Der Silberkondor über Feuerland
Über den Piloten und Kapitän Gunther Plüschow
Hierzulande ist er nahezu unbekannt. Dabei war der Pilot des Heinkel-Doppeldeckers D-1313 aus Mecklenburg schon zu Lebzeiten eine Legende, wird er in Argentinien noch heute geehrt.
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Meldung des Transradio-Depeschen-Dienstes Buenos Aires, Argentinien vom 28. Januar 1931, um 5 Uhr Südzeit: "kapitaen gunther plueschow und begleiter mit flugzeug silberkondor toedlich abgestuerzt – stop – ueber nebenarm des argentino-see, westrand patagonischer kordilliere – stop"
Menschen auf der ganzen Welt nahmen erschüttert die Nachricht vom Tod Gunther Plüschows und seines Begleiters Ernst Dreblow zur Kenntnis. Der Pilot des Heinkel-Doppeldeckers mit der Nummer D-1313 war schon zu Lebzeiten eine Legende. Bücher und Filme hatten ihn und seine Leistungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltbekannt gemacht.
Während Gunther Plüschow hierzulande heute nahezu ein Unbekannter ist, wird alljährlich im Januar an einem Denkmal nahe der Absturzstelle am Lago Argentino (Südpatagonien, Argentinien) ihm zu Ehren eine Feierstunde abgehalten. In den Museen von Punta Arenas (Chile, Magellanstraße) und Ushuaia (Argentinien, Große Feuerlandinsel) findet man Vitrinen mit Fotos des Flugpioniers und Forschers und seinem Flugzeug, einer HE 24 W, das er Silberkondor nannte. Sie erinnern an einen begeisterten Piloten, der mit seinem in Warnemünde gebauten Flugzeug den südlichsten Teil Südamerikas überflog, erforschte und kartografierte. Seine Heimat war Mecklenburg.
Die enge Beziehung Plüschows zu Mecklenburg beginnt viele Jahre vor seiner Geburt: Sein Großvater Friedrich Carl Eduard (geb. 1808) war ein unehelicher Sohn des Erbgroßherzogs Friedrich-Ludwig von Mecklenburg- Schwerin (1778 – 1819). Gunther Plüschow wird 1886 in München geboren, seine Familie zieht zunächst nach Rom. Ab 1895 wohnen die Plüschows wieder in der Mecklenburg, der Vater übernimmt eine Stelle als Restaurator im Kupferstichkabinett des Schweriner Museums.
Zwischen Dom und den Seen der Umgebung erlebt der kleine Gunther unbeschwerte Jahre. Er lernt Reiten und Segeln und lauscht gespannt den Erzählungen eines pensionierten Kapitäns, einem Freund der Familie. Das Seemannsgarn weckt seine Sehnsucht nach fernen Länder und Abenteuern. Aber zunächst kommt es anders. Im Alter von zehn Jahren beginnt er eine klassische Militärausbildung: Kadettenanstalt, Offizier der kaiserlichen Marine und schließlich Marineflieger der Festung Tsingtau in der deutschen Handelskolonie Kiautschou (China). Zwischen diesen ersten Stationen seines Lebens kehrt er immer wieder nach Mecklenburg zurück, um zwischen Seen und Wäldern Ruhe zu finden und Kräfte zu sammeln.
Unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges gelingt ihm dann mit seinem Flugzeug (Rumpler-Taube) der Aufsehen erregende Ausbruch aus der von japanischen Truppen belagerten Festung in Fernen Osten. Nach neunmonatiger spektakulärer Flucht durch China, die USA und England trifft er im Juli 1915 in Deutschland ein. Ein Jahr später erschien sein erstes Buch "Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau", welches eine Auflage von über 700 000 Exemplaren erreicht. Plüschow behält diesen "Titel" bis an sein Lebensende, er ist ein Held und weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.
Bis 1918 ist Plüschow Kommandant auf verschiedenen Seestationen der Kaiserlichen Marine. Seine Biographie der Nachkriegsjahre liest sich wie die eines Helden aus einem Roman von Erich Maria Remarque: Reporter, Kinoansager, Depeschen- und Zeitungsflieger, Autoverkäufer, Motorrad-Weltrekordfahrer und Handlungsreisender in Sachen Stahl. 1925 endlich ein Neuanfang. Plüschow macht das Patent zum Kapitän auf Großer Fahrt, bereist das Mittelmeer und segelt bis 1926 mit der Viermastbark Parma um Kap Hoorn und an die Küsten Chiles. Und er beschreibt auch dieses Abenteuer in einem Buch, hält Vorträge und lernt so Menschen kennen, die ihn bei der Realisierung seines großen Traumes unterstützen können und werden: einer Expedition nach Feuerland. Seit seiner Kindheit hat Plüschow von diesem stürmischen, südlichsten Teil der Erde geträumt. Nach vielen Mühen und Rückschlägen ist es dann im November 1927 soweit; mit einem zum Forschungsschiff umgebauten Büsumer Fischkutter begibt sich Kapitän Gunther Plüschow auf sein bis dahin größtes Abenteuer, eine Reise nach Tierra del Fuego.
Ein von der Warnemünder Firma Heinkel gebautes und in seine Einzelteile zerlegtes Flugzeug vom Typ HE 24 W ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf einem Frachtschiff unterwegs an die Nordküste der Magellanstraße, nach dem chilenischen Punta Arenas. Gemeinsam mit seinem Begleiter Ernst Dreblow überflog er als Erster die Darwin-Kordillere auf der großen Feuerlandinsel, das Kap Hoorn, die Torres del Paine in Patagonien, und zum ersten Mal gab es Fotos und Filme von diesen bis dahin unerforschten Gegenden.
Nach seiner Rückkehr anno 1929 veröffentlicht der mittlerweile in Berlin wohnende Plüschow in Deutschland ein weiteres Buch: "Silberkondor über Feuerland", der gleichnamige Film wird ein großer Erfolg. Zwischendurch sucht und findet er Zeit, in seine mecklenburgische Heimat zu fahren und Freunde zu besuchen. Bei diesem Besuch in Zippendorf, nahe Schwerin, schreibt er in das Gästebuch der Wiesenhütte: "Wie schön ist es doch in der Wiesenhütte. Um so liebe Freunde zu treffen, lohnt es sich schon, aus dem Feuerland zu kommen. Gunter Plüschow, 23. 06. 1929."
Im Juli 1930 reist der Flieger von Tsingtau noch einmal in Richtung Feuerland. Diesmal nicht nur als legendärer Weltkriegspilot und Abenteurer, es ist der sehr erfolgreiche Autor und Dokumentarfilmer, der Entdecker und Forscher Gunther Plüschow, der zu einer weiteren Expedition an das Ende der Welt aufbricht.
Es wird seine letzte große Reise.
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