Hallo zusammen,
bin kein Anwalt der letzen Verteidigungsminister (an dem Bockmist haben sich seit Mitte der 90er ja einige der Herren vergriffen) bzw. der Praktiken die im BMVg vorherrschen.
Um einen Vertrag zu kippen bzw. zu lösen bedarf es eines Vertragsbruchs (Fehler) auf einer der beiden Seiten oder der Einwilligung der beiden Vertragsparteien. Fehler haben beide Parteien gemacht und an der Stelle fängt das Fingerpointing an. Bis der Staat rechtsverbindlich Klarheit mit der Industrie geschaffen hat (vor Gericht ist es wie auf hoher See) können noch Jahre mit einem schwebenden Verfahren und offenen Ausgang verlaufen. Die Auswirkungen auf ein internationales Projekt (Tiger >> Frankreich, Spanien und Deutschland | NH-90 >> Italien, Frankreich, Deutschland, etc.) sind da noch gar nicht berücksichtigt. Daher begrüße ich die Einigung.
Über die Details kann man sich streiten und ob hier oder da Millionen mehr an Staatsgeldern eingespart werden könnte wird auf politischer Ebene geklärt werden müssen. Zu Bedenken gebe ich aber folgende Punkte:
- Ein Marine-Hubschrauber (samt Equipment) kostet nun mal mehr als ein Truppentransporter. In den meisten Medien wird die erhöhte Komplexität und der höhere Preis für einen MH-90 zu wenig differenziert. Man könnte meinen, der unbedarfte Leser wird bewusst darüber in unklaren gelassen und denkt für 40 gestrichene NH-90 bekommen wir nur 18 MH-90. Im Prinzip schon, aber die Kosten je Stk. auch einiges mehr!
- Die Marine will einen anderen Hubschrauber, ja das lese ich an verschiedenen Stellen. Die Marine bzw. die Bundeswehr will auch ein JSS und hat Keines. Will man jetzt lieber auf den MH-90 verzichten und mit Sea King weiter fliegen bis irgendwann (vielleicht 2020 oder später) sich das Budget auftut für den eigenen Wunsch oder fliegt man dann doch lieber zeitnah mit neuen MH-90?
- Andere Länder nutzen auch den MH-90 in ihren Marinen (z. B. Frankreich, Niederlande, Belgien). Haben die keine Ahnung? Hat unsere Marine einen komplett anderen Auftrag?
- Oft wird auch kolportiert, wir sollten die komplette Stückzahl NH-90 und Tiger abnehmen und wieder verkaufen. Die Frage ist nur, an wen bitte schön? Den Tiger (gerade in der deutschen Konfiguration) bekommen wir fast gar nicht verkauft, da die Länder welche ihn vielleicht kaufen könnten ihn nicht kaufen dürfen. Die Bundeswehr müsste dann noch Verkaufsstrukturen aufbauen oder wollt ihr den ganzen Kram auf der Internetseite von VEBEG zum Versteigern anbieten? Wird die Bundeswehr dann auch den Support und die Garantie übernehmen, wie habt ihr euch das vorgestellt? Die Support- und Garantieleistungen von EADS sind sicher auf Deutschland beschränkt, müssten potentielle Käufer noch mit Eurocopter nachverhandeln oder das Zeug im Schadensfall bzw. für Inspektionen nach Deutschland schaffen? Wohl kaum! Außerdem müssen abgenommene Hubschrauber, auch wenn sie nicht geflogen werden, bei EADS abgeholt irgendwo, bei der Bundeswehr gelagert und gewartet werden, die Kosten haben wir uns mit dem Deal gespart. Die Garantie, die Kisten zu einem guten Preis los zu werden haben wir nicht, wohlmöglich stehen die ein paar Jahre. Eines ist klar, den Preis den wir an Eurocopter gezahlt haben, bekommen wir für "gebrauchte" Ware (auch mit wenigen Flugstunden) garantiert nicht. Abschläge von > 30% muss man auf jeden Fall einkalkulieren.
- Was mich an dem Deal stört sind die handwerklichen Fehler beim Rückkauf der UHT, da kommt noch mal ein Nachschlag welcher nach meinem Kenntnisstand nicht spezifiziert ist. Kauft EADS zum Neuwagenpreis (ca. 40 Millionen €) zurück? Wohl kaum, daher hätte ich das jetzt genau definiert (zum Beispiel: STEP-1-Hubschrauber mit 500 Flugstunden zu 15 Mill. €, mit 750 Flugstd. mit 12,5 Mill. EUR, etc.). Das wäre für alle Beteiligten transparent gewesen und hätte die Einsparung doch etwas größer erscheinen lassen. Der Streit ist jetzt schon vorprogrammiert :(
- Weiterhin ist mir nicht bewusst wie viele UHT wir jetzt final fliegen, 57 oder 57 - 11 (welche EADS zurücknimmt)?
Der Deal ist vielleicht nicht der Beste aber irgendwie musste der Knoten durchschlagen werden. Bei Rüstungsgeschäften (machen wir uns nichts vor) hat in der Regel der Auftraggeber (Staat) die etwas schlechteren Karten. Will er nicht ein Projekt direkt kippen (bei Multinationalen Projekten sowieso äußerst schwierig) muss er mit Kostensteigerungen rechnen (Kostensteigerung ist hier z.T. durch Stückzahlreduktion ersetzt worden). Will ein Land Rüstungsindustrie haben muss man auch ein Teil des Risikos tragen, ansonsten kauft man von der Stange im Ausland.
Viele Grüße aus Essen