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Alien
Der Koleopter gehört in mehrerer Hinsicht zu den eigenartigsten Fluggeräten der Luftfahrtgeschichte. Er sollte daher in keiner Prototypensammlung der 1950er Jahre fehlen, zumal man ihn aktuell immer noch kaufen kann. Kenner des Herstellers wissen, was sie erwartet.
Laut FF-Liste der Bausatzvorstellungen wurde dieser Bausatz im FF bisher nicht behandelt. Abgesehen von den Bildern, könnte man aber den von bolleken96 in 1/72 Ryan X-13 Vertijet – Mach2 geschriebenen Text hier 1:1 übernehmen. Aber das gehört sich nicht!
Details zum Original könnt Ihr in Google, Wikipedia, etc. in fast allen Sprachen der Welt nachlesen. Auch dies will ich hier nicht per "cut and paste" wiederholen.
Entsprechend meiner Neigung zu französischen Prototypen der Nachkriegszeit habe ich einen guten Zugang zu französischen Publikationen. Meine Referenz „par excellence“ ist daher das Buch "La SNECMA, von Zborowski et le Coléoptère" von J.C. Carbonnel, siehe: http://www.aerostories.org/~aerobiblio/article2989.html. Das Buch lohnt sich auf jeden Fall, auch für nicht Frankophone, allein schon wegen der einmaligen Bilder (auch mit englischen Bildunterschriften).
Bevor ich zum Bausatz komme, möchte ich ein paar Details los werden, die mir noch durch den Kopf gehen, nachdem ich das Buch vor ca. einem halben Jahr erstmalig "verschlungen" habe.
Von Zborowski war ein österreichischer Erfinder, der nach dem Krieg ein Schloss in Frankreich bewohnte und angeblich jeden Tag mindestens eine neue Erfindung machte. Zumindest war seine Anzahl an Patenten entsprechend hoch. Selbst gebaut hat er meines Erachtens nichts. Er war jedoch sehr aktiv, Lobbyarbeit zu betreiben, um seine Erfindungen "an den Mann zu bringen". Viel Energie hat er in die Reihe der Koleoptoren gesteckt: Senkrechtstarter mit Ringflügeln.
Koleopter ist das griechische Wort für Käfer. Der Begriff Koleopter steht also nicht einfach für ein einzelnes Flugzeug sondern für eine komplette (völlig neuartige) Gattung von Fluggeräten. Das war Marketing-Trick Nr. 1.
Von Zborowski argumentiert, dass alle herkömmlichen Flugzeuge nach Vögeln benannt sind und dass man die Gattung der fliegenden Käfer völlig vernachlässigt hat. Somit heben sich seine Konstruktionen von vorneherein nicht nur im Design sondern auch in der Namensgebung von allen vorherigen Fluggeräten ab und der Erfinder versucht stets diesen Unterschied und die angebliche Überlegenheit seines Konzepts bei jeder Gelegenheit hervorzuheben. So wie andere Konstrukteure Ihre Entwürfe z.B. von A bis Z durchnummeriert haben, so geht auch v. Zborowski vor. Er wählt jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, französische Käfernamen, z.B. Altise (Erdfloh), Bruche (Erbsenkäfer), Charançon (Rüsselkäfer), etc.
Marketing-Trick Nr. 2 bestand darin, die technische Überlegenheit des Koleopters stets hervorzuheben und ins Unermessliche zu steigern. Hier gelingt es ihm sogar, eine wissenschaftliche Expertise des anerkannten Experten Prof. Heinrich Hertel (früher Heinkel & Junkers, später TU Berlin) einzuholen, die die Richtigkeit und Überlegenheit gegenüber allem was es vorher gab, bestätigt. Wenn ich nicht gerade gesessen wäre, hätte es mich umgehauen, als ich das las. Hier hat man in den 1950er Jahren eine "Luftblase" steigen lassen, die nahezu beispiellos ist.
Auch damals waren die Medien schon sehr empfänglich für visionäre, Aufsehen erregende Geschichten, und man hat gerne dazu beigetragen, den Höhenflug weiter zu steigern. Die ganze Welt wurde schon verkoleoptert, bevor auch nur ein Versuchsflugzeug in die Luft gestiegen ist: Es gab Modelle fürs Militär (Bruche & Charançon), für den Geschäftsmann und für die Familie den Hanneton (Maikäfer). Die "Welt am Sonntag" ging so weit, den Neubau des Hamburger Hauptbahnhofs mit einem Koleopter-Deck vorzusehen, so dass man vom Fernzug direkt in seinen privaten Senkrechtstarter oder in ein Koleopter-Taxi umsteigen könnte. Auch in zeitgenössischen Comics kommen Koleopter vor. Ein Illustrator zeigt den Koleopter sogar auf dem Mond.
Technisch gesehen sind der Ringflügel und der darin gelagerte zentrale Rumpf so gestaltet, dass der Ringspalt einem Staustrahltriebwerk entspricht. Das Koleopter-Prinzip ist damit für Überschalljäger oder Geschosse interessant und viele Entwürfe v. Zborowskis befassen sich daher auch damit. Im Unterschallbereich hat man eigentlich keinen aerodynamischen Vorteil davon. Der Ringflügel ist eigentlich nur Ballast! Bei Start und Landung trägt er nicht im Geringsten zum Auftrieb bei und im Horizontalflug bringen die seitlichen Teile, also 50 % des Flügels ebenfalls keinen Auftrieb. Generell ist ein Flügel so kurzer Streckung extrem schlecht für die Reichweite und für den Gleitwinkel im Falle eines Triebwerksausfalls (Notlandung). All diese Schwachpunkte tauchen jedoch in den Expertisen der damaligen Zeit einfach nicht auf. Stattdessen wird stets die optimale Strukturfestigkeit der Konstruktion beschworen, die durch nichts zu überbieten ist und die dazu führt, dass der Koleopter extrem leicht gebaut werden kann. Dass Flügel dazu da sind, Auftrieb zu erzeugen, ohne dafür Kraftstoff zu verbrennen, wird einfach übersehen. Überhaupt, so ein Koleopter braucht vom Start bis zur Landung sehr viel Treibstoff, und der muss mitgenommen werden (Gewicht).
Ein anderes, oft wiederholtes Argument (Marketing-Trick Nr. 3) ist das, dass ein Koleopter keine großen und teuren Bodenanlagen (also Flughäfen) benötigt, so dass man insgesamt gesehen, ein wesentlich effizienteres Lufttransportsystem erhält, wenn man Senkrechtstarter verwendet. Dies gipfelt z.B. in der Vorstellung, dass die Familie zum Sonntagsausflug aus ihrem eigenen Vorgarten abhebt. Keiner hat sich jemals überlegt, wie Monsieur Dupont das Ding im Rückwärtsflug sicher landen soll (unabhängig vom Wetter, mit der ganzen Familie an Bord). Beachte: die damaligen Rechner waren schwächer als der billigste heutige Taschenrechner, mit dem man mal eben ein paar Zahlen addieren möchte. Ein Fly-by-Wire und Flugregler, die dabei geholfen hätten, die Landung zu automatisieren, waren nicht zu erwarten.
Der ganze Koleopter-Hype ist am Ende sang- und klanglos in sich zusammengefallen, nachdem der von SNECMA erprobte Prototyp C.450 abgestürzt ist. Auch hier sind, rückblickend betrachtet, unglaubliche Dinge passiert. Das Testflugzeug wurde von einem französischen ATAR-Triebwerk angetrieben (vergl. Mirage, etc.) und man hat sich überlegt, ob es zu Schwierigkeiten beim Landen kommen könnte, wenn das Triebwerk sozusagen rückwärts fliegt. Daher hat man ein Triebwerk entgegen der Fahrtrichtung auf einen Zug montiert und Tests bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgeführt. Aus diesen Tests war dann die Geschwindigkeit bekannt, ab der kein verlässlicher Schub mehr zu erwarten war.
Bei den Testflügen mit dem an einem Gestell aufgehängten Prototyp und in den ersten Freiflügen hat sich dies dann auch bestätigt. Der Testpilot Auguste Morel hat dabei gelernt, dass er in kritischen Situationen die Maschine wieder unter Kontrolle bekommen kann, wenn er beherzt Vollgas gibt. Bei seinem letzten Flug ist ihm dies allerdings nicht gelungen. Auf Zuruf per Funk hat er sich in Bodennähe aus der unkontrolliert trudelnden Maschine katapultiert und bei der Landung schwer verletzt. Er war anschließend querschnittsgelähmt und er hat sich 15 Jahre später das Leben genommen, weil er damit nicht länger umgehen konnte.
Die Ermittlung der Unfallursache hat ergeben, dass die damaligen Variometer zur Anzeige der Steig- und Fallgeschwindigkeit nur mit einer Verzögerung von mehr als einer Sekunde angezeigt haben, so dass Morel viel zu spät erfahren hat, dass er dabei ist, in die kritische Sinkgeschwindigeit zu geraten. Als er dann, wie gewohnt, Vollgas gegeben hat, hat das Triebwerksgestänge möglicherweise geklemmt, denn das Triebwerk war beim Absturz nicht auf Vollgas.
Ich hoffe, ich habe jetzt etwas Appetit auf das Modell geweckt. Meinen Bausatz habe ich bei Modellbau-König für 19,95€ erstanden. Er stellt den SNECMA Typ C.450 dar, der es bis zur Freiflugerprobung brachte.
Hier der Blick auf die Schachtel:
Laut FF-Liste der Bausatzvorstellungen wurde dieser Bausatz im FF bisher nicht behandelt. Abgesehen von den Bildern, könnte man aber den von bolleken96 in 1/72 Ryan X-13 Vertijet – Mach2 geschriebenen Text hier 1:1 übernehmen. Aber das gehört sich nicht!
Details zum Original könnt Ihr in Google, Wikipedia, etc. in fast allen Sprachen der Welt nachlesen. Auch dies will ich hier nicht per "cut and paste" wiederholen.
Entsprechend meiner Neigung zu französischen Prototypen der Nachkriegszeit habe ich einen guten Zugang zu französischen Publikationen. Meine Referenz „par excellence“ ist daher das Buch "La SNECMA, von Zborowski et le Coléoptère" von J.C. Carbonnel, siehe: http://www.aerostories.org/~aerobiblio/article2989.html. Das Buch lohnt sich auf jeden Fall, auch für nicht Frankophone, allein schon wegen der einmaligen Bilder (auch mit englischen Bildunterschriften).
Bevor ich zum Bausatz komme, möchte ich ein paar Details los werden, die mir noch durch den Kopf gehen, nachdem ich das Buch vor ca. einem halben Jahr erstmalig "verschlungen" habe.
Von Zborowski war ein österreichischer Erfinder, der nach dem Krieg ein Schloss in Frankreich bewohnte und angeblich jeden Tag mindestens eine neue Erfindung machte. Zumindest war seine Anzahl an Patenten entsprechend hoch. Selbst gebaut hat er meines Erachtens nichts. Er war jedoch sehr aktiv, Lobbyarbeit zu betreiben, um seine Erfindungen "an den Mann zu bringen". Viel Energie hat er in die Reihe der Koleoptoren gesteckt: Senkrechtstarter mit Ringflügeln.
Koleopter ist das griechische Wort für Käfer. Der Begriff Koleopter steht also nicht einfach für ein einzelnes Flugzeug sondern für eine komplette (völlig neuartige) Gattung von Fluggeräten. Das war Marketing-Trick Nr. 1.
Von Zborowski argumentiert, dass alle herkömmlichen Flugzeuge nach Vögeln benannt sind und dass man die Gattung der fliegenden Käfer völlig vernachlässigt hat. Somit heben sich seine Konstruktionen von vorneherein nicht nur im Design sondern auch in der Namensgebung von allen vorherigen Fluggeräten ab und der Erfinder versucht stets diesen Unterschied und die angebliche Überlegenheit seines Konzepts bei jeder Gelegenheit hervorzuheben. So wie andere Konstrukteure Ihre Entwürfe z.B. von A bis Z durchnummeriert haben, so geht auch v. Zborowski vor. Er wählt jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, französische Käfernamen, z.B. Altise (Erdfloh), Bruche (Erbsenkäfer), Charançon (Rüsselkäfer), etc.
Marketing-Trick Nr. 2 bestand darin, die technische Überlegenheit des Koleopters stets hervorzuheben und ins Unermessliche zu steigern. Hier gelingt es ihm sogar, eine wissenschaftliche Expertise des anerkannten Experten Prof. Heinrich Hertel (früher Heinkel & Junkers, später TU Berlin) einzuholen, die die Richtigkeit und Überlegenheit gegenüber allem was es vorher gab, bestätigt. Wenn ich nicht gerade gesessen wäre, hätte es mich umgehauen, als ich das las. Hier hat man in den 1950er Jahren eine "Luftblase" steigen lassen, die nahezu beispiellos ist.
Auch damals waren die Medien schon sehr empfänglich für visionäre, Aufsehen erregende Geschichten, und man hat gerne dazu beigetragen, den Höhenflug weiter zu steigern. Die ganze Welt wurde schon verkoleoptert, bevor auch nur ein Versuchsflugzeug in die Luft gestiegen ist: Es gab Modelle fürs Militär (Bruche & Charançon), für den Geschäftsmann und für die Familie den Hanneton (Maikäfer). Die "Welt am Sonntag" ging so weit, den Neubau des Hamburger Hauptbahnhofs mit einem Koleopter-Deck vorzusehen, so dass man vom Fernzug direkt in seinen privaten Senkrechtstarter oder in ein Koleopter-Taxi umsteigen könnte. Auch in zeitgenössischen Comics kommen Koleopter vor. Ein Illustrator zeigt den Koleopter sogar auf dem Mond.
Technisch gesehen sind der Ringflügel und der darin gelagerte zentrale Rumpf so gestaltet, dass der Ringspalt einem Staustrahltriebwerk entspricht. Das Koleopter-Prinzip ist damit für Überschalljäger oder Geschosse interessant und viele Entwürfe v. Zborowskis befassen sich daher auch damit. Im Unterschallbereich hat man eigentlich keinen aerodynamischen Vorteil davon. Der Ringflügel ist eigentlich nur Ballast! Bei Start und Landung trägt er nicht im Geringsten zum Auftrieb bei und im Horizontalflug bringen die seitlichen Teile, also 50 % des Flügels ebenfalls keinen Auftrieb. Generell ist ein Flügel so kurzer Streckung extrem schlecht für die Reichweite und für den Gleitwinkel im Falle eines Triebwerksausfalls (Notlandung). All diese Schwachpunkte tauchen jedoch in den Expertisen der damaligen Zeit einfach nicht auf. Stattdessen wird stets die optimale Strukturfestigkeit der Konstruktion beschworen, die durch nichts zu überbieten ist und die dazu führt, dass der Koleopter extrem leicht gebaut werden kann. Dass Flügel dazu da sind, Auftrieb zu erzeugen, ohne dafür Kraftstoff zu verbrennen, wird einfach übersehen. Überhaupt, so ein Koleopter braucht vom Start bis zur Landung sehr viel Treibstoff, und der muss mitgenommen werden (Gewicht).
Ein anderes, oft wiederholtes Argument (Marketing-Trick Nr. 3) ist das, dass ein Koleopter keine großen und teuren Bodenanlagen (also Flughäfen) benötigt, so dass man insgesamt gesehen, ein wesentlich effizienteres Lufttransportsystem erhält, wenn man Senkrechtstarter verwendet. Dies gipfelt z.B. in der Vorstellung, dass die Familie zum Sonntagsausflug aus ihrem eigenen Vorgarten abhebt. Keiner hat sich jemals überlegt, wie Monsieur Dupont das Ding im Rückwärtsflug sicher landen soll (unabhängig vom Wetter, mit der ganzen Familie an Bord). Beachte: die damaligen Rechner waren schwächer als der billigste heutige Taschenrechner, mit dem man mal eben ein paar Zahlen addieren möchte. Ein Fly-by-Wire und Flugregler, die dabei geholfen hätten, die Landung zu automatisieren, waren nicht zu erwarten.
Der ganze Koleopter-Hype ist am Ende sang- und klanglos in sich zusammengefallen, nachdem der von SNECMA erprobte Prototyp C.450 abgestürzt ist. Auch hier sind, rückblickend betrachtet, unglaubliche Dinge passiert. Das Testflugzeug wurde von einem französischen ATAR-Triebwerk angetrieben (vergl. Mirage, etc.) und man hat sich überlegt, ob es zu Schwierigkeiten beim Landen kommen könnte, wenn das Triebwerk sozusagen rückwärts fliegt. Daher hat man ein Triebwerk entgegen der Fahrtrichtung auf einen Zug montiert und Tests bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgeführt. Aus diesen Tests war dann die Geschwindigkeit bekannt, ab der kein verlässlicher Schub mehr zu erwarten war.
Bei den Testflügen mit dem an einem Gestell aufgehängten Prototyp und in den ersten Freiflügen hat sich dies dann auch bestätigt. Der Testpilot Auguste Morel hat dabei gelernt, dass er in kritischen Situationen die Maschine wieder unter Kontrolle bekommen kann, wenn er beherzt Vollgas gibt. Bei seinem letzten Flug ist ihm dies allerdings nicht gelungen. Auf Zuruf per Funk hat er sich in Bodennähe aus der unkontrolliert trudelnden Maschine katapultiert und bei der Landung schwer verletzt. Er war anschließend querschnittsgelähmt und er hat sich 15 Jahre später das Leben genommen, weil er damit nicht länger umgehen konnte.
Die Ermittlung der Unfallursache hat ergeben, dass die damaligen Variometer zur Anzeige der Steig- und Fallgeschwindigkeit nur mit einer Verzögerung von mehr als einer Sekunde angezeigt haben, so dass Morel viel zu spät erfahren hat, dass er dabei ist, in die kritische Sinkgeschwindigeit zu geraten. Als er dann, wie gewohnt, Vollgas gegeben hat, hat das Triebwerksgestänge möglicherweise geklemmt, denn das Triebwerk war beim Absturz nicht auf Vollgas.
Ich hoffe, ich habe jetzt etwas Appetit auf das Modell geweckt. Meinen Bausatz habe ich bei Modellbau-König für 19,95€ erstanden. Er stellt den SNECMA Typ C.450 dar, der es bis zur Freiflugerprobung brachte.
Hier der Blick auf die Schachtel: