In der aktuellen Informationslage lässt sich das Szenario nur vage eingrenzen. Die Grundrisiken sind immer dieselben, daher sind diese auch zu antizipieren und in der Flugvorbereitung mit einzubeziehen. Hierfür gibt es neben eines Typerating auch spezielle Einweisungen für Alpenflüge und natürlich entsprechende Regeln.
Wenn also trotzdem ein Flugunfall passiert, hat das damit zu tun, dass die Antizipation der Risiken an einem oder mehreren Punkten nicht entsprechend passend war.
Konkret in diesem Fall sind folgende wesentliche Faktoren zu nennen:
- Topologie des zu überfliegenden Gebietes (Alpenkamm mit bis zu 3500m Gipfeln)
- dazugehörige Meteo-Daten, insb. Winde, Wolken, Thermik, Temperaturen (das Gebiet kenne ich gut als Skifahrer; ich kann sagen: SEHR windig, SEHR wechselhafte Windrichtungen, plötzlich auftauchende Wolkenverhänge)
- Beladung der Maschine (% MTOW), Balance: vollbesetzt, Bestuhlung regelt den CG solange Paxe sich nicht kollektiv in der Kabine bewegen, Gepäck am Mann
- Leistung a) und Reserven b): die Daten a) haben wir bereits; laut Selbstauskunft JU-Air hat man die Motoren AUS LÄRMGRÜNDEN gedrosselt..Ja, wieder einmal typisch CH: Alpenflüge durchführen und den eh schon unterperformanten Maschinen noch die letzten "Körner" nehmen. Weshalb eigentlich?? Soweit ich weiß, fliegen die nur bei Tag (anders als D-AQUI). Nachtflugbeschränkungen fallen somit als Grund aus. Landeverbote für historische (und lärmige) Flugzeuge bei Tag sind mir unbekannt. Mehr Landegebühren?? Also ich denke ein paar Fränkli mehr oder weniger bei ca. 1000,- Fr. Flugpreis ist für die Liebhaber verschmerzlich, verglichen mit dem Sicherheitszugewinn. zu b) Inwieweit die JU über eine Art "TOGA"-Reserve verfügt, konnte ich bislang nicht ermitteln...
- Spritmenge und Verbrauch: dazu haben wir nur die Info, dass das letzte Tankering in Dübendorf war. Wieviel Sprit insgesamt für beide Legs aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. ach dem Absturz kaum nennenswerte Brandspuren.. verdächtig...
Bei höheren Temperaturen ist mit einem erhöhten Verdunstungsverlust zu rechnen (auch am Boden). Eventuell wurden die Motoren auch zu fett geflogen und die Spritmengenentwicklung nicht sorgfältig genug gemonitored (Bei der JU ist Handarbeit angesagt. Bei Allem. Keine Automatiken und wenig Redundanzen sind vorhanden. Das kann schon mal dazu führen, dass man da etwas vergisst, wenn man vom Airbus umsteigt....Erfahrung hin oder her..).
Summa Summarum: sie sind im Prinzip in eine Mausefalle hineingeflogen: in ein sich verjüngendes, ansteigendes Tal mit einer max. Öffnung oben von rund 1000m hinein unterhalb der ca. 3000er Bergzinnen 180° voraus im Rund. Irgendetwas hat sie daran gehindert, den Segnespass (ca. 2625m) zu überfliegen:
- zu geringe initiale Flughöhe im letzten Talabschnitt, zu geringes Steigvermögen
- Fallwinde
- Motorausfall / Spritmangel
- dahinterliegende Wolkenfront
Das versuchte Umkehrmanöver scheiterte am fehlenden Raum für die 180° Kurve...
Eine rettende Flughöhe von minimum 11000ft hätte sie höchstwahrscheinlich nicht in diese Predouille gebracht, denn:
- bei Motorausfall / Spritmangel wäre ein Überqueren der Bergspitzen egal in welcher Richtung möglich gewesen, ebenso ein Umkehren / Absegeln Richtung Rheintal
- Steuerungsprobleme: Ausgang offen..
- Gegenwinde / Fallwinde: auch hier Abdrehen / Absegeln möglich
Nachteil: die Sightseeing-Tour wäre vielleicht ohne Sicht aufs Martinsloch zu Ende gegangen.
Auch die Erfahrung der Piloten konnte aus einem dieser möglichen Gründe den Absturz nicht verhindern.