Ausführlicher Bericht: AM-C 111
Hier der ausführliche Artikel aus der Landshuter Zeitung vom 05.11.05:
Der letzte Weg des Flugzeugs führt nun in das Deutsche Technikmuseum Berlin
In Ellermühle entwickelt und gebaut:
Die Halle am Flugplatz Ellermühle gibt es noch immer. "Concorde" steht in großen Lettern über den blauen Toren. Vor 30 Jahren ist dort ein Passagier- und Transportflugzeug mit dem Namen AM-C 111 gebaut worden. Jahre- und monatelang konstruierten Ingenieure und schraubten Flugzeugbauer an der Maschine - bis Ende 1976 das Geld ausging. Das Flugzeug ist über die Jahre fast in Vergangenheit geraten. Nun wurde es vor der Schrottpresse gerettet. Es soll im Deutschen Technikmuseum Berlin als ein Zeugnis deutscher Luftfahrtgeschichte ausgestellt werden.
Manfred Gebel kennt Landshut aus seinen jungen Jahren als Flugzeugbauer. Er war damals bei der Firma Air Metal einer derjenigen, die an der Maschine bauten. Heute lebt er in Neuburg an der Donau. Die AM-C 111 ist ihm aber all die Jahre nicht aus dem Kopf gegangen. Auch wenn sie eine der letzten Maschinen war, die ganz klassisch - das heißt mit viel Blech - gebaut wurden, waren viele Gedanken ihres "Vaters" Wolfgang Grabowski revolutionär. "Er war sehr weitsichtig", sagt Gebel über den Inhaber der Firma Air Metal, die ihren Sitz in Ellermühle hatte.
Grabowski wollte die AM-C 111 bauen, um sie in der Dritten Welt einzusetzen. Damals, sagt Gebel, seien alle ausrangierten Transportflugzeuge in die Entwicklungsländer geschickt worden. "Der alte Müll war dort zuhauf unterwegs." Wolfgang Grabowski dagegen wollte einen Nachfolger, ein neues Flugzeug, bauen. Er setzte dabei auf eine Marktanalyse, die für diesen Flugzeugtyp einen Bedarf von 3000 Stück prognostizierte.
Dabei schwebte dem Unternehmer ein Baukastenflugzeug vor, sagt Lutz Grabowski, der Sohn des Firmeninhabers. Sein Vater habe die Baukomponenten in Deutschland vorbereiten und die Leute vor Ort darin schulen wollen, das Flugzeug zusammen zu bauen. Dadurch wären sie bei Betrieb und Wartung unabhängig gewesen. Denn Wolfgang Grabowski war auch in dieser Hinsicht revolutionär: Er war sozial sehr engagiert, wollte durch Technologietransfer die Länder der Dritten Welt unterstützen und nicht ausbluten.
Die Maschine sollte viele Funktionen in sich vereinigen. Sie sollte Kisten mit Ziegen und einen VW-Bus genauso transportieren können wie Minister. Deshalb musste das Flugzeug eine große Heckklappe haben, um auch sperrige Güter bequem ein- und ausladen zu können, aber auch schnell in ein Passagierflugzeug umzubauen sein. 28 Passagiere sollten darin Platz haben. Zudem musste es eine große Reichweite haben und auf jeder Wiese landen können.
Außerdem sollte die AM-C 111 viel günstiger als andere Maschinen sein. Ein Flugzeug in dieser Größenordnung zu entwickeln, kostete laut Gebel damals mindestens 250 Millionen Mark. Wolfgang Grabowski wollte mit weniger als 20 Millionen auskommen. Das sollte vor allem dadurch möglich werden, dass er mit einer kleinen Entwicklungsmannschaft auskam. Während an anderen Flugzeugen bis zu 1500 Leute arbeiteten, beschäftigte die Air Metal rund 70 Leute für die AM-C 111. Neben dem kleinen Team sollten auch die Entwicklungskosten niedrig gehalten werden. Deshalb wurden laut Lutz Grabowski viele Komponenten verbaut, die bereits Standard waren.
Nach mehreren Jahren der Entwicklung begann Anfang der 70er Jahre in Ellermühle der Bau. Enthusiastisch arbeiteten Flugzeugbauer wie Manfred Gebel an der Maschine, die eine Spannweite von 19,2 Meter hat, 16,8 Meter lang und 6,4 Meter hoch ist. 12,5 Millionen Mark verbauten sie bis zum Jahr 1976. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt nahezu fertig: Rumpf und Cockpit, die Flügel und das Ruder - alles war und ist dran. Hier und da fehlte noch eine Tür oder ein Stück Fahrwerksverkleidung. Da blieb das Geld aus. Fünf Millionen Mark hätte Grabowski noch gebraucht. Es gab eine zugesicherte Förderung, abgesichert durch eine Staatsbürgschaft. Die Lobby der Luftfahrtindustrie aber habe die Auszahlung so lange hinausgezögert, bis die Firma seines Vaters kaputt gewesen sei, sagt Lutz Grabowski. Die AM-C 111 blieb unvollendet.
Am 31. Dezember 1976 endet die Geschichte der AM-C 111 und die der Firma Air Metal, erinnert sich Lutz Grabowski, der damals 16 Jahre alt war. Sein Vater hatte für seine ambitionierte Idee nicht nur sein gesamtes Vermögen, sondern auch sein Fa mi lien glück geopfert. Der Prototyp wurde in diesem Zustand in eine Ecke der Halle geschoben. Dort blieb er zehn Jahre stehen. Die Halle selbst wurde schließlich vermietet, um Flugzeuge unterzustellen. Wolfgang Grabowski ist 1989 gestorben. Seine Familie indessen, die die Rechte an dem Flugzeug erbte, gab nicht auf. Anfang der 90er Jahre habe es den Versuch gegeben, das Flugzeug in Russland weiterzuentwickeln, sagt Lutz Grabowski. Seinen Worten nach wäre der Markt gut gewesen. Aber auch dieser Versuch sei letztlich an Finanzmitteln gescheitert: Ein kleines Unternehmen, das sich für die AM-C 111 interessierte, bekam keine staatlichen Gelder. "Damit war's vorbei", sagt Lutz Grabowski.
Die AM-C 111 selbst ist in der Zwischenzeit umgezogen: Sie fristete in den vergangenen Jahren ihr Dasein in einem Schuppen in der Nähe von Niederaichbach. Dort staubte sie vor sich und wurde vergessen. Zumindest fast.
Vor einigen Jahren trafen Lutz Grabowski und Manfred Gebel zufällig aufeinander. Sie dachten Pläne durch, einen neuen Weiterentwicklungs-Versuch in Asien zu wagen. Und verwarfen sie. Um die Maschine vor der Schrottpresse zu retten, kam der Gedanke auf, sie musealen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Mit der Deutschen Gesellschaft zur Erhaltung historischer Flugzeuge und ihrem Präsidenten Manfred Franzke ist es schließlich gelungen, das Technikmuseum in Berlin zu gewinnen. Damit ist ein Stück deutscher Luftfahrtgeschichte vor der Schrottpresse gerettet geworden, wie Gebel sagt.
Vor einigen Wochen nun hat die Maschine die Region Landshut verlassen. Auf mehreren Sattelschleppern trat sie ihre letzte Reise gen Hauptstadt an. Derzeit ist das Flugzeug in Berlin in einem Depot des Technischen Museums untergebracht. Ab wann sie für die Öffentlichkeit zu sehen sein werde, lasse sich derzeit nicht sagen, so Heiko Triesch von der Abteilung Luftfahrt. In erster Linie sei es darum gegangen, die AM-C 111 zu erhalten. Für das Museum sei das Flugzeug deshalb interessant, "weil es das Einzige ist, das gebaut wurde". Dabei richtet sich der Blick der Museums-Fachleute nicht nur auf das technische Konzept, sondern auch auf die "Geschichte hinter der Geschichte", wie Triesch sagt. Die wirtschaftlichen Hintergründe, die Idee des Pioniers Wolfgang Gra bowski und wie er damit abgestürzt ist, werden ebenfalls beleuchtet.
Nun wird das Flugzeug erstmal gereinigt, und kleinere Reparaturen daran werden erledigt. "Der Prototyp ist erstaunlich gut erhalten", sagt Grabowski junior, der in Erding lebt und Flugkapitän bei der Lufthansa ist. Selbst nach 30 Jahren sei es nicht korrodiert. "Es ist sehr sauber verarbeitet. Deutsche Wertarbeit eben." Es sei aber nicht nur gut erhalten, sondern zudem "ein schönes Flugzeug". Sein Vater habe bereits damals Wert auf das Aussehen gelegt. Nur leider war der schöne Vogel nie in den Lüften unterwegs.
Sigrid Hagl
Redaktion: stadt_landshut am 05. November 2005