Zu diesem Unfall liegt der Abschlussbericht vor (russisch):
https://mak-iac.org/upload/iblock/821/report_ra-35171.pdf
Auch wenn der Name damals schon hier erwähnt wurde, habe ich erst kürzlich erfahren, dass Boris Tylevich als "Copilot" in diesem Flugzeug saß und verunglückt ist. Boris war ein absoluter Luftfahrtfan, der auf seinen Flügen viel fotografiert und gefilmt hat - und im Netz viel dazu gepostet hat. Er hat oft Kleinflugzeuge aus den USA nach Russland überführt, oft direkt vom Cessna Werk in Wichita. Zuletzt war er als Copilot in einem Gulfstream Jet unterwegs - und er war sichtlich stolz, es als Berufspilot endlich bis dorthin "geschafft" zu haben. Ich habe seine Flüge jahrelang gerne verfolgt - weil er schöne Aufnahmen gemacht hat und oft in Regionen unterwegs war, in denen ich selbst wahrscheinlich nie fliegen werde.
Dass er in der An-2 mitgeflogen ist (ggf. einfach weil er filmen wollte?), war allerdings ganz offensichtlich keine weise Entscheidung gewesen, wenn man den Unfallbericht liest - auch unabhängig davon, dass es zum Unfall kam.
Eines seiner schönen Videos:
Traurig schön, in nachhinein. RIP.
Zum Unfallbericht:
Der Flug war aus mehreren Gründen nicht legal: der Pilot hatte zwar 2005 eine An-2 Musterberechtigung gemacht, diese war aber 2006 abgelaufen, bzw. seine (militärische?) Lizenz in der das eingetragen war. In seiner aktuellen Lizenz war die An-2 nicht eingetragen. Das Flugzeug selbst hatte schon seit 2012 keine gültige Lufttüchtigkeit mehr - hätte seitdem nicht mehr fliegen dürfen.
Der Flug wurde im Cockpit mit einer GoPro-Kamera aufgenommen (vermutlich die Kamera von Boris), deren Aufnahmen ausgewertet wurden. Steuereingaben und Anzeigen einiger Instrumente waren erkennbar.
Die Maschine wurde mit einem maximalen Rollwinkel von ca. 80° und im Abschwung mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300km/h geflogen - deutlich über den erlaubten Limits der An-2 (45° Rollwinkel, 255 km/h). Neben der Tatsache, dass der Flug aus schon aus formalen Gründen illegal war, haben die Unfalluntersucher auch einen technischen Aspekt gefunden, der vermutlich beigetragen hat: auf dem Video ist zu sehen, dass der Pilot (am linken Steuerhorn) während des Abschwungs Steuereingaben macht, um die Linkskurve auszuleiten (u.a. 3/4 Drehung des Steuers nach rechts), das rechte Steuerhorn dabei aber zunächst fast in Neutralstellung bleibt. Die beiden Steuer sind in der An-2 mit separaten Seilzügen an ein Rudergestänge angebunden. Die Position des rechten Steuerhorns zeigt also, dass die Ruder den Eingaben am linken Steuer (noch) nicht gefolgt waren.
Die Ermittler konnten nachstellen, dass bei so hohen Geschwindigkeiten so große Ruderkräfte nötig werden, dass sich die Steuerung verwindet. In der Folge schlagen die Ruder nur noch sehr träge aus - und die An-2 reagiert damit noch mal deutlich träger, als es bei normalen Fluggeschwindigkeiten ohnehin schon der Fall ist. Der Pilot hat den Effekt der überhöhten Fluggeschwindigkeit auf die Steuerung vermutlich unterschätzt und folglich viel zu spät versucht, die Maschine noch abzufangen bzw. das Rollen auszuleiten.
Ich kann nicht erkennen, dass er es versucht hat. Er hat an der Kurve festgehalten.
Versucht hat er es schon, wie der Unfallbericht zeigt, aber er war viel zu schnell, um die Ruder noch normal bewegen zu können - bzw. zu tief, um die träge Reaktion noch abwarten zu können.