4. Oktober 1990

Diskutiere 4. Oktober 1990 im NVA-LSK Forum im Bereich Einsatz bei; Ich habe gestern das Buch von Manfred Skeries gelesen. Mein Eindruck: Der Mann redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Macht auf mich einen...
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Ich habe gestern das Buch von Manfred Skeries gelesen. Mein Eindruck: Der Mann redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Macht auf mich einen authentischen Eindruck. Viele seiner Gedanken kommen mir durchaus vertraut vor; so oder so ähnlich habe ich das oft von meinem Vater gehört.

Sicher nicht verwunderlich: Beide gehören einer Generation an und haben die NVA (fast) vom Beginn um 1960 bis zum Ende 1990 miterlebt und mitgestaltet.

Was unser Thema hier betrifft, gewinne ich folgenden Eindruck: Auf einer persönlichen Ebene v.a. unter den älteren Offizieren hat das Zusammenwachsen ganz ordentlich funktioniert. Anfängliche Reserviertheit konnte im Dienst rasch überwunden werden. Sei es, weil die Herren meist schon erfahrener waren und zwischen Fliegern doch so etwas wie internationale Kameradschaft und Respekt besteht. Auch auf einer technischen Ebene schien das Zusammenkommen doch ganz ordentlich geklappt zu haben.

Allerdings führt Skeries vieles weniger ausführlich aus, als ich gehofft hatte: Er erwähnt z.B. eine Schulung für Bundeswehrpiloten, die 1990-91 in die Türkei verlegt und zu den zu erwartenden irakischen Gegenmaßnahmen gebrieft wurden. Dabei sollen sich einige doch arrogant und unreif gezeigt haben. Da hätte ich gern mehr erfahren.

Schwieriger war es wohl prinzipiell, sobald eine politisch-juristische Ebene ins Spiel kam; da war eine partnerschaftliche Beziehung nicht einfach; möglicherweise, weil beide Seiten wussten, dass massiv abgerüstet werden würde und viele natürlich auch das eigene Fortkommen im Sinn hatten, verständlicherweise. Da begannen dann eben doch Kämpfe der Ellbogen, wobei die DDR-Seite schon deswegen schlechtere Karten hatte, weil deren Vertreter wie Minister R. Eppelmann eigentlich kein Interesse an den eigenen Leuten hatte und der politische Schutz ausblieb. Die DDR und ihre Streitkräfte sollte abgewickelt werden. Was aus den Leuten wurde, war dann deren Privatsache. Mit 7.000 Euro war man das Problem los, und man war dankbar dafür. Wertschätzung allein für die Tatsache, dass es in der DDR eine friedliche Wende gab, im Gegensatz zu China 1989, Rumänien 1989, zu UdSSR/Litauen, Armenien, Moldawien, Tschetschenien 1990ff, ganz zu schweigen von Jugoslawien 1990-99, gab es nicht.

Soweit mein Eindruck.
 
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Drei Etagen unter M.S. aber geografisch ganz in der Nähe:

Spätestens mit der Berufung von „Ver-Eppelmann“ als Abrüstungsminister (So hat er sich damals selbst definiert) ahnten wir wohin die Reise geht. Sein Auftrag war für uns zu offensichtlich, Zugang zu den Waffen unter Kontrolle halten und „Abwickeln“. Nach dem letzten Flugdienst unseres JG-8 am 26.09. gab es nur noch Gammeldienst. Wann die ersten Personale der Bw bei uns aufschlugen ist mir gar nicht mehr in Erinnerung. Aber wir hatten sie bald aus unserer Sicht eingeordnet. „Wessis der 3. Garnitur die Dschungelzulage abfassen wollen“, „Salonsoldaten“, die „Di-Mi-Do-s“ und „hätten wir gewollt wären wir Freitag mittag los hätten wir es bis Sonntag abend zum Atlantik geschafft weil die so etwas wie ständige Gefechtsbereitschaft gar nicht kennen“ waren damals gängige Parolen bei uns. Vom 2. zum 3. in der Heimat mit zivilen Freunden ein Vereinigungsfete gefeiert, Aufbruchstimmung, die waren positiv motiviert. Am 3. Abends zurück zum Standort. Am Morgen des 4.10. Geschwaderappell. Neue Dienstgradabzeichen auf die alte Fliegerkombi- und auf einmal war man „Bundeswehr Ost“, quasi wir unser eigener „Klassenfeind“… und nun???

Weiter nur Gammeldienst, Studium Dienstvorschriften, Sport, Englisch und natürlich kein DHS mehr. Ziemlich viel Zeit zum Nachdenken wie das wohl weitergehen soll. Ein Schreiben und der bisherige Dienstgrad war nur noch ein „vorläufiger“. Eine Offiziersversammlung, der Kommandeur, der jetzt Kommodore genannt wird, verkündet die Auflösung unseres Geschwaders. Bewerbungsformular aus der Personalabteilung in Strausberg. In dieser SAZ-2 Bewerbung hab ich auch die Frage nach dem Dienstgradverzicht mit NEIN beantwortet und per Hand ergänzt „ nur für fliegerische Verwendung“. Meinte das meinem Selbstwertgefühl schuldig zu sein. Spätestens nach dem Formular waren alle Zukunftsaussichten als Träumereien entwertet, da wird nichts vereinigt, komplette Unterwerfung war gefordert. Unsere frisch ausgestellten fliegerische Lizenzen waren im neuen System wertlos und uns dämmerte „Die brauchen uns nicht“. Wir trösteten uns mit schwarzem Humor. „Wir sind jetzt die dritte deutsche Armee im 20 Jahrhundert die Ihren Krieg verliert“ Es gab nichts mehr zu fliegen, was macht der disziplinierte Offizier- er geht nach Hause. In dem Fall erst mal zum Arbeitsamt. Ein Köder zur schnelleren Abwicklung: Für 7.000,- DM Prämie bei eigener Kündigung konnte man per 31.12.90 bei „NULL“ anfangen. Schließlich gab es ja Familie mit Kind zu versorgen und irgendeine Form der wirtschaftlichen Existenzmöglichkeit musste her…

Also am 4.12. gekündigt, am 5.12. eine BIS nach Drewitz ins Endlager überflogen, am 21.12. einen zivilen Arbeitsvertrag unterschrieben und damit Ende dieses Lebensabschnittes… Auch offiziell, denn kurz danach kam die Entlassungs-“Urkunde“, die Ablehnung der SAZ- Bewerbung dann Mitte Januar war nur noch eine amüsante Randglosse. Da war ich schon voll beschäftigt mit dem Erlernen von „Marktwirtschaft“ und „Freiheitlich demokratischer Grundordnung“, beides damals in der speziellen Ausprägung „WILD-OST“. ….... aber so ähnlich ging es ja unseren Großvätern auch.
 
schneidi

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… quasi wir unser eigener „Klassenfeind“… und nun???
Absolut treffend auf den Punkt gebracht. Respekt für diese Formulierung.

Ich glaube, diese Zwiegespaltenheit kannten ganz viele. Damit einher ging über lange das Gefühl einer schweren Niederlage, auch wenn man als Person gut rauskam. Und viele konnten sich nach einer Phase der Euphorie jahrelang nicht wirklich mit dem neuen Staat identifizieren, trotz des Wissens um die Schwächen und Versäumnisse und auch Schandtaten der alten Heimat.
 

mg218

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Wertschätzung allein für die Tatsache, dass es in der DDR eine friedliche Wende gab, ..., gab es nicht.
Die NVA war Teil und Gehilfe der Unterdrückung und der Diktatur.
Da gibt es keinen Dank dafür, dass sie nicht auf das Volk geschossen haben.
 
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