bolleken96
Astronaut
Über Verständnis für unser Hobby und was in Kindertagen an dieser Freizeitbeschäftigung toll war und noch heute in einer Zeit, wo es alles rund um den Modellbau gibt, zu Melancholie anregt, habe ich bereits in einer früheren Episode geschrieben. Dieses Mal geht es um teilweise irrwitzige Episoden beim sogenannten Scale-Modeling.
Schon mit diesem neumodischen Begriff geht es los, Scale-Modeling, was soll das? Brauchen wir denn mit unserer doch wunderbaren Sprache aber wirklich für alles einen Anglizismus? Klingt denn jeder Begriff bedeutender, wenn er englisch angehaucht ist? Wird ein Ereignis daraus? (Hätte jetzt auch cool und Event schreiben können). Ein gelegentlicher Blick in das alte Reclam-Heftchen von Goethes Faust (dort geht es nicht um ein Körperteil) oder vergleichbarer Lektüre erlaubt festzustellen, dass die deutsche Sprache durchaus verborgene Schätze des Ausdrucks bereithält. Ich meine, wir erfinden ja auch nicht einen pseudo-englischen Begriff fürs Brötchen holen. Augenscheinlich eine sinnlose Debatte mit mir selbst, so was ist nicht nur bei der Jugend nicht mehr nice und hip, der Mensch möchte heute lieber ein Washing machen, etwas futuren, pre- and post-shaden, schrie-dee-printen (leckeres Gebäck aus Aachen?). So ist das eben, ich benutze diese Begriffe ja auch und ärgere mich dann noch beim Schreiben.
Vor nicht allzu langer Zeit stürmte ich noch zu jedem Erscheinungstermin einer Modellzeitung in den Zeitungsladen am Bahnhof um Modell Fan, Kit oder Jet & Prop zu kaufen. Artikel zu gebauten Modellen, Vorstellung von Neuheiten, das war toll. Mit dem Internetz und einer unendlichen Möglichkeit darin alle diese Informationen schneller und vielfältiger zu konsumieren erlosch das Interesse an solchen Zeitschriften. Das ist weitestgehend großartig, da ich mir dann sogar beim Toilettengang auf dem Mobiltelefon die korrekte Vernietung eines Rumpfsegments meines Lieblingsflugzeugs ansehen kann. Im Internetz findet man jedoch keine Wahrheiten, jedenfalls nicht direkt, sondern mit jedem Bild und jedem Artikel nur Hinweise auf einen neuen Hinweis, der wiederum zu einem Hinweis führt. Nach fünf Minuten des erleichternden Sitzens habe ich zu der gesuchten Vernietung 85 Varianten und denkbare Ausführungen gefunden. Dies sorgt bei mir für eine über das übliche Maß hinausgehende Maß an Verwirrung. Ich ärgere mich und schaue, um auf Nummer sicher zu gehen, nach meiner Rückkehr vom Ort der Stille in ein echtes Vintage-Objekt: ein Buch. In meinem Fall ist die bebilderte Variante gut geeignet. Und erfolgreich. So wie die Vernietung dort dargestellt ist, setze ich sie am Modell um. Schade nur, dass ich mich so schwertue, mit einem Niet-Rad, einem Riveter, etwas Anderes an meinem Modell hervorzurufen als hässliche Beschädigungen. Da hätte ich mir die Internetz-Recherche samt Toilettengang und anschließend altmodischer Betrachtungsweise auch gleich sparen können. Aber so ist das eben heute mit der Effektivität.
Dennoch lese ich natürlich immer wieder gerne die Vorstellung neuer Bausätze im Netz. Hier schreiben Experten mit ihrer Expertise für uns alle über die neuesten spritzgusstechnischen Errungenschaften. Auch über Kleinserienbausätze in Kunstharz gegossen wird geschrieben. Fantastisch, oftmals wird über eine Verbindung direkt auf ebenfalls erhältliche Zubehörteile verwiesen. Hervorragend, was heute alles geht. Da hätte ich als Kind nicht von geträumt: Feinste, hochdetaillierte und damit äußerst realistische Bauteile für Flugzeuge, die es in der Realität nicht mal gab und die am fertigen Modell sogar gar nicht mehr zu sehen sind. Bei so viel Genussmöglichkeit schleichen sich natürlich auch eklatante Fehler ein: Habe erst kürzlich ein nie geschriebenes Essay über einen 1:72 Zubehörsatz für deutsche Jagdflugzeuge des 2. Weltkriegs gelesen. Die dort in Harz gegossenen Schrauben waren keine mit metrischem Gewinde, sondern mit Whitworth Gewinde. Aber so ist das eben heute mit Recherche und dem Streben nach Perfektion.
Zurück zu einer Auflinie-Bausatzvorstellung. Hersteller Revelitalgawa hat eine Formneuheit (was einer Kooperation einer wieder aufgelegten alten Form entspricht) eines tollen Flugzeugs auf den Markt gebracht, hochdetailliert im Innenraum, dem Triebwerksbereich, dem Fahrwerk. Aber sie haben ein absolutes Nicht-Geh erneut verzapft, was den Bausatz nicht bau bar macht, ihn ruiniert: Die Meisterleistung ist in eine Schüttelbox (Schüttelkiste) verpackt, nicht in einem lebensrettenden Stülpkarton. Was ist das für ein Wort – Schüttelbox? Eine Kiste, die auf Anregung beginnt, sich zu schütteln? Werden dann die Gussäste deatomisiert? Ach so, man kann dann ein halbfertiges Modell nicht mehr in der Verpackung lagern. Das geht nicht. Mit diesem Verständnis will ich dann mit dem viel besseren Stülpkarton nur noch eins machen: mir diesen über den Kopf stülpen und Abgeschiedenheit finden. Ich bitte um Verzeihung, dass sich mir bei diesen Begriffen und Hintergründen die Fußnägel kreisrund aufrollen.
Doch dann setze ich mich an die Werkbank und arbeite einer schier unendlichen Zahl an begonnenen Projekten weiter und bin glücklich. Und wie soll ich sagen, der Aufenthalt in meinem Modellbereich führt mir Mathematik logisch vor Augen, denn es ist so, dass ich zu jedem fertigen Modell ungefähr fünf weitere neue Bausätze kaufe. Also entspricht das dem mathematischen Gesetz, wenn aus einer unendlichen Menge eine unendliche Menge entnommen wird, bleibt immer noch eine unendliche Menge.
In diesem Sinne hoffe ich, dass mein kleiner Artikel euch etwas Fun gemacht hat. Keep fighting bro!
Schon mit diesem neumodischen Begriff geht es los, Scale-Modeling, was soll das? Brauchen wir denn mit unserer doch wunderbaren Sprache aber wirklich für alles einen Anglizismus? Klingt denn jeder Begriff bedeutender, wenn er englisch angehaucht ist? Wird ein Ereignis daraus? (Hätte jetzt auch cool und Event schreiben können). Ein gelegentlicher Blick in das alte Reclam-Heftchen von Goethes Faust (dort geht es nicht um ein Körperteil) oder vergleichbarer Lektüre erlaubt festzustellen, dass die deutsche Sprache durchaus verborgene Schätze des Ausdrucks bereithält. Ich meine, wir erfinden ja auch nicht einen pseudo-englischen Begriff fürs Brötchen holen. Augenscheinlich eine sinnlose Debatte mit mir selbst, so was ist nicht nur bei der Jugend nicht mehr nice und hip, der Mensch möchte heute lieber ein Washing machen, etwas futuren, pre- and post-shaden, schrie-dee-printen (leckeres Gebäck aus Aachen?). So ist das eben, ich benutze diese Begriffe ja auch und ärgere mich dann noch beim Schreiben.
Vor nicht allzu langer Zeit stürmte ich noch zu jedem Erscheinungstermin einer Modellzeitung in den Zeitungsladen am Bahnhof um Modell Fan, Kit oder Jet & Prop zu kaufen. Artikel zu gebauten Modellen, Vorstellung von Neuheiten, das war toll. Mit dem Internetz und einer unendlichen Möglichkeit darin alle diese Informationen schneller und vielfältiger zu konsumieren erlosch das Interesse an solchen Zeitschriften. Das ist weitestgehend großartig, da ich mir dann sogar beim Toilettengang auf dem Mobiltelefon die korrekte Vernietung eines Rumpfsegments meines Lieblingsflugzeugs ansehen kann. Im Internetz findet man jedoch keine Wahrheiten, jedenfalls nicht direkt, sondern mit jedem Bild und jedem Artikel nur Hinweise auf einen neuen Hinweis, der wiederum zu einem Hinweis führt. Nach fünf Minuten des erleichternden Sitzens habe ich zu der gesuchten Vernietung 85 Varianten und denkbare Ausführungen gefunden. Dies sorgt bei mir für eine über das übliche Maß hinausgehende Maß an Verwirrung. Ich ärgere mich und schaue, um auf Nummer sicher zu gehen, nach meiner Rückkehr vom Ort der Stille in ein echtes Vintage-Objekt: ein Buch. In meinem Fall ist die bebilderte Variante gut geeignet. Und erfolgreich. So wie die Vernietung dort dargestellt ist, setze ich sie am Modell um. Schade nur, dass ich mich so schwertue, mit einem Niet-Rad, einem Riveter, etwas Anderes an meinem Modell hervorzurufen als hässliche Beschädigungen. Da hätte ich mir die Internetz-Recherche samt Toilettengang und anschließend altmodischer Betrachtungsweise auch gleich sparen können. Aber so ist das eben heute mit der Effektivität.
Dennoch lese ich natürlich immer wieder gerne die Vorstellung neuer Bausätze im Netz. Hier schreiben Experten mit ihrer Expertise für uns alle über die neuesten spritzgusstechnischen Errungenschaften. Auch über Kleinserienbausätze in Kunstharz gegossen wird geschrieben. Fantastisch, oftmals wird über eine Verbindung direkt auf ebenfalls erhältliche Zubehörteile verwiesen. Hervorragend, was heute alles geht. Da hätte ich als Kind nicht von geträumt: Feinste, hochdetaillierte und damit äußerst realistische Bauteile für Flugzeuge, die es in der Realität nicht mal gab und die am fertigen Modell sogar gar nicht mehr zu sehen sind. Bei so viel Genussmöglichkeit schleichen sich natürlich auch eklatante Fehler ein: Habe erst kürzlich ein nie geschriebenes Essay über einen 1:72 Zubehörsatz für deutsche Jagdflugzeuge des 2. Weltkriegs gelesen. Die dort in Harz gegossenen Schrauben waren keine mit metrischem Gewinde, sondern mit Whitworth Gewinde. Aber so ist das eben heute mit Recherche und dem Streben nach Perfektion.
Zurück zu einer Auflinie-Bausatzvorstellung. Hersteller Revelitalgawa hat eine Formneuheit (was einer Kooperation einer wieder aufgelegten alten Form entspricht) eines tollen Flugzeugs auf den Markt gebracht, hochdetailliert im Innenraum, dem Triebwerksbereich, dem Fahrwerk. Aber sie haben ein absolutes Nicht-Geh erneut verzapft, was den Bausatz nicht bau bar macht, ihn ruiniert: Die Meisterleistung ist in eine Schüttelbox (Schüttelkiste) verpackt, nicht in einem lebensrettenden Stülpkarton. Was ist das für ein Wort – Schüttelbox? Eine Kiste, die auf Anregung beginnt, sich zu schütteln? Werden dann die Gussäste deatomisiert? Ach so, man kann dann ein halbfertiges Modell nicht mehr in der Verpackung lagern. Das geht nicht. Mit diesem Verständnis will ich dann mit dem viel besseren Stülpkarton nur noch eins machen: mir diesen über den Kopf stülpen und Abgeschiedenheit finden. Ich bitte um Verzeihung, dass sich mir bei diesen Begriffen und Hintergründen die Fußnägel kreisrund aufrollen.
Doch dann setze ich mich an die Werkbank und arbeite einer schier unendlichen Zahl an begonnenen Projekten weiter und bin glücklich. Und wie soll ich sagen, der Aufenthalt in meinem Modellbereich führt mir Mathematik logisch vor Augen, denn es ist so, dass ich zu jedem fertigen Modell ungefähr fünf weitere neue Bausätze kaufe. Also entspricht das dem mathematischen Gesetz, wenn aus einer unendlichen Menge eine unendliche Menge entnommen wird, bleibt immer noch eine unendliche Menge.
In diesem Sinne hoffe ich, dass mein kleiner Artikel euch etwas Fun gemacht hat. Keep fighting bro!