Rückblick 1992 Somaliakrieg
Rückblick zum Somaliaeinsatz 1993
Somalia
Am 23.01.1992 verabschiedete der Sicherheitsrat (SR) der UNO die Sicherheitsratsresolution (SRR) 733. Darin heißt es:
„Sehr besorgt über die rapide Verschlechterung der Situation in Somalia und die großen Verluste an Menschenleben und die weitverbreiteten materiellen Schäden ... und im Bewusstsein von deren Folgen für die Stabilität und den Frieden in der Region (stellt der Rat fest), dass das Andauern dieser Situation ... eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit darstellt.“
Mit dieser Erklärung wurde das Kapitel VII der UNO-Charta völlig neu interpretiert. War die Zuständigkeit des SR bisher auf zwischenstaatliche Konflikte beschränkt, wie dies seit der Gründung der UNO üblich war, wurde durch diese Resolution die Zuständigkeit auch auf innerstaatliche Konflikte – also auch auf Bürgerkriege – ausgeweitet. Damit mischte sich der SR in die inneren Angelegenheiten eines Staates ein. Die innere Situation Somalias wurde als alleiniger Grund für die Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bezeichnet.
Zehn Monate später wurden vom Sicherheitsrat allein auf Drängen der USA Fakten geschaffen, die eine Kompetenzerweiterung des Sicherheitsrates darstellte, ohne jegliche Zustimmung durch die UNO Vollversammlung. Am 3.12.92 verabschiedete der SR die Resolution 794, die eine direkte Intervention ermöglichte. Der SR übernahm damit die Zuständigkeit für die Ausübung der inneren Gewalt und für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung in Somalia.
Mit dieser Intervention, wurde unter Berufung auf humanitäre Gründe, in die inneren Angelegenheiten eines souveränen UN-Mitgliedsstaates eingegriffen und die Zuständigkeit über das Gewaltmonopol erklärt.. Somit war ein Präzedenzfall geschaffen worden, nach dessen Vorbild auch in Zukunft eine Menschenrechtssituation als Anlass für eine militärische Intervention genommen werden könnte. Mit diesen Resolutionen wurde nachhaltig das Gesicht der UNO verändert. Das bisherige Völkerrecht wurde durch die SR 688 und einige nachfolgende Resolutionen weitgehend aufgeweicht.
Somalia eignete sich hervorragend für einen Präzedenzfall, denn die Weltöffentlichkeit war durch die breite Medienberichterstattung über die Hungersnot in Somalia sensibilisiert. Wer sollte schon dagegen protestieren, dass den hungernden Menschen endlich geholfen wird? Denn im Sommer 92 starben pro Tag rund 5.000 Kleinkinder und der Hungertod von 5 Mio. Menschen drohte.
Die Welt forderte ein Eingreifen, denn die Situation wurde über die Behinderungen der wenigen spärlichen Hilfstransporte durch bewaffnete Milizen immer bedrohlicher. Die USA, die bisher wenig Interesse an der Beseitigung der Hungerkatastrophe gezeigt hatte, erkannten ihre Chance. Mit Somalia was es möglich einen Präzedenzfall zu schaffen, der gerade für die fünf ständigen Mitglieder des SR einen Machtzuwachs bedeutete.
Im Falle Somalias wurden zum ersten Mal die Menschenrechtsverletzungen und die Behinderung des Hilfstransporte im Kontext mit dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung als Gefährdung des internationalen Friedens bezeichnet. Der SR verhängte ein vollständiges Waffenembargo und autorisierte die Entsendung von Friedenstruppen nach Somalia, um die Hilfslieferungen für die hungernde Bevölkerung auch mit Waffengewalt zu schützen.
Beim UNO-Einsatz in Somalia wurde erstmals in der Geschichte der UNO ein Bezug zwischen friedensbewahrenden und friedensschaffenden Maßnahmen hergestellt.
Die Situation in Somalia vor dem UNO Einsatz
Seit der Niederlage im Ogadenkrieg 1978 war Somalia nicht mehr zu Ruhe gekommen. Verschiedene Oppositionsgruppen in wechselnden Bündnissen bekämpften den Diktator Siad Barre mit wechselnden Erfolg. Im Januar 1991 floh Barre aus Mogadischu und der USC (United Somali Congress) dessen gewählter Präsident Mohammed Farah Aidid war, übernahm die Macht. Am Morgen des 29.01.91 verkündete Radio Mogadischu aber Ali Mahdi als neuen Präsidenten. Da andere Oppositionsgruppen nicht an der Übergangsregierung beteiligt wurden, brachen wieder Kämpfe aus. Auf der Versöhnungskonferenz im Juli 91 wurde Mahdi als Interimpräsident bestätigt, aber mit der Auflage alle Oppositionsgruppen an der Regierung zu beteiligen. Was er auch tat, mit der Ausnahme Aidid, den er überging. Der USC spaltete sich in zwei verfeindete Lager und heftige Kämpfe brachen in Mogadischu aus, die sich bald über das ganze Land ausbreiteten.
Als die UNO erstmalig in Somalia eingriff, waren Aidids Milizen dabei, Ali Mahdi in die Enge zu treiben. Für Aidid brachte die Zustimmung zu einem Waffenstillstand mehr Nachteile als seinem Gegner. Trotzdem stimmte er zu. Aidid sah sich getäuscht, als während einer Friedenskonferenz in Addis Abeba, trotz eines Waffenstillstandes die Stadt Kismayu durch verbündete Truppen von Mahdi erobert wurde. Aidids Verbündete waren durch die Entwaffnungsaktionen der UNO zu schwach, um die Stadt zu verteidigen. Die UNO sah diesen Geschehnissen tatenlos zu.
Ein russisches Flugzeug mit UNO Emblem flog Waffen und Geld nach Chamran (Nordmogadischu, Gebiet von Ali Mahdi). Dies war ein klarer Verstoß gegen die Sicherheitsratsresolutionen und gegen die Neutralitätspflicht der UNO. Seit diesem Zeitpunkt waren alle Aktionen der UNO für Aidid verdächtig und seine Radiosender verbreiteten zunehmend Propaganda gegen die Anwesenheit der UNO und vor allem der US-Truppen, denen er Kolonialismus und imperialistische Großmachtinteressen vorwarf.
Aber anstatt diese Vorbehalte Aidids , ging die UNO Streitmacht auf Konfrontationskurs und reagierte mit völlig überzogenen Aktionen gegen Aidid und seine Milizen.
Mit diesen Vergeltungsmaßnahmen gegen Aidid hatte die UNO bewiesen, dass sie dabei war, die Rolle des vom Konsens der Kriegsparteien abhängigen unparteiischen Vermittlers beim Krisen- und Konfliktmanagement zu verlassen. Die UNO wurde nicht mehr als unparteiischer Helfer betrachtet, sondern als Feind wahrgenommen und in die militärische Auseinandersetzung als Konfliktpartei hineingezogen. Bei der eskalierten Konfrontation begingen selbst die UNO Soldaten auch noch umfangreiche Menschenrechtsverletzungen, wegen dessen sie angeblich gekommen waren. Es wurde gefoltert und getötet.
Der Verlauf der UNO Aktion
Am 04.05.1993 begann offiziell die Mission der UNSCOM II. Der türkische General Bir übernahm das Kommando. Die USA sicherten sich aber einen starken Einfluß. Denn der Stellvertreter war ein US-General und auf Drängen der USA ernannte der Generalsekretär der UNO den US Militär Jonathan Howe zum Sonderbeauftragten der UNO in Somalia. Auch innerhalb von UNOSOM II (United Nations Operation Somalia) behielten sich die USA die nationale Kommandogewalt über ihre 8.000 Mann starke Truppe vor. Es gab sogar eine Direktive der US-Regierung, welche die US-Kommandeure anwies, Befehle der UNO, die militärisch für nicht sinnvoll gehalten wurden, zu ignorieren.
Zur endgültigen Konfrontation kam es als pakistanische Truppen – trotz einer vorherigen und eindringlichen Warnung von SNA-Vertretern (Somali National Allianz, Bündnis verschiedener Gruppen und Milizen) – am 5.6.93 in der Nähe der Radiostation von Aidid Waffenvorräte kontrollierten. Dabei wurden sie angegriffen. 23 pakistanische UN-Soldaten wurden getötet und viele verletzt. Zehn Soldaten wurden gefangen genommen, in den folgenden Tagen aber wieder freigelassen.
Der SR reagierte prompt und bemächtigte die Soldaten der UNOSOM II in einer Sondersitzung am 6.6.93 zur „Neutralisierung von feindlichen Radiosendern“ und zur Festnahme der Befehlshabenden, die verantwortlich waren für die Tötung der pakistanischen Soldaten.
Damit hatte der SR die Exekutive wie auch die Judikative in Somalia übernommen und übertrug diese Kompetenzen mit Ziffer 8 und Ziffer 10 der SR 837 an die USA. Rund 500 Mitarbeiter der UNO, von Botschaften und Hilfsorganisationen wurden evakuiert. Am 12.6.93 begannen die USA mit mehrtätige Luftangriffen und die Einsetzung von Bodentruppen.
Die Lage verschlimmerte dramatisch. Nur drei Tage später schossen pakistanische Soldaten auf unbewaffnete Demonstranten, die gegen die fortgesetzten Bombardements protestierten. Sie töteten mindestens 20 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder.
Am 17.6.93 gab es die schwersten Luftangriffe auf Aidid. Vier Stunden bombardierten US-Flugzeuge und Black Hawk Kampfhubschrauber Ziele in der Umgebung von Aidids Hauptquartier. Während die UNO-Kommandeure von einem punktgenauen Angriff sprachen zeigten Videoaufnahmen drei Black Hawk Hubschrauber, die mit ihren Bordkanonen auf alles schossen, was sich bewegte. Ein weiterer „punktgenauer“ Angriff fand am 12.7.93 statt. Ohne Vorwarnung wurde ein Luftangriff auf eine angebliche Kommandozentrale Aidids geflogen. Dabei starben etwa 80 Menschen. Unter den Personen befanden sich Clanälteste, die gerade bei einem Gespräch mit SNA-Vertretern waren, um Auswege aus den bewaffneten Auseinandersetzungen zu finden.
Quelle:
http://www.oelspuren.net