kapazitätsfrage und der Gefährdung der Startbahnen abgesehen, fehlte es ab Mai 1943 - der Niederlage der U-Boote im Atlantik - schlicht an Einsatzmöglichkeiten für das Muster. Als Fernaufklärer mit Angriffsmöglichkeit gegen Zerstörerbedeckung von Geleitzügen konnte ein solches Flugzeug auch in geringer Zahl wirksam sein - jeder andere Einsatz im Westen wäre von geringer Wirkung gewesen und hätte zu sofortiger Vernichtung der eingesetzten Kräfte geführt. Dass Hitler die 264 1943 wieder ins Programm schob, kann man nur mit der gleichen Irrationalität erklären, die auch zur V-Waffen Produktion geführt hat.

Rainer
 
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in der er auf die erste Fernbomber-Ausschreibung von 1940 zurückblickt:
Nie gehört oder ein Wort von einer solchen Fernbomberausschreibung gelesen. Gibts dafür irgendeinen dokumentarischen Nachweis?
Die Entwicklung der 264 begann übrigens als P 1061 bereits Ende 1937. Und die erste Fernbomber-Ausschreibung war von 1937 als "Bomber A", aus der die He 177 als Sieger hervorging.
Und was ist die Quelle für die von dir erwähnte Chronologie? Tut mir leid, aber das haut vorn und hinten nicht hin.

Das ist ja keine Frage nur für die Me 264, sondern für den Fernbomber allgemein. Keiner von denen ist ein Kurzstarter, auch die Ju 390 nicht. Also ist das keine Typenkritik, sondern grundsätzliche Kritik am Einsatzprinzip ..
Offensichtlich doch, denn es wird in beiden von mir zitierten Dokumenten explizit nur bei der Me 264 erwähnt und nicht bei den Konkurrenten und bei keinem anderen Flugzeug überhaupt. Und wenn Rechlin die Maschine für unbrauchbar hält, dann war das so.

Der Jumo 222 ist ja nie fertig geworden, also wäre auch der Junkers-Amerikabomber nie fertig geworden.
Der ganze Thread dreht sich doch um Projekte und Flugzeuge, die nie fertig geworden sind? Also passt doch, oder?
 
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