...
ZEIT ONLINE: Polen will in einem ersten Schritt vier MiG-29 liefern, die
Slowakei spricht von 13.
Sauer: Hinzu kommt, dass die Kampfjets sich ja nicht frei bewegen können. Sowohl die Russen als auch die Ukrainer haben Flugabwehr. Das heißt, die S-300 oder die S-400, die 100 Kilometer weit in die Ukraine reinreichen können, machen es der ukrainischen Luftwaffe aktuell einfach schwer, Operationen in der Nähe der Grenze oder an der Front durchzuführen. In aller Regel müssen die Jets ziemlich tief fliegen und sehr achtsam sein, dass sie nicht in die Reichweite der russischen Flugabwehr geraten. Umgekehrt gilt das Gleiche. Denn die Ukraine hat ja zum Glück auch noch eine recht intakte Flugabwehr, weshalb man kaum Flugbewegung von russischer Seite ausübt über ukrainischem Territorium oder in dessen Nähe. Wir sehen ja, dass Marschflugkörper von russischen Bombern abgesetzt werden. Die Bomber selbst fliegen aber nie in den ukrainischen Luftraum hinein. Kurz gesagt: Keine der beiden Parteien hat die Lufthoheit. Deswegen wird die Rolle dieser Flugzeuge schon durch die Bedrohung durch die russischen Flugabwehrsysteme eine begrenzte sein.
ZEIT ONLINE: Allerdings bittet die Ukraine schon lange um Kampfjets. Wie nützlich sind sie dann letztlich im Verteidigungskampf gegen Russland?
Sauer: Ich sehe den Vorteil aktuell primär darin, dass sie die Marschflugkörper bekämpfen können, die in die Ukraine reinfliegen. Gelesen habe ich in Interviews mit ukrainischen Piloten außerdem auch, dass ukrainische MiG-Piloten in der Lage sind,
Russlands iranische Schahed-Drohnen abzuschießen. Das ist etwas überraschend, weil die Drohnen klein sind und außerdem ziemlich niedrig und langsam fliegen. Tatsächlich kann aber auch die MiG ziemlich langsam fliegen und damit trotzdem noch genug Auftrieb behalten. Deshalb ist es möglich, dass man mit der Bordkanone oder Luft-Luft-Raketen auf relative kurze Distanz tatsächlich mit der MiG auch eine Schahed-Drohne bekämpfen kann. Die primäre Rolle der Jets sehe ich also aktuell darin, dass die Ukraine noch mehr Systeme bekommt, mit denen sie die diese anfliegenden, die Zivilbevölkerung terrorisierenden Flugkörper bekämpfen kann. Was das Bekämpfen von Bodenzielen betrifft, so ist es inzwischen möglich, die MiG einzusetzen, um westliche Harm-Antiradarraketen zu verschießen, um damit die Flugabwehr der Russen zu unterdrücken. Das könnte natürlich im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive relevant werden.
...
ZEIT ONLINE: Was könnte denn noch geliefert werden? Die Ukraine bittet ja immer wieder um F-16-Kampfjets, Deutschland hat hochmoderne
Eurofighter …
Sauer: Das geht an die Grenzen meiner Expertise. Aber Leute, die sich in der Substanz wirklich auskennen und deren Einschätzungen mich vor dem Hintergrund meines Kenntnisstands überzeugen, argumentieren, dass Eurofighter nicht geeignet sind für den Kampf der Ukrainer, weil sie primär als Luftüberlegenheitsjäger konzipiert sind. .... Worüber nicht viel geredet wird, was mir aber am meisten einleuchten würde, wäre das Mehrzweckkampfflugzeug Gripen von Saab, das viele der Eigenschaften mitbringt, die der Ukraine am meisten nutzen würden. Es ist sehr robust, besonders einfach zu warten und hat unter anderem die Fähigkeit, auf kurzen und nicht mehr ganz intakten Start- und Landebahnen zu starten und zu landen. So was ist aktuell ziemlich wichtig.
....