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Gustav Humbert: Gespräch mit dem Chef des Flugzeugbauers. Ein neuer Flieger, höhere Profitabilität und steigende Verkaufszahlen. Der Ehrgeiz eines Norddeutschen in Toulouse.
Toulouse -
Natürlich gibt es Ressentiments. "Die Angst mancher Leute ist immer da", sagt Gustav Humbert (55) im Gespräch mit dem Abendblatt. "Die fragen sich: ,Was macht der Deutsche an der Spitze eigentlich? Und was wird aus unserem Airbüs?'" Bewußt spricht Humbert, der erste Deutsche an der Spitze des europäischen Flugzeugbauers Airbus, den Unternehmensnamen französisch aus.
Denn hier in Toulouse, am Stammsitz des Konzerns mit rund 53 000 Beschäftigten weltweit, gilt Airbus noch immer als ein französisches Unternehmen. Und daher kam es schon einem kleinen Erdbeben gleich, daß Humbert nach endlosen Querelen vor drei Monaten den bisherigen Chef Noël Forgeard ablöste.
Wenn es Probleme gibt, geht Humbert auf die Kollegen zu, spricht sie offensiv an. Der Ruf des Teamarbeiters eilt ihm voraus. Ruhig und rational wirkt der Mann mit dem charakterischen Backenbart, der in Celle geboren wurde und schon seit 25 Jahren für Airbus arbeitet.
Ehrgeizige Ziele hat er sich gesteckt. Den Marktanteil gegenüber Konkurrent Boeing will er dauerhaft bei 50 Prozent halten. Schwierig in einem Jahr, in dem Airbus bei den festen Bestellungen bei 407, Boeing schon bei 616 Flugzeugen liegt. Am Ende des Jahres will Airbus aber 700 Bestellungen in den Büchern haben. Um sich im "sportlichen Wettkampf" zu behaupten, setzt Humbert auf die Kundenzufriedenheit. "Hier müssen wir die Nummer eins werden." Wenn er über die Details spricht, scheint der Ingenieur durch. Alle "Interfaces" (Schnittstellen) mit dem Kunden wolle er "messen", um sich ein komplettes Bild zu machen, erläutert Humbert.
Hilfreich könnte es sein, wenn Airbus nicht nur auf die Hereinnahme neuer Aufträge, sondern auch auf deren Abarbeitung schauen würde. Die Komplexität des Prestigeprojekts A380 hat der Flugzeugbauer unterschätzt, das geben auch die Leiter des Produktionsprogramms zu. Ein halbes Jahr später als geplant, also Ende 2006, wird nun Singapur Airlines die ersten Maschinen erhalten. Eine deutliche Strafe wird Airbus dafür zahlen müssen. Die Größenordnung? "Wir sprechen darüber nicht", sagt Humbert.
Mittlerweile sind die Engpässe in der Produktion behoben. Die ersten neun Modelle des A380 sind fertig, doch der Weg zum Erfolg ist noch weit: 159 Maschinen stehen in den Auftragsbüchern, die Gewinnschwelle liegt bei 250 Fliegern. 30 Flugzeuge mehr könnte Airbus bis 2010 verkaufen, wenn sie nur gebaut werden könnten.
In dieser Situation hat sich Airbus noch ein zweites Großprojekt ans Bein gebunden. Der A350 soll dem neuen 787 "Dreamliner" von Boeing Paroli bieten. "Der Markt verlangt nach dieser Maschine", verteidigt Humbert das schnelle Vorgehen. Ein neuer Kraftakt für Airbus, der mit 1200 zusätzlichen Ingenieuren bewältigt werden soll. "Zudem werden 2000 Arbeitsplätze bei Zulieferern, sowie Tausende weitere Arbeitsplätze bei Airbus und unseren Partnern entstehen", sagt Humbert.
Der Chef hat sich persönlich davon überzeugt, daß das A350-Programm die Fertigstellung der anderen Maschinen nicht gefährdet. "An wichtigen Punkten gehe ich sehr weit in die Tiefe", sagt Humbert, während sein Zeigefinger aus der Luft auf die Tischplatte stößt.
Sein zweites großes Ziel ist die Steigerung der Profitabilität. Die operative Marge von zehn Prozent wolle er trotz der Investitionen für den A350 mindestens konstant halten. Mit einem Gewinn von 1,92 Milliarden Euro war Airbus im vergangenen Jahr die Cash-Cow des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Mit einem zusätzlichen Programm zur Kostenreduzierung will Humbert zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro bis 2010 einsparen. "Die genaue Summe hängt am Dollarkurs und an den Preisen, die wir für unsere Flugzeuge erzielen." Grundsätzlich will der Airbus-Chef nicht mehr jeden Preiskampf der Konkurrenz mitmachen. "Wir werden lieber auf ein Geschäft verzichten, wenn dies auf Kosten der Marge geht." Voraussetzung dafür sei aber, daß man den Marktanteil bei 50 Prozent halten könne.
Den Erhalt der Gewinnmarge hält Humbert auch deshalb für entscheidend, weil er zwischen 2008 und 2011 mit einem Rückgang des weltweiten Flugzeugmarktes rechnet. Dafür müsse Airbus gewappnet sein. Trotz der Großprojekte solle Airbus daher auch nicht ewig weiterwachsen. "Die Gesamtzahl der Mitarbeiter sehe ich bei 56 000."
Mehr als selbst zu wachsen denkt Humbert über eine Auslagerung weiterer Tätigkeiten an Partnerfirmen nach. Die Fertigungstiefe könne von heute 60 auf künftig 30 Prozent sinken. "Dabei werden die Kernkompetenzen aber im Unternehmen bleiben."
Ganz als Diplomat gibt sich Humbert im Dauerstreit mit Konkurrent Boeing um die Subventionen für die beiden Flugzeugbauer. Den zeitweiligen Verzicht auf Staatsdarlehen für den A350 will der Airbus-Chef als eine "offene Geste" verstanden wissen. So hofft er, den Streit mit den Amerikanern nicht vor Gericht austragen zu müssen. "Die Frage muß politisch gelöst werden, wenn wir das den Anwälten übergeben, bleibt nur ein Scherbenhaufen." Erste positive Signale aus Seattle gebe es bereits.
Am Ende des Gesprächs blickt Humbert auf seine Armbanduhr, auf der ein kleiner Flieger als Sekundenzeiger im Kreis tickt. Der Flieger nach Paris zu Ministerpräsident Dominique de Villepin wartet schon. Ein Gespräch auf französisch, nur die Details werden auf englisch verhandelt. "Zum Florettfechten reicht mein Französisch noch nicht", sagt Humbert lächelnd.
http://www.abendblatt.de/daten/2005/10/15/492610.html
Toulouse -
Natürlich gibt es Ressentiments. "Die Angst mancher Leute ist immer da", sagt Gustav Humbert (55) im Gespräch mit dem Abendblatt. "Die fragen sich: ,Was macht der Deutsche an der Spitze eigentlich? Und was wird aus unserem Airbüs?'" Bewußt spricht Humbert, der erste Deutsche an der Spitze des europäischen Flugzeugbauers Airbus, den Unternehmensnamen französisch aus.
Denn hier in Toulouse, am Stammsitz des Konzerns mit rund 53 000 Beschäftigten weltweit, gilt Airbus noch immer als ein französisches Unternehmen. Und daher kam es schon einem kleinen Erdbeben gleich, daß Humbert nach endlosen Querelen vor drei Monaten den bisherigen Chef Noël Forgeard ablöste.
Wenn es Probleme gibt, geht Humbert auf die Kollegen zu, spricht sie offensiv an. Der Ruf des Teamarbeiters eilt ihm voraus. Ruhig und rational wirkt der Mann mit dem charakterischen Backenbart, der in Celle geboren wurde und schon seit 25 Jahren für Airbus arbeitet.
Ehrgeizige Ziele hat er sich gesteckt. Den Marktanteil gegenüber Konkurrent Boeing will er dauerhaft bei 50 Prozent halten. Schwierig in einem Jahr, in dem Airbus bei den festen Bestellungen bei 407, Boeing schon bei 616 Flugzeugen liegt. Am Ende des Jahres will Airbus aber 700 Bestellungen in den Büchern haben. Um sich im "sportlichen Wettkampf" zu behaupten, setzt Humbert auf die Kundenzufriedenheit. "Hier müssen wir die Nummer eins werden." Wenn er über die Details spricht, scheint der Ingenieur durch. Alle "Interfaces" (Schnittstellen) mit dem Kunden wolle er "messen", um sich ein komplettes Bild zu machen, erläutert Humbert.
Hilfreich könnte es sein, wenn Airbus nicht nur auf die Hereinnahme neuer Aufträge, sondern auch auf deren Abarbeitung schauen würde. Die Komplexität des Prestigeprojekts A380 hat der Flugzeugbauer unterschätzt, das geben auch die Leiter des Produktionsprogramms zu. Ein halbes Jahr später als geplant, also Ende 2006, wird nun Singapur Airlines die ersten Maschinen erhalten. Eine deutliche Strafe wird Airbus dafür zahlen müssen. Die Größenordnung? "Wir sprechen darüber nicht", sagt Humbert.
Mittlerweile sind die Engpässe in der Produktion behoben. Die ersten neun Modelle des A380 sind fertig, doch der Weg zum Erfolg ist noch weit: 159 Maschinen stehen in den Auftragsbüchern, die Gewinnschwelle liegt bei 250 Fliegern. 30 Flugzeuge mehr könnte Airbus bis 2010 verkaufen, wenn sie nur gebaut werden könnten.
In dieser Situation hat sich Airbus noch ein zweites Großprojekt ans Bein gebunden. Der A350 soll dem neuen 787 "Dreamliner" von Boeing Paroli bieten. "Der Markt verlangt nach dieser Maschine", verteidigt Humbert das schnelle Vorgehen. Ein neuer Kraftakt für Airbus, der mit 1200 zusätzlichen Ingenieuren bewältigt werden soll. "Zudem werden 2000 Arbeitsplätze bei Zulieferern, sowie Tausende weitere Arbeitsplätze bei Airbus und unseren Partnern entstehen", sagt Humbert.
Der Chef hat sich persönlich davon überzeugt, daß das A350-Programm die Fertigstellung der anderen Maschinen nicht gefährdet. "An wichtigen Punkten gehe ich sehr weit in die Tiefe", sagt Humbert, während sein Zeigefinger aus der Luft auf die Tischplatte stößt.
Sein zweites großes Ziel ist die Steigerung der Profitabilität. Die operative Marge von zehn Prozent wolle er trotz der Investitionen für den A350 mindestens konstant halten. Mit einem Gewinn von 1,92 Milliarden Euro war Airbus im vergangenen Jahr die Cash-Cow des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Mit einem zusätzlichen Programm zur Kostenreduzierung will Humbert zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro bis 2010 einsparen. "Die genaue Summe hängt am Dollarkurs und an den Preisen, die wir für unsere Flugzeuge erzielen." Grundsätzlich will der Airbus-Chef nicht mehr jeden Preiskampf der Konkurrenz mitmachen. "Wir werden lieber auf ein Geschäft verzichten, wenn dies auf Kosten der Marge geht." Voraussetzung dafür sei aber, daß man den Marktanteil bei 50 Prozent halten könne.
Den Erhalt der Gewinnmarge hält Humbert auch deshalb für entscheidend, weil er zwischen 2008 und 2011 mit einem Rückgang des weltweiten Flugzeugmarktes rechnet. Dafür müsse Airbus gewappnet sein. Trotz der Großprojekte solle Airbus daher auch nicht ewig weiterwachsen. "Die Gesamtzahl der Mitarbeiter sehe ich bei 56 000."
Mehr als selbst zu wachsen denkt Humbert über eine Auslagerung weiterer Tätigkeiten an Partnerfirmen nach. Die Fertigungstiefe könne von heute 60 auf künftig 30 Prozent sinken. "Dabei werden die Kernkompetenzen aber im Unternehmen bleiben."
Ganz als Diplomat gibt sich Humbert im Dauerstreit mit Konkurrent Boeing um die Subventionen für die beiden Flugzeugbauer. Den zeitweiligen Verzicht auf Staatsdarlehen für den A350 will der Airbus-Chef als eine "offene Geste" verstanden wissen. So hofft er, den Streit mit den Amerikanern nicht vor Gericht austragen zu müssen. "Die Frage muß politisch gelöst werden, wenn wir das den Anwälten übergeben, bleibt nur ein Scherbenhaufen." Erste positive Signale aus Seattle gebe es bereits.
Am Ende des Gesprächs blickt Humbert auf seine Armbanduhr, auf der ein kleiner Flieger als Sekundenzeiger im Kreis tickt. Der Flieger nach Paris zu Ministerpräsident Dominique de Villepin wartet schon. Ein Gespräch auf französisch, nur die Details werden auf englisch verhandelt. "Zum Florettfechten reicht mein Französisch noch nicht", sagt Humbert lächelnd.
http://www.abendblatt.de/daten/2005/10/15/492610.html