Darum wurden Me 261 und 264 nicht gebaut!

Diskutiere Darum wurden Me 261 und 264 nicht gebaut! im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Nunja, eben die erwähnte Schrift des Chefs des Luftwaffenplanungsamtes, von Gablenz, aus 1942, die von Dan Sharp in seinem bemerkenswert...
t7710

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Nie gehört oder ein Wort von einer solchen Fernbomberausschreibung gelesen. Gibts dafür irgendeinen dokumentarischen Nachweis?
Die Entwicklung der 264 begann übrigens als P 1061 bereits Ende 1937. Und die erste Fernbomber-Ausschreibung war von 1937 als "Bomber A", aus der die He 177 als Sieger hervorging.
Und was ist die Quelle für die von dir erwähnte Chronologie? Tut mir leid, aber das haut vorn und hinten nicht hin.
Nunja, eben die erwähnte Schrift des Chefs des Luftwaffenplanungsamtes, von Gablenz, aus 1942, die von Dan Sharp in seinem bemerkenswert informativen Büchlein "Secret Bombers of the Third Reich" ausführlich zitiert wird. Und warum sollte das nicht hinhauen? Ist zu erwarten, dass Junkers, Heinkel, Focke-Wulf und Messerschmitt dem RLM mehr oder weniger zeitgleich Entwürfe für schwere Bonber vorlegen - ohne Ausschreibung?

Rainer
 

Sens

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Der Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium und Generalinspektor Erhard Milch berief Gablenz im November 1941 zum Chef des Luftwaffenplanungsamtes. Wie Milch über Fernbomber dachte, das wusste Gablenz.
Die Leseprobe verweist nur auf Einsatzmuster für den Einsatz gegen die Konvois.

Lesenswerter ist folgender Link. Die Hersteller hatten nur ihre Entwicklungsmöglichkeiten für die Nachkriegszeit im Sinn, was ja Kriegsverkürzend war. An eine totale Niederlage wollte dort kein verantwortlicher Mensch denken. Dabei halfen dann auch die Wünsche des Führers, "Amerikabomber", wie irreal sie auch waren.
 
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Junkers-Peter

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@t7710
Also kein Hinweis auf Originaldokumente bezüglich der Ausschreibung. Dachte ich mir.

Ich halte das für kompletten Unfug mit den Ausschreibungen und dem ganzen genannten Werdegang. Das müsste sich ja in irgendwelchen Dokumenten niedergeschlagen haben, sei es von Messerschmitt, Junkers oder dem RLM. Mir ist da noch nichts untergekommen. Und auch in bei Ebert/Kaiser/Peters: Willy Messerschmitt - Pionier der Luftfahrt und des Leichtbaues findet sich im Abschnitt über die Me 264 nichts dergleichen. Die Autoren hatten Zugriff auf das Messerschmitt-Archiv und sind in der Werksgeschichte sehr gut informiert.

Auch bei Junkers nichts. Es gibt die sogenannten Lebenslaufakten aus dem Junkers-Entwurfsbüro zur Ju 390, von 19.02.42 bis 24.06.44 mit 66 Einzelakten, darin der Werdegang der 390 aus entwurfstechnischer Sicht. Darin kein Hinweis auf eine Ausschreibung oder sonstige in deiner Chronologie gemachten Angaben.

Ebenso Fehlanzeige bei den GL-Besprechungen, die mir ab Früjhahr 1942 vollständig vorliegen und die ich nach Flugzeugtypen und Themen indiziert habe.

Ich bin Anhänger von Originaldokumenten und weiß auch warum. Der englische Autor hat sich wahrscheinlich mangels Deutschkenntnissen und durch Übersetzungsfehler irgendwas zusammengereimt. Wäre absolut nichts neues. Die originale Denkschrift wäre sicher hilfreich.
 
t7710

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@t7710
Also kein Hinweis auf Originaldokumente bezüglich der Ausschreibung. Dachte ich mir.

Ich halte das für kompletten Unfug mit den Ausschreibungen und dem ganzen genannten Werdegang. Das müsste sich ja in irgendwelchen Dokumenten niedergeschlagen haben, sei es von Messerschmitt, Junkers oder dem RLM. Mir ist da noch nichts untergekommen. Und auch in bei Ebert/Kaiser/Peters: Willy Messerschmitt - Pionier der Luftfahrt und des Leichtbaues findet sich im Abschnitt über die Me 264 nichts dergleichen. Die Autoren hatten Zugriff auf das Messerschmitt-Archiv und sind in der Werksgeschichte sehr gut informiert.

Auch bei Junkers nichts. Es gibt die sogenannten Lebenslaufakten aus dem Junkers-Entwurfsbüro zur Ju 390, von 19.02.42 bis 24.06.44 mit 66 Einzelakten, darin der Werdegang der 390 aus entwurfstechnischer Sicht. Darin kein Hinweis auf eine Ausschreibung oder sonstige in deiner Chronologie gemachten Angaben.

Ebenso Fehlanzeige bei den GL-Besprechungen, die mir ab Früjhahr 1942 vollständig vorliegen und die ich nach Flugzeugtypen und Themen indiziert habe.

Ich bin Anhänger von Originaldokumenten und weiß auch warum. Der englische Autor hat sich wahrscheinlich mangels Deutschkenntnissen und durch Übersetzungsfehler irgendwas zusammengereimt. Wäre absolut nichts neues. Die originale Denkschrift wäre sicher hilfreich.
Du meinst, der Autor hat die Zitate erfunden? Oder das ganze Dokument? Er schreibt das in Anführungszeichen, so wie ich das hier wiedergegeben habe. Ich habe den mal angeschrieben, wo er das herhat. Wäre denn aus den "Lebenslaufakten" überhaupt ein Hinweis auf Ausschreibungen erwartbar? War das Praxis? Oder sind das rein technische Unrerlagen?

Rainer
 
HoHun

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Offensichtlich doch, denn es wird in beiden von mir zitierten Dokumenten explizit nur bei der Me 264 erwähnt und nicht bei den Konkurrenten und bei keinem anderen Flugzeug überhaupt.
Es steht bei den Konkurrenten aber keine Angabe, dass die Startstrecke kürzer sei als bei der Me 264, oder?

Der ganze Thread dreht sich doch um Projekte und Flugzeuge, die nie fertig geworden sind?
Da es ja um die Entscheidung geht, ob man ein Flugzeug fertigentwickeln und produzieren sollte, spielt die Frage, wie lang das dauern wird und wie groß die Chance auf einen Erfolg ist, schon eine Rolle. Und wenn Du ein Konkurrenzmuster zur Me 264 projektierst, für das der Motor erst entwickelt werden muß, während die Me 264 mit einem schon fertig entwickelten Motor auskommt, dann hat die Me 264 da auf jeden Fall einen Vorteil.

Und wie gesagt, es wäre bei Verfügbarkeit eines neu entwickelten Motors leicht möglich gewesen, diesen auch in die Me 264 einzubauen. Junkers hätte ja nicht entscheiden können, den Jumo 222 nur für Junkers-Flugzeuge zu produzieren und ihn Messerschmitt vorzubehalten, da die gesamte Rüstungsindustrie unter staatlicher Kontrolle stand und das RLM entschied, welcher Motor in welches Flugzeug ging.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
FREDO

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Du meinst, der Autor hat die Zitate erfunden? Oder das ganze Dokument? Er schreibt das in Anführungszeichen, so wie ich das hier wiedergegeben habe.
Seine "Zitierweise" ist auch fragwürdig, denn irgendwo in den Fußnoten zumindest, müßte es eine originalsprachliche Überlieferung mit Quellenangabe geben. Gibt es diese? Korrekte Sacharbeit sieht anders aus...
 
HoHun

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Anbei der gesamte Text zu den Fernkämpfern. Da kann sich jeder selbst ein Urteil bilden, wie die einzelnen Flugzeuge von GL-C E 2 eingeschätzt worden sind. E 2 war die für die Flugzeugentwicklung verantwortliche Abteilung im C-Amt des RLM.


Vielen Dank für das Originaldokument! Das ist ja nicht gerade ein systematischer Vergleich ... außer, das konsequent Äpfel mit Birnen verglichen werden ;-)

Was man aus den wenigen genannten Zahlen ablesen kann: Aus dem Verhältnis der Marschgeschwindigkeit zur Höchstgeschwindigkeit kann man die Reiseleistung in Prozent der Höchstleistung berechnen, und die beträgt bei der Me 264 25 %, bei der Ju 390 dagegen 33 %. Unter der Annahme, daß der Kraftstoffverbrauch proportional zur Flugstrecke und zur Motorleistung ist, hat die Ju 390 also den doppelten Kraftstoffverbrauch pro geflogenen Kilometer wie die Me 264.

Da die Ju 390 aber nur das anderthalbfache Startgewicht hat, muß sie für die gleiche Reichweite einen deutlich größeren Kraftstoffanteil aufweisen ... bei 75 t Abfluggwicht wären das 44 t, also gute 55 %. Da ihre Reichweite aber geringer ist, sind offensichtlich nur 38 t verfügbar ... also gute 50 %, immer noch ein höherer Wert als bei der B-29 (33 %) oder der Me 264 (44 %).

Das Abfluggewicht von 75 t und damit der hohe Treibstoffanteil von 50 % ist nach dem obigen Dokument aber nur für den Einsatz als "Erkunder" anwendbar - die Mitnahme einer Bombenlast ist also gar nicht eingeplant. Wenn man zum Gleichziehen mit der Me 264 aber erstmal 6 t mehr Treibstoff und dann auch noch 4 - 8 t Bomben mitnehmen will, dann muß man wahrscheinlich die Zelle verstärken und kommt auch nicht mehr mit 33 % Leistung im Marschflug aus, was dann wieder mehr Treibstoff erfordert ... die bekannte Gewichtsspirale dreht los.

Und natürlich sind auch die Startstrecken der Ju 390 als Fernstbomber mit 85 t und mehr nicht mehr so kurz wie mit den 75 t, die sie als Nicht-ganz-so-Fernst-Erkunder hat.

Umgekehrt werden auch die Startstrecken der Me 264 kürzer, wenn man auf die Bombenlast verzichtet und weniger Treibstoff mitnimmt, um die Reichweite an diejenige der 75-t-Ju 390 zu verringern.

Abgesehen davon: Die B-29 startet mit 16 km/h Gegenwind von einer Grasrollbahn mit kurzem Gras beim Höchststartgewicht von 140000 lbs mit einer Rollstrecke von 1800 m. Die Me 264 hat fast identische Leistungsparameter ... klar gibt's Flugplätze und Bedingungen, unter denen man noch längere Rollstrecken benötigt, aber die Frage ist doch, welche Plätze tatsächlich zur Verfügung stehen. "Kurzes Gras" ist ja noch nicht mal "Beton", das heißt ja nur, daß die Landewiese mal gemäht wurde. Gab's keine Rasenmäher bei der Luftwaffe, oder wollte der GL-C E 2 die Me 264 vielleicht doch nur schlecht aussehen lassen?

Rechlin mag ja generell gute Arbeit geleistet haben, aber an diesem Dokument kann ich das nicht unbedingt erkennen. Ein Urteil über die tatsächliche Qualität der projektierten Flugzeuge würde ich auf dieser dürftigen Grundlage eher nicht fällen wollen! :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
t7710

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Ich halte das für kompletten Unfug mit den Ausschreibungen und dem ganzen genannten Werdegang. Das müsste sich ja in irgendwelchen Dokumenten niedergeschlagen haben, sei es von Messerschmitt, Junkers oder dem RLM. Mir ist da noch nichts untergekommen. Und auch in bei Ebert/Kaiser/Peters: Willy Messerschmitt - Pionier der Luftfahrt und des Leichtbaues findet sich im Abschnitt über die Me 264 nichts dergleichen. Die Autoren hatten Zugriff auf das Messerschmitt-Archiv und sind in der Werksgeschichte sehr gut informiert.

Auch bei Junkers nichts. Es gibt die sogenannten Lebenslaufakten aus dem Junkers-Entwurfsbüro zur Ju 390, von 19.02.42 bis 24.06.44 mit 66 Einzelakten, darin der Werdegang der 390 aus entwurfstechnischer Sicht. Darin kein Hinweis auf eine Ausschreibung oder sonstige in deiner Chronologie gemachten Angaben.

Ebenso Fehlanzeige bei den GL-Besprechungen, die mir ab Früjhahr 1942 vollständig vorliegen und die ich nach Flugzeugtypen und Themen indiziert habe.

Ich bin Anhänger von Originaldokumenten und weiß auch warum. Der englische Autor hat sich wahrscheinlich mangels Deutschkenntnissen und durch Übersetzungsfehler irgendwas zusammengereimt. Wäre absolut nichts neues. Die originale Denkschrift wäre sicher hilfreich.
Der Autor hat sich bislang bei mir nicht gemeldet. Ich gehe bis auf Weiteres dennoch nicht davon aus, dass der Dan Sharp die von ihm gebrachten Zitate sich schlicht ausgedacht hat: Das wäre so abwegig dreist und würde irgendwann doch auffallen, da es in der angelsächsischen Welt eine erheblich Anzahl von Liebhabern und Experten für dieses Thema gibt. Er lebt auch ansonsten von recht ausführlichen Zitaten und ich denke für den populärwissenschaftlichen und low budget Zweck, den er verfolgt, hat er Fußnoten und Literaturverzeichnis schlicht wegrationalisiert. Möglicherweise unterscheiden sich auch Kindle und Printausgabe. Wie das von Gablenz Dokument zu BEWERTEN ist, ist dann eine andere Frage.

Rainer
 
HoHun

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Und beim Vergleich der beiden Muster gilt es ja nicht nur die Flächenbelastungen und die "nackten" Profile zu betrachten, sondern auch das jeweils verfügbare Klappensystem, welches ja gerade bei Start und Landung zum Zuge kommt und hier wesentlichen Einfluss auf die notwendigen Strecken nehmen kann.
Etwas späte Antwort, aber Du hast natürlich recht :-)

Die Unterschiede bei den Klappen sind allerdings ziemlich gering: Sowohl die Me 264 als auch die B-29 nutzen einfache Wölbklappen, die für den Start auf 25 Grad ausgeschlagen werden. Bei der Me 264 nehmen diese ca. 22 % der Flügeltiefe und 51 % der Spannweite, bei der B-29 vielleicht 25 % der Flügeltiefe und etwa 53 % der Spannweite ein.

Ich nehme an, daß keine "echten" Hochauftriebshilfen verwendet werden, weil das Limit beim Start nicht unbedingt nur der verfügbare Auftrieb ist, sondern auch der verfügbare Vortrieb. Über die B-29 habe ich mal gelesen, daß bei voller Leistung einerseits die Motoren sehr schnell heiß werden, daß aber andrerseits die Kühler-Spreizklappen sehr viel schädlichen Widerstand erzeugen. Die Pilot Operating Instructions vom 20.05.1945, ergänzt am 20.06.1945, enthalten auf der Checkliste für den Flight Engineer den Hinweis, daß mit 15 Grad geöffneten Kühler-Spreizklappen gestartet wird, im Moment des Abhebens die Spreizklappen auf 7,5 Grad zu schließen. Das ist meiner Meinung nach ein Zeichen dafür, daß man da nicht so viel Reserve in Bezug auf Temperatur und Überschußleistung hatte.

(Der BMW 801 mit seinem Lüfterrad konnte bei der Kühlung auf Spreizklappen verzichten. Der Antrieb des Lüfterrades brauchte natürlich auch etwas Leistung, aber ich glaube, unter dem Strich war das eine bessere Lösung.)

Mit Hochauftriebshilfen hätten beide Flugzeugtypen bei niedrigerer Geschwindigkeit abheben können, aber da der größere Auftrieb mit erhöhtem Widerstand erkauft würde, hätten sie nach dem Abheben dann langsamer (oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr) beschleunigt. Damit wären sie dann länger in dem Geschwindigkeitsbereich geblieben, in dem die Leistung zum Steigen nicht reicht, und in dem der Ausfall eines Motors die Fortführung des Fluges unmöglich macht. (Auch bei der B-29 war bei maximalen Abfluggewicht ein Motorausfall nicht unbedingt sicher kompensierbar, wenn man noch nicht genug Fahrt hatte.)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
HoHun

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Die Unterschiede bei den Klappen sind allerdings ziemlich gering: Sowohl die Me 264 als auch die B-29 nutzen einfache Wölbklappen, die für den Start auf 25 Grad ausgeschlagen werden. Bei der Me 264 nehmen diese ca. 22 % der Flügeltiefe und 51 % der Spannweite, bei der B-29 vielleicht 25 % der Flügeltiefe und etwa 53 % der Spannweite ein.
Da muß ich gleich eine Korrektur hinterherschicken: Bei der B-29 sind es in Wirklichkeit Fowlerklappen. Jetzt muß ich noch rausfinden, wie weit die bei der 25-Grad-Startstellung nach hinten rausfahren ... bei kleinen Ausschlägen wirken manche Fowlerklappen ja eher als Spreizklappen (auch wenn das vielleicht nicht der ursprünglichen Absicht des Erfinders entspricht).

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
Luftikus28

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Salut Henning,

vielen Dank für deinen fundierten Input! Das sind sicher valide Punkte die du anführst. Wenn die B-29 zu geringen Schubüberschuss hatte um die Vorteile des Klappensystems voll auszuschöpfen ist das natürlich nachteilig.
53% der Spannweite vs 51% ist tatsächlich auch kein extremer Unterschied, aber in Anbetracht der ebenfalls höheren Spannweite wird natürlich auch der Unterschied bei der tatsächlichen Klappenlänge größer.

Da muß ich gleich eine Korrektur hinterherschicken: Bei der B-29 sind es in Wirklichkeit Fowlerklappen. Jetzt muß ich noch rausfinden, wie weit die bei der 25-Grad-Startstellung nach hinten rausfahren ...
Die Fowlerklappe kann schon einen Unterschied machen. Selbst wenn sie nur wenig ausfährt, bewirkt sie ja selbst bei kleinen Winkeln nicht nur eine erhöhte Umlenkung, sondern auch noch eine Erhöhung der Flügeltiefe und damit eine Reduktion der Flächenbelastung. In dem Moment, wo sich dann auch noch der Spalt zur Hinterkante auftut (also tendenziell eher bei höheren Winkeln, das kommt ja auf die Bauausführung der Klappe an) hat sie tendenziell eine geringere Ablöseneigung als die reine Wölbklappe. Ist denn die Auftriebsverteilung über den Me 264 Flügel bekannt? Das kann ja bei der (hohen) Flächenbelastung auch noch ein Faktor sein, der für schlechteres Verhalten nahe der Stallgrenze sorgt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte der Me 264-Flügel eine höhere Zuspitzung als der von der B-29. Wenn ich mich recht entsinne, treibt das ja die Belastung im Außenbereich hoch und verschlechtert das Verhalten beim Strömungsabriss. Das macht eventuell für den Piloten einen größeren Abstand zur Stallgeschwindigkeit wünschenswert. Ist natürlich gut für die Reichweite, aber aktuell geht es ja um den Langsamflug. Kann also in diesem Vergleich eventuell ein zusätzlicher Faktor zuungunsten der Me 264 sein.

Abgesehen davon: Die B-29 startet mit 16 km/h Gegenwind von einer Grasrollbahn mit kurzem Gras beim Höchststartgewicht von 140000 lbs mit einer Rollstrecke von 1800 m. Die Me 264 hat fast identische Leistungsparameter ... klar gibt's Flugplätze und Bedingungen, unter denen man noch längere Rollstrecken benötigt, aber die Frage ist doch, welche Plätze tatsächlich zur Verfügung stehen. "Kurzes Gras" ist ja noch nicht mal "Beton", das heißt ja nur, daß die Landewiese mal gemäht wurde. Gab's keine Rasenmäher bei der Luftwaffe, oder wollte der GL-C E 2 die Me 264 vielleicht doch nur schlecht aussehen lassen?
Das mag für eine B-29 im allgemeinen gelten, aber so ganz aus Spaß haben die Amerikaner North Field auf Tinian dann sicher doch nicht auf 8000 ft (wenn ich mich nicht täusche rund 2,4 km) befestigte Runway-Länge ausgebaut. Man kann ja den Flugplatz nicht auf 16 km/h Gegenwind auslegen ;)
 
Junkers-Peter

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Das Thema läßt dir aber keine Ruhe. :biggrin:

Da die Ju 390 aber nur das anderthalbfache Startgewicht hat, muß sie für die gleiche Reichweite einen deutlich größeren Kraftstoffanteil aufweisen ... bei 75 t Abfluggwicht wären das 44 t, also gute 55 %. Da ihre Reichweite aber geringer ist, sind offensichtlich nur 38 t verfügbar ... also gute 50 %, immer noch ein höherer Wert als bei der B-29 (33 %) oder der Me 264 (44 %).

Das Abfluggewicht von 75 t und damit der hohe Treibstoffanteil von 50 % ist nach dem obigen Dokument aber nur für den Einsatz als "Erkunder" anwendbar - die Mitnahme einer Bombenlast ist also gar nicht eingeplant.
Also deine Rechnerei haut irgendwie nicht hin. Ich habe hier einige Leistungsrechnungen aus dem Junkers-Entwurfsbüro, Gruppe 290/390 (Leiter Martin Schrecker*) zur Ju 390. Da war definitiv eine Bombenlast eingeplant. Ein Beispiel (Ju 390 mit 6 x BMW 801 E mit rd. 2000 PS):
Rüstgewicht 39600 kg
Betriebsstoffe 30080 kg
Munition 2620 kg
Bomben 1930 kg
Startgewicht 75500 kg
größte Reichweite als Bomber 9250 km mit obiger Last
größte Reichweite als Erkunder ohne Last 9700 km
Bombenlast bis 12 t möglich bei gleichzeitiger Verringerung der Reichweite auf rd. 6000 km
Rollstrecke 1150 m, Startstrecke 1600 m (Das ist die Strecke bis zu einer gewissen Sicherheitshöhe, Wert habe ich momentan nicht parat.)
(Quelle: Kobü-Ew/Schr./Fr. Ju 290/390 Nr. 360 vom 23.05.44, Ju 290/390 Erkunder und FK-Träger in Weiterentwickung Schwerer Bomber)

Interessant ist auch die Ju 290 mit 4 x Jumo 222 E/F, die mit 70 t Startgewicht fast in diese Regionen vorstößt, Dienstgipfelhöhe um die 12 km.

Ich werde einige Tabellen und Diagramme vielleicht mal reinstellen, dann aber in einem eigenen Thema und nicht unter dem Thread-Titel der beiden Messerschmitt-Gurken. Dafür wären sie zu schade.

*) Martin Schrecker war bei Junkers später für die Weiterentwicklung der Ju 290/390 zuständig, nach dem Krieg zunächst in Dessau (Ju 287, EF 131), dann in Rußland, dann DDR-Flugzeugbau (Baade 152), 1955 Flucht in den Westen, danach Lehrstuhl für Luftfahrt der TH Aachen, 1958-66 Weserflug (C-160, VW 614), danach Hamburger Flugzeugbau, Entwurfsleiter, ab 1969 Chefkonstrukteur (HFB 320, Airbus A 300)
 
HoHun

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Moin Peter,

Also deine Rechnerei haut irgendwie nicht hin. Ich habe hier einige Leistungsrechnungen aus dem Junkers-Entwurfsbüro, Gruppe 290/390 (Leiter Martin Schrecker*) zur Ju 390. Da war definitiv eine Bombenlast eingeplant.
Das war ja nur eine Prüfung der inneren Logik des von Dir oben zitierten Originaldokumentes ... ich würde aufgrund meiner Rechenergebnisse tatsächlich vermuten, daß nicht alle dort angegebenen Werte realistisch sind.

Als Zusammenfassung:

  • Ju 290 Fernaufklärer, BMW 801D, 41 t, 6600 km
  • Ju 290 Erkunder, BMW 801E, 49 t, 7500 km (6600 km mit 2100 kg Bomben)
  • Ju 390 Erkunder, BMW 801E, 75 t, 9900 km
  • Me 264, BMW 801D, 50 t, 11500 km

Im Dokument ist die Rolle der Me 264 und die Bombenlast nicht angegeben, aber die Me 264 mit 4 x DB 603 sollte nach einer in bei Robert Forsyth wiedergegebenen Übersicht 11300 km mit 8400 kg Bombenlast schaffen, und ich gehe davon aus, daß die Variante mit BMW 801D da ähnlich lag.

Das meine ich mit Äpfeln und Birnen ... das Dokument wirft da munter alles durcheinander. Was ist der Unterschied zwischen einem Aufklärer und einem Erkunder? Ich würde sagen, der Aufklärer ist unbewaffnet, und der Erkunder kann eine kleine Bombenlast mitnehmen, wenn er auf Reichweite verzichtet. Wenn also die Ju 390 als Erkunder aufgeführt ist, würde ich erwarten, daß wie zuvor beim Ju-290-Erkunder folgend eine Reichweitenangabe ohne Angabe der Bombenlast für den Flug ganz ohne Abwurfwaffen gilt.

Bei der Me 264 wird weder die Rolle noch die Bombenlast angegeben, nur eine Reichweite. Da ich davon ausgehe, daß die Maschine ein Fernbomber ist und in den 50 t Startgewicht eine erhebliche Bombenlast enthalten ist, halte ich die Gegenüberstellung für irreführend und würde vom Standpunkt des Historikers aus hier mit Quellenkritik ansetzen.

Jeder hinkende Vergleich und jede Auslassung geht zuungunsten der Me 264. Ich wäre nicht mal überrascht, wenn die Startstrecke für die V-1 mit Jumo 211 gälte.

Ein Beispiel (Ju 390 mit 6 x BMW 801 E mit rd. 2000 PS):
Rüstgewicht 39600 kg
Betriebsstoffe 30080 kg
Munition 2620 kg
Bomben 1930 kg
Startgewicht 75500 kg
größte Reichweite als Bomber 9250 km mit obiger Last
größte Reichweite als Erkunder ohne Last 9700 km
Bombenlast bis 12 t möglich bei gleichzeitiger Verringerung der Reichweite auf rd. 6000 km
Rollstrecke 1150 m, Startstrecke 1600 m (Das ist die Strecke bis zu einer gewissen Sicherheitshöhe, Wert habe ich momentan nicht parat.)
(Quelle: Kobü-Ew/Schr./Fr. Ju 290/390 Nr. 360 vom 23.05.44, Ju 290/390 Erkunder und FK-Träger in Weiterentwickung Schwerer Bomber)
Guck mal, da sind es 9700 km ja als "Erkunder ohne Last" ... das entspricht doch genau meiner obigen Lesart des ersten Dokumentes.

Das entspricht dann der Me 264 mit 41600 kg Startgewicht ... und wenn die auch den guten BMW 801E benutzen darf, dann würde ich gern mal die Bedingungen für die angegebene Startrollstrecke für die Junkers-Berechnung wissen, und dann kämen wir einem aussagekräftigen Vergleich schon näher.

Interessant ist auch die Ju 290 mit 4 x Jumo 222 E/F, die mit 70 t Startgewicht fast in diese Regionen vorstößt, Dienstgipfelhöhe um die 12 km.
Den Jumo 222 kann man auch für die Me 264 verwenden :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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53% der Spannweite vs 51% ist tatsächlich auch kein extremer Unterschied, aber in Anbetracht der ebenfalls höheren Spannweite wird natürlich auch der Unterschied bei der tatsächlichen Klappenlänge größer.
Was sich aber durch das höhere Gewicht der B-29 wieder relativiert. Die Me 264 hat sogar eine geringfügig höhere Streckung, was ebenfalls zu ihren Gunsten wirkt :-)

Die Fowlerklappe kann schon einen Unterschied machen. Selbst wenn sie nur wenig ausfährt, bewirkt sie ja selbst bei kleinen Winkeln nicht nur eine erhöhte Umlenkung, sondern auch noch eine Erhöhung der Flügeltiefe und damit eine Reduktion der Flächenbelastung.
Die Bauausführung der "Fowler"-Klappe bei der P-38 ist so, daß sie erst als Spreizklappe ausfährt, bevor sie anfängt, nach hinten zu wandern. Wo man eine genaue Darstellung der Kinematik der B-29-Klappen herkriegt, weiß ich im Moment nicht ... die "Fifi", die aus Gründen der Materialschonung mit sehr niedrigen Gewichten fliegt, ist zwar gelegentlich ganz gut fotografiert, aber man sieht dann selten, ob sie gerade startet oder landet, und wie weit die Landeklappen in Bezug auf den 25-Grad-Startwinkel gerade ausgefahren sind.

Sie sind meistens schon ein wenig nach hinten gefahren, aber ob der Spalt schon offen ist, konnte ich nicht erkennen. Die Spaltklappe ist ja eher ungünstiger als die Wölbklappe, wenn es um den Widerstand geht, also kommt's da schon aufs Detail an.

Ist denn die Auftriebsverteilung über den Me 264 Flügel bekannt?
Sie hat eine geometrische Schränkung kombiniert mit einer gegenläufigen aerodynamischen Schränkung, was im Endeffekt dem Strömungsabriß an den Flügelspitzen entgegenwirkt. Bei ausgefahrenen Landeklappen wird aber bei beiden Typen die Strömung ohnehin am Innenflügel zuerst abreißen, würde ich erwarten.

Viele deutsche Typen senken ja die Querruder gleichsinnig mit den Landeklappen ab, um den Auftrieb am ganzen Flügel zu erhöhen, aber das sonst sehr detaillierte Zustandsblatt für die V-1 weist das nicht aus, so daß ich denke, daß es bei der Me 264 wohl nicht zur Anwendung kam.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte der Me 264-Flügel eine höhere Zuspitzung als der von der B-29. Wenn ich mich recht entsinne, treibt das ja die Belastung im Außenbereich hoch und verschlechtert das Verhalten beim Strömungsabriss.
Hm, das ist schon sehr subtil. Dafür arbeitet der Außenflügel der Me 264 bei etwas höheren Reynolds-Zahlen, was wieder günstiger ist. Das kann im Endeffekt in jede Richtung ausgehen, da kann man qualitativ schlecht argumentieren.

Das mag für eine B-29 im allgemeinen gelten, aber so ganz aus Spaß haben die Amerikaner North Field auf Tinian dann sicher doch nicht auf 8000 ft (wenn ich mich nicht täusche rund 2,4 km) befestigte Runway-Länge ausgebaut. Man kann ja den Flugplatz nicht auf 16 km/h Gegenwind auslegen ;)
Ich habe nur eine Statistik für Tinian West Field (heute Tinian International Airport) gefunden: Windfinder.com - Wind and weather statistic Flughafen Tinian ... da hast Du die meisten Zeit des Jahres schon > 50 % Chance für > 13 km/h Gegenwind.

Aber natürlich ist der Bau von ausreichend langen Landebahnen eine Maßnahme, den Sicherheitsfaktor im Einsatzbetrieb zu erhöhen.

Ich würde erwarten, daß die Wetterbedingungen trotzdem in die Missionsplanung eingeflossen sind und bei zu geringem Gegenwind die Bombenzuladung reduziert wurde, selbst wenn die verfügbare Startbahnlänge im Normalfall gereicht haben würde. Eine Luftwaffe ist eben in gewissen Maße vom Wetter abhängig, besonders wenn sie an der Grenze des (damals) technisch möglichen operiert. Wenn man unter schlechten Bedingungen noch Reserven hat, dann hat man unter normalen Bedingungen etwas verschenkt.

Ganz so zuverlässig wie auf Tinian sind die Winde in Europa vielleicht nicht, aber da die Me 264 wahrscheinlich von Flugplätzen an der Atlantikküste gestartet wäre, hätte sie sicher meistens eine spürbare Gegenwindkomponente gehabt. Die Startbahnen von Flugplätzen sind ja normalerweise unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windrichtung gebaut und damit in gewisser Weise auf Gegenwind ausgelegt.

Mir ging's aber vor allem darum, zu demonstrieren, daß die im von Peter zitierten Dokument angegebene Startstrecke auf einem "Worst-Case"-Szenario beruht ... realistischerweise würde man eine Sicherheitsmarge gewährleisten, indem man z. B. die Bombenzuladung verringert oder im Extremfall sogar die Mission absagt. Wenn Nebel ist, kann auch keiner starten ... metereologische Bedingungen haben eben einen Einfluß auf den Flugbetrieb ...

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Moin!

Interessant ist jetzt die Chronologie der Ereignisse: Das RLM macht 1940 eine Fernbomber-Ausschreibung für 15.000 Kilometer Reichweite.
Mir liegt Robert Forsyths "Messerschmitt Me 264 Amerika Bomber" in der X-Planes-Reihe (Nr. 2) vor.

Seine Chronologie der Fernbomberentwicklung kurz zusammengefaßt:

  • ca. 1934: "Ural-Bomber"-Ausschreibung von Wever
  • ca. 1936: Wimmer gibt mit Wevers Zustimmung eine völlig überarbeitete Spezifikation heraus und verlangt neue Entwürfe
  • 1937: Der "Ural-Bomber" wird eingestellt.
  • 1937: Milch gibt eine neue Spezifikation für einen Bomber heraus, der New York mit 5 t Bomben angreifen können soll (Amerika-Bomber).
  • 1939: Das RLM fordert von Junkers, Focke-Wulf und Messerschmitt Entwürfe für einen viermotorigen Amerika-Bomber an.
  • 1940: Messerschmitt erhält einen Entwicklungsauftrag und einen Auftrag über den Bau von drei Prototypen.

Zu seinen Quellen schreibt er:

"By far, the mass of information was drawn from the original records of Messerschmitt A.G., either in private collections or held on microfilm within the Imperial War Museum in Kondon, as well as from documents held at the UK National Archives at Kew and other archives in the UK, Germany and the USA."

(D. h. er hat sich im wesentlichen auf in Archiven erhaltene Originaldokumente gestützt.)

Da das "X-Planes"-Buch so etwas wie die Kurzfassung seines älteren Buches "Me 264 Amerika Bomber - The Luftwaffe's Lost Transatlantik Bomber" (2006) ist, nehme ich an, daß genauere Quellenangaben dort zu finden sein könnten.

Für uns vielleicht ganz interessant: In seiner Bibliographie verweist er auf eine Artikelserie von Manfred Griehl in "Flugzeug" 2/1996 bis 4/1996 sowie auf dessen Buch "Luftwaffe over America".

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
Junkers-Peter

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Den Jumo 222 kann man auch für die Me 264 verwenden :-)
So einfach wahrscheinlich nicht. Das Triebwerk mit Jumo 222 E/F mit mehrstufigem Lader und Ladeluftkühler war erheblich schwerer als das mit dem BMW 801 E. Im übrigen war der 801 E mehr oder weniger nur ein auf verbesserte Serienfertigung optimierter 801 D.
Mit der alten Fläche der 264 wäre die Flächenbelastung mit 222 noch höher geworden, abgesehen von Festigkeitsfragen. Die 290 mit 222 hatte eine neue Fläche mit 220 m² statt 203 m². Ich denke, da hätte die 264 auch eine neue, vergrößerte und vor allem verstärkte Fläche benötigt. Wie war das gleich mit der Gewichtsspirale? Im übrigen habe ich bisher kein konkretes Projekt oder Leistungsdaten der 264 mit 222 gefunden.

Rechlin spricht ja auch die "viel zu geringe Bewaffnung" der 264 an. Hier mal ein kurzer Vergleich:
Ju 390 A:
Bugstand mit Vierlingslafette HL 131 V
2 B-Stände mit HD 151 Z (Zwilling)
C-Stand mit FDL 151 Z
Heckstand mit HL 151 Z
2 Seitenstände mit MG 151
Gesamtgewicht der Waffenanlage rund 2,2 t mit 2,6 t Munition

Me 264 A:
Bugstand mit 1 handbedientem MG 131 :smile1:
1 B-Stand mit 1 MG 131 und 1 B-Stand mit 1 MG 151
C-Stand mit handbedientem MG 151
2 Seitenstände mit MG 131
kein Heckstand :smile1:
Angaben zu Gewicht und Munition habe ich nicht finden können.
Immer wieder erstaunlich, wie man auch mit einer solch lächerlich geringen Bewaffnung ein Projekt durchbekommen konnte, abgesehen von den ganzen anderen Schwächen der Konstruktion.

Die Griehlsche Serie über die 264 habe ich mal rausgekramt. Ist es eigentlich nicht wert, weiter drüber zu reden. Er kann auf Fotos anscheinend nicht mal zwischen Jumo 211 und BMW 801 unterscheiden. Einen Satz habe ich mir mal herausgeschrieben "Im Oktober 1943 warnte auch Prof. Ernst Heinkel vor dem Bau der Me 264, welches er als reines Rekordflugzeug ansah." Das deckt sich mit der im RLM kolportierten Bezeichnung der 264 als "Operettenbomber." Siehe auch oben der Bewaffnungsvergleich.

Man sollte bei den ganzen Vergleichen aber im Hinterkopf haben, dass die 290/390 nicht als Bomber/Fernaufklärer konzipiert worden sind, sondern als Transporter. In diese Rolle (Bomber) sind sie nur durch die Zwänge des Krieges geraten. Wenn Junkers einen Fernbomber konstruiert hätte, hätte der anders ausgesehen, vor allem kleiner und schlanker, eher so wie die Ju 488 oder eine vergrößerte Ju 288. So schleppt die 290/390 als Bomber sehr viel Fett mit sich herum, das eigentlich in dieser Rolle gar nicht nötig gewesen wäre.

Leute wie Griehl oder gar Forsyth sollte man im übrigen möglichst ignorieren. Großserienproduzenten von Büchern über die Luftwaffe: Heute der Amerika-Bomber, morgen die Ar 234, übermorgen die Ju 52. Ich habe hier das Buch von Forsyth über die Ju 52 (Classic Nr. 26), und das ist eine reine Katastrophe - jedenfalls was die werkseitigen Sachen, Konstruktion, Erprobung, Serienbau angeht. Vieles hingeschludert sowie schlampig oder gar nicht recherchiert. Nicht zu reden von den ganzen putzigen Fehlern, wenn Engländer versuchen, deutsche Wörter fehlerfrei in englische Bücher zu transportieren. Meist sind sie damit schon überfordert oder einfach zu ignorant.
 
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Habe in Flugzeug Classic 4/2010 einen Artikel von Wolfgang Mühlbauer zur Me 264 gefunden: "Langstreckenwunder ohne Chance" Darin sind besonders schöne und scharfe Werksfotos der 264 aus dem Messerschmitt-Archiv abgedruckt, die man vorher noch nicht gesehen hat. Mühlbauer ist mir als akribischer Rechercheur und Verfasser qualitätsvoller Artikel bekannt. Er hat auch Zugang zum Messerschmitt-Archiv und den Flugberichten der 264, teilweise genannt in der Quellenanangabe.

Dort berichtet er recht emotionslos über die Entwicklung der Maschine. Einige Auszüge:
"Nun sah Messerschmitt die ernsthafte Möglichkeit, seinen Traum vom idealen Flugzeug zu verwirklichen. Genau dieses Denken machte die spätere Me 264 als Militärflugzeug zunächst unbrauchbar. Im Endeffekt glich sie in ihrer Erstausführung einer fantastisch konstruierten Rekordmaschine, aber keinem Kampfflugzeug - was auch einigen Mitarbeitern im Projektbüro bewußt war."

Zur Erprobung:
"Seiten- und Höhenleitwerk blieben eine ständige Problemquelle, denn offenbar hatte man sie zu gering dimensioniert. Mit ziemlicher Sicherheit blieben die Leitwerke für ständig auftretende Schwingungen verantwortlich, die sich auch durch wiederholtes Anbringen von Ausgleichsgewichten nicht beseitigen ließen."

Das Fahrwerk machte auch ständig Probleme und war zu schwach dimensioniert.
In dem Artikel ist eine interessante Werkszeichnung der Me 264 V2 und V3 zu sehen, die sie mit abwerfbarem Zusatzfahrwerk zeigt. Das war nochmals ein so großes Rad parallel zum normalen, das nach dem Start und vor dem Einziehen abgeworfen werden sollte. Anscheinend sollte die Serie auch mit diesen abwerfbaren Zusatzrädern ausgestattet werden. Alles keine Faktoren, die der Einsatzbereitschaft eines Flugzeuges förderlich sind. Bekanntlich machten solche abwerfbaren Sachen immer Probleme, abgesehen von der Logistik. Außerdem ist es für mich ein Zeugnis für falsches Konstruieren, wenn man seine Fehler durch solche Notlösungen kompensieren muss.
 
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So einfach wahrscheinlich nicht. Das Triebwerk mit Jumo 222 E/F mit mehrstufigem Lader und Ladeluftkühler war erheblich schwerer als das mit dem BMW 801 E. Im übrigen war der 801 E mehr oder weniger nur ein auf verbesserte Serienfertigung optimierter 801 D.
Focke-Wulf hat sogar eine Variante der Ta 152 mit Jumo 222 geplant, was als Beleg dafür dienen kann, daß es immer möglich war, eine für den BMW 801 ausgelegte Zelle zu verstärken. (Je größer die Zelle, um so geringer ist ja die Triebwerksmasse in Prozent, also wird's bei der Me 264 eher einfacher. Entsprechend der Baubeschreibung konnte bei der Ta 152 der bestehende Rumpf mit Verstärkungen im Bereich der Triebwerksanschlußpunkte verwendet werden.)

Mit der alten Fläche der 264 wäre die Flächenbelastung mit 222 noch höher geworden, abgesehen von Festigkeitsfragen. Die 290 mit 222 hatte eine neue Fläche mit 220 m² statt 203 m². Ich denke, da hätte die 264 auch eine neue, vergrößerte und vor allem verstärkte Fläche benötigt.
Die Tragfläche des Ju-390-Prototypen wurde von Lerche auch als "weich" bezeichnet, obwohl der Prototyp noch nicht annähernd die geplante Flugmasse von 75 t erreichen konnte. Das war ebenso wie die Me 264 ein Technologie-Demonstrator - natürlich muß man die noch ändern, wenn man ein Serienflugzeug für erhöhte Anforderungen baut.

In Bezug auf die Gewichtsspirale: Es kann durchaus sein, daß ein modernerer Motor wie der Jumo 222 durch seinen geringeren spezifischen Verbrauch bei einem Fernstbomber so viel Treibstoff spart, daß das Abfluggewicht mit den schwereren Triebwerken sogar nach niedriger wird. Leider kann ich gerade für den Jumo 222 E/F keine detaillierten Datenblätter finden, irgendwo hatte ich die mal ...

Immer wieder erstaunlich, wie man auch mit einer solch lächerlich geringen Bewaffnung ein Projekt durchbekommen konnte, abgesehen von den ganzen anderen Schwächen der Konstruktion.
Naja, dafür konnte die Ju 390 nicht mit einer Bombenlast nach Amerika fliegen und wieder zurück. Wenn Du wissen willst, wie ein Internkontinentalbomber aussieht, der sowohl eine schwere Bombenlast als auch eine schwere Abwehrbewaffnung trägt, dann mußt Du Dir die B-36 ansehen. Wenn Du einen Interkontinentalbomber mit der Technologie der frühen 1940er willst, mußt Du irgendwo Abstriche machen.

Man sollte bei den ganzen Vergleichen aber im Hinterkopf haben, dass die 290/390 nicht als Bomber/Fernaufklärer konzipiert worden sind, sondern als Transporter. In diese Rolle (Bomber) sind sie nur durch die Zwänge des Krieges geraten. Wenn Junkers einen Fernbomber konstruiert hätte, hätte der anders ausgesehen, vor allem kleiner und schlanker, eher so wie die Ju 488 oder eine vergrößerte Ju 288.
Oder eben wie eine B-29, d. h. wie eine Me 264! :-D

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Henning (HoHun)
 
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Die Me 264 konnte nicht mal auf dem Papier nach Amiland fliegen. Dazu reichte die Reichweite überhaupt nicht aus. Das Thema Amerika-Bomber war schon 1942 gegessen. Darüber hinaus wäre die 264 in der Weiterentwicklung unvermeidlich schwerer geworden zuungunsten der Treibstoffmenge, siehe zu schwaches Leitwerk, zu schwache Bewaffnung, zu schwaches Fahrwerk, so dass abwerfbare Zusatzräder nötig waren. Aber wahrscheinlich wäre sie ob ihrer schwächlichen Bewaffnung wahrscheinlich schon auf Höhe Madeira abgeschossen worden, oder die Maschine wäre mitten über dem Atlantik durch angefachte Leitwerksschwingungen auseinandergeflogen. Oder sie bricht einfach so auseinander. Das haben Messerschmitt-Konstruktionen seit Mitte der 20er Jahre sehr gern gemacht. Die 264 bietet da viele Möglichkeiten des Scheiterns. :biggrin:

Und wer weiß, was noch alles an weiteren Problemen aufgetreten wäre. Die 264 war ja Mitte 1944, rund 1 1/2 Jahre nach dem Erstflug, immer noch am Anfang der Erprobung. Außerdem war die Amerika-Sache ab Mitte 1942 eh Geschichte und wurde nicht mehr ernsthaft verfolgt. Es ging dann später um einen Fernbomber mit realistischerer Auslegung.

Einbau 222:
Es geht nicht um den Treibstoffverbrauch. Es geht um das Einbaugewicht. Da ist es ein Unterschied, ob ich das Triebwerk in einen relativ starren Einmotjäger einbaue oder in eine Tragfläche 15 Meter vom Rumpf entfernt. Und da macht es auch einen Unterschied, ob das Triebwerk 1,5 t wiegt oder 2,5 t (Biegekräfte). Gerade bei der zarten einholmigen Mtt-Fläche sehe ich da erhebliche Verstärkungen im Raum oder gar eine neue Fläche.

Die Ju 390 wurde von allen Stellen nach dem Nachfliegen durch RLM und Rechlin positiv beurteilt, so dass man auf weitere V-Muster und eine 0-Serie verzichten wollte. Nur ein Beispiel, 29.10.43 GL-Besprechung:


Und wenn ich ein schönes Interkontinentalflugzeug sehen will, dann schaue ich mir die EF 100 an. :TD: Die Ami-Konstruktionen kann ich mir leider nicht längerer Zeit antun, da allein diese komischen unproportionierten Seitenleitwerke bei mir Übelkeit verursachen.
 
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