Kann mir mal jemand erklären, was damit gemeint ist?
Danke
Die Frage ist doch die, was Hacha in Berlin eigentlich wollte. Zunächst mal klar:
- die Slowaken strebten nach Unabhängigkeit
- die Deutschen unterstützten das.
Aber, und ich benutze jetzt mal Links von Sens:
Der Freitag schreibt:
"Mit dem Einsatz von Polizeikräften und Militär am 9. März 1939 gab die Prager Zentralregierung ihre vorsichtige Haltung auf."
Heißt: erster Gewalteinsatz in der Sache von tschechischer Seite.
Die Süddeutsche schreibt:
"Am selben Tag startet der tschechoslowakische Staatspräsident Emil Hácha eine Initiative, die sein Land retten soll. Gemeinsam mit seinem Außenminister bittet er Hitler um ein Treffen - der willigt ein."
Also, was wollte Hacha in Berlin? Hitler um Unterstützung bitten? Welche Unterstüzung denn? Hacha befürchtete offensichtlich Unruhen, die mit deutscher Hilfe kleingehalten werden sollten. Und wie hätte das ohne deutschen Einmarsch gehen sollen? Hitler jedenfalls griff zu, als sich die Gelegenheit bot. Hacha blieb tschechischer Staatspräsident und Hitlers treuer Unterstützer, bis 1945, als man ihn festnahm und brutal ermordete.
Dann sage uns doch einfach mal: warum musste man am 01.09.1939 diesen Krieg beginnen ?
Den BPB-Text von Sens kann man gerne lesen, wenn man die sozusagen offizielle Darstellung der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs sich zu Gemüte führen will. Warum "man" den Krieg beginnen "musste" (natürlich musste man nicht, natürlich handelte es sich um einen Willkürakt) stelle ich hier mal verkürzt dar.
Der Spannungszustand, der in Europa nach Zerschlagung der Rest-Tschechei herrschte, hätte natürlich nicht notwendigerweise in einen Krieg führen müssen. Dass es heiß wurde, zeigte allerdings die britische Garantie für Polen (die man gab,
obwohl man nicht helfen konnte, der Tschechoslowakei hatte man keine gegeben,
weil man angeblich nicht helfen konnte), und die deutsche wie die polnische Mobilmachung. In dieser aufgeladenen Situation versuchte Polen, sich in Danzig breitzumachen, Stichwort "Zollinspektorenstreit". Danzig war eine Stadt, die unbedingt zurück zum Reich wollte und weit überwiegend nationalsozialistisch gewählt hatte. Hitler riet dem Danziger Senatspräsidenten, die Sache kühl zu behandeln. Da fingen polnische Zeitungen an, die Sache schon als diplomatischen Sieg anzusehen.
Nun war Hitlers Reputation bedroht. Hätte er jetzt nichts getan, hätte er die unterlegene Stellung Deutschlands eingeräumt. Er fing an, Druck zu machen, die Rückkehr Danzigs zum Reich und eine Lösung der Korridorfrage zu fordern. Die deutsche "16-Punkte-Forderung" war, verglichen mit den Ereignissen ab dem 01.09.1939, äußerst moderat. Dem Beispiel von "München 1938" folgend, hätten die Westmächte darauf ohne weiteres eingehen können.
Man hätte die Forderungen allerdings auch brüsk ablehnen können. Hätte Hitler dann mit Krieg gedroht, hätte man ihn mit sowjetischer Hilfe abschrecken können. Eine diplomatische Regelung der Frage, die auch die polnischen Sorgen vor der Sowjetunion berücksichtigt hätte, wäre meines Erachtens nach möglich gewesen. Aber die Briten ließen die Verhandlungen in Moskau platzen und trieben Stalin damit in Hitlers Arme.
Damit nicht genug. Großbritannien, das nicht zu Unrecht von Hitler als die über Krieg und Frieden entscheidende Macht angesehen wurde, zeigte sich einerseits grundsätzlich verhandlungsbereit, forderte aber hinter den Kulissen Polen zum Hartbleiben auf. Es riet zu direkten deutsch-polnischen Verhandlungen. Deutscherseits wurde daraufhin die Entsendung eines "mit allen Vollmachten ausgestatteten (polnischen) Unterhändlers" nach Berlin gefordert. Der polnische Botschafter Lipski erscheint zwar im Außenamt, Görings Funkaufklärung hatte aber herausgefunden, dass er keinerlei Vollmachten zur Entgegennahme von Forderungen besaß. Deutschland, also Hitler, war an der Nase herumgeführt worden (ich drücke mich in meiner Arbeit noch sehr viel drastischer aus). Hitler befahl daraufhin den Angriff auf Polen.
Für Hitler hätte ein Zurückschrecken die vierte diplomatische Niederlage in Folge bedeutet (nach Mai- und Sudetenkrise 1938 und der Prager Krise, s.o., im März). Das, muss er wohl gemeint haben, konnte er seinem Volk nicht verkaufen.
Grüße, Holger