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ABGESANG AUF DEN JUMBO-JET
Bye-bye, Buckelwal
Als im Februar 1969 der erste Jumbo-Jet startete, begann eine Revolution in der Luftfahrt. Jetzt stürzt der dreistöckige Riesenflieger A380 das inzwischen betagte Boeing-Modell vom Thron.
New York - Der Riesenflieger mit dem ungewöhnlichen Buckel prägte die Flug-Erfahrungen einer ganzen Generation. Für viele Menschen machte er das Fliegen überhaupt erst erschwinglich - über 3,5 Milliarden Menschen sind in den vergangenen 36 Jahren mit der Boeing geflogen, die sich offiziell 747 nennt. Nachdem der Jumbo die letzten drei Jahrzehnte dominiert hat, soll nun der der A380 das "Flaggschiff des 21. Jahrhunderts" werden und die frisch errungene Vorherrschaft der europäischen Flugzeugindustrie über die amerikanische sichern.
Der Erfolg des Jumbos erscheint im Rückblick fast märchenhaft. Der erste deutsch-französische Airbus, der sich 1972 in die Luft erhob, blieb im Vergleich zu den Boeing-Maschinen jahrelang ein viel bespöttelter Ladenhüter. Trotz massiver Subventionen erschien die Übermacht der amerikanischen Konzerne Boeing, Lockheed und McDonnell-Douglas erdrückend.
Europäer boten gemeinsames Projekt an
Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und neue Techniken wie der Ersatz des herkömmlichen Steuerknüppels durch einen Joy-Stick ließen die Europäer zwar allmählich Fuß fassen. Doch das lukrative Monopol bei Großflugzeugen sicherte Boeing weiterhin einen gewaltigen Vorteil - zuletzt war der Riesenflieger 747 das letzte Produkt, bei dem Boeing eine Monopolstellung genoss. Verhandlungen von Airbus mit Boeing über die gemeinsame Entwicklung eines Jumbo-Nachfolgers scheiterten 1995. Darauf wagten die Europäer den Alleingang - das Projekt A3XX.
Die Luftfahrtkrise im Gefolge von Terroranschlägen, Konjunkturabsturz und Sars-Epidemie in Asien trafen Boeing weit härter als Airbus. Vor zwei Jahren überflügelten die Europäer den Konkurrenten aus Chicago zum ersten Mal bei der Zahl der ausgelieferten Flugzeuge. Auch im vergangenen Jahr hatte Airbus mit 320 ausgelieferten Maschinen die Nase vorn, Boeing kam nur auf 285. In diesem Jahr plant Boeing 320, Airbus aber 350 bis 360 Flugzeuge zu verkaufen.
Größer, sparsamer, ausdauernder
Der jetzt präsentierte doppelstöckige Airbus lässt den Jumbo alt aussehen - der Neue ist größer, sparsamer und fliegt weiter. Rund 14 Milliarden Euro hat das die Airbus-Gesellschafter und die europäischen Steuerzahler gekostet. Dafür konstruierten die Entwicklungsingenieure ein leichtes Hightech-Flugzeug mit einem Rumpf aus einem Aluminium-Glasfaser-Sandwich, einer Flügelaufhängung aus Kohlefasern und einem Leitwerk aus Verbundwerkstoffen.
Das Ergebnis: Der A380 bietet selbst in der komfortabel bestuhlten Variante 555 Passagieren Platz, der Jumbo 416. Er kann 150 statt 110 Tonnen Fracht befördern. Ihre Reichweite beträgt 15.000 statt 14.200 Kilometer. Sie ist leiser. Und mit einem Spritverbrauch von 3,3 Litern pro 100 Passagierkilometer lässt sie den Jumbo, der gut vier Liter schluckt, auch in einer der wichtigsten Disziplinen hinter sich.
Jumbo 80 Millionen Dollar billiger
Laut Preisliste ist die Boeing schon ab 198 Millionen Dollar zu haben und damit viel billiger als der Airbus, der stolze 280 Millionen Dollar kosten soll. Wichtige Kunden erhalten allerdings in der Regel hohe Rabatte.
Das Duell der Giganten scheint bereits entschieden zu sein, noch bevor die A380 im März zu ihrem Jungfernflug startet. Viel mehr als die bisher verkauften 1350 Jumbos dürfte Boeing kaum mehr an die Airlines verkaufen. Im vergangenen Jahr erhielt der US-Konzern gerade mal zehn Bestellungen. Airbus dagegen hat bereits 149 Aufträge in den Büchern. Jüngster Kunde ist der Paketdienst UPS , der vergangene Woche zehn Frachtversionen der A380 orderte.
Angesichts des Gedränges bei den Landerechten in Asien seien größere Flugzeuge eine Lösung, erklärte UPS-Sprecher Norman Black: "Wenn man nicht mehr Flugzeuge losschicken kann, muss man einen anderen Weg finden, um die Kapazität zu erweitern."
Wettstreit der Visionen
Nach der Ankündigung der A380 hatte Boeing zunächst aufs falsche Pferd gesetzt. Zunächst plante der amerikanische Flugzeugbauer eine Stretch-Version der 747, dann kündigte er den Bau eines fast überschallschnellen Sonic Cruisers an. Die Kunden reagierten kühl. "Das war ein Fall, wo wir den Markt ein wenig falsch eingeschätzt haben", räumte Entwicklungs-Chefingenieur David von Trotha ein. Inzwischen setzt Boeing darauf, dass künftig weniger Riesenflugzeuge zur Verbindung internationaler Drehscheiben gebraucht werden als vielmehr Langstreckenflieger, die zahlreiche Ziele direkt ansteuern.
Airbus wie Boeing erwarten übereinstimmend einen gewaltigen Aufschwung im Luftverkehr in den nächsten 20 Jahren, vor allem in Asien. Beide rechnen mit jährlich über fünf Prozent mehr Passagieren und sechs Prozent mehr Fracht. Um steigende Nachfrage, zunehmende Verkehrsdichte und niedrige Betriebskosten unter einen Hut zu bringen, sind laut Airbus aber 1650 neue Maschinen der Jumbo-Klasse nötig. Das entspreche 22 Prozent des Gesamtumsatzes im Flugzeugmarkt. Boeing dagegen rechnet nur mit der Hälfte.
Der eigentliche Wachstumsmarkt eröffne sich für mittelgroße, sparsame Langstreckenjets wie die 7E7 Dreamliner mit rund 250 Sitzen - Boeings erste Neuentwicklung seit 15 Jahren. Dass dieser Markt tatsächlich sehr attraktiv sein könnte, bewies die Reaktion von Airbus: Der Konzern bot sofort Paroli und kündigte eine Fortentwicklung der A330 zum A350 an.
Roland Losch, AP
Quelle (mit Fotostrecke):
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,336748,00.html
Bye-bye, Buckelwal
Als im Februar 1969 der erste Jumbo-Jet startete, begann eine Revolution in der Luftfahrt. Jetzt stürzt der dreistöckige Riesenflieger A380 das inzwischen betagte Boeing-Modell vom Thron.
New York - Der Riesenflieger mit dem ungewöhnlichen Buckel prägte die Flug-Erfahrungen einer ganzen Generation. Für viele Menschen machte er das Fliegen überhaupt erst erschwinglich - über 3,5 Milliarden Menschen sind in den vergangenen 36 Jahren mit der Boeing geflogen, die sich offiziell 747 nennt. Nachdem der Jumbo die letzten drei Jahrzehnte dominiert hat, soll nun der der A380 das "Flaggschiff des 21. Jahrhunderts" werden und die frisch errungene Vorherrschaft der europäischen Flugzeugindustrie über die amerikanische sichern.
Der Erfolg des Jumbos erscheint im Rückblick fast märchenhaft. Der erste deutsch-französische Airbus, der sich 1972 in die Luft erhob, blieb im Vergleich zu den Boeing-Maschinen jahrelang ein viel bespöttelter Ladenhüter. Trotz massiver Subventionen erschien die Übermacht der amerikanischen Konzerne Boeing, Lockheed und McDonnell-Douglas erdrückend.
Europäer boten gemeinsames Projekt an
Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und neue Techniken wie der Ersatz des herkömmlichen Steuerknüppels durch einen Joy-Stick ließen die Europäer zwar allmählich Fuß fassen. Doch das lukrative Monopol bei Großflugzeugen sicherte Boeing weiterhin einen gewaltigen Vorteil - zuletzt war der Riesenflieger 747 das letzte Produkt, bei dem Boeing eine Monopolstellung genoss. Verhandlungen von Airbus mit Boeing über die gemeinsame Entwicklung eines Jumbo-Nachfolgers scheiterten 1995. Darauf wagten die Europäer den Alleingang - das Projekt A3XX.
Die Luftfahrtkrise im Gefolge von Terroranschlägen, Konjunkturabsturz und Sars-Epidemie in Asien trafen Boeing weit härter als Airbus. Vor zwei Jahren überflügelten die Europäer den Konkurrenten aus Chicago zum ersten Mal bei der Zahl der ausgelieferten Flugzeuge. Auch im vergangenen Jahr hatte Airbus mit 320 ausgelieferten Maschinen die Nase vorn, Boeing kam nur auf 285. In diesem Jahr plant Boeing 320, Airbus aber 350 bis 360 Flugzeuge zu verkaufen.
Größer, sparsamer, ausdauernder
Der jetzt präsentierte doppelstöckige Airbus lässt den Jumbo alt aussehen - der Neue ist größer, sparsamer und fliegt weiter. Rund 14 Milliarden Euro hat das die Airbus-Gesellschafter und die europäischen Steuerzahler gekostet. Dafür konstruierten die Entwicklungsingenieure ein leichtes Hightech-Flugzeug mit einem Rumpf aus einem Aluminium-Glasfaser-Sandwich, einer Flügelaufhängung aus Kohlefasern und einem Leitwerk aus Verbundwerkstoffen.
Das Ergebnis: Der A380 bietet selbst in der komfortabel bestuhlten Variante 555 Passagieren Platz, der Jumbo 416. Er kann 150 statt 110 Tonnen Fracht befördern. Ihre Reichweite beträgt 15.000 statt 14.200 Kilometer. Sie ist leiser. Und mit einem Spritverbrauch von 3,3 Litern pro 100 Passagierkilometer lässt sie den Jumbo, der gut vier Liter schluckt, auch in einer der wichtigsten Disziplinen hinter sich.
Jumbo 80 Millionen Dollar billiger
Laut Preisliste ist die Boeing schon ab 198 Millionen Dollar zu haben und damit viel billiger als der Airbus, der stolze 280 Millionen Dollar kosten soll. Wichtige Kunden erhalten allerdings in der Regel hohe Rabatte.
Das Duell der Giganten scheint bereits entschieden zu sein, noch bevor die A380 im März zu ihrem Jungfernflug startet. Viel mehr als die bisher verkauften 1350 Jumbos dürfte Boeing kaum mehr an die Airlines verkaufen. Im vergangenen Jahr erhielt der US-Konzern gerade mal zehn Bestellungen. Airbus dagegen hat bereits 149 Aufträge in den Büchern. Jüngster Kunde ist der Paketdienst UPS , der vergangene Woche zehn Frachtversionen der A380 orderte.
Angesichts des Gedränges bei den Landerechten in Asien seien größere Flugzeuge eine Lösung, erklärte UPS-Sprecher Norman Black: "Wenn man nicht mehr Flugzeuge losschicken kann, muss man einen anderen Weg finden, um die Kapazität zu erweitern."
Wettstreit der Visionen
Nach der Ankündigung der A380 hatte Boeing zunächst aufs falsche Pferd gesetzt. Zunächst plante der amerikanische Flugzeugbauer eine Stretch-Version der 747, dann kündigte er den Bau eines fast überschallschnellen Sonic Cruisers an. Die Kunden reagierten kühl. "Das war ein Fall, wo wir den Markt ein wenig falsch eingeschätzt haben", räumte Entwicklungs-Chefingenieur David von Trotha ein. Inzwischen setzt Boeing darauf, dass künftig weniger Riesenflugzeuge zur Verbindung internationaler Drehscheiben gebraucht werden als vielmehr Langstreckenflieger, die zahlreiche Ziele direkt ansteuern.
Airbus wie Boeing erwarten übereinstimmend einen gewaltigen Aufschwung im Luftverkehr in den nächsten 20 Jahren, vor allem in Asien. Beide rechnen mit jährlich über fünf Prozent mehr Passagieren und sechs Prozent mehr Fracht. Um steigende Nachfrage, zunehmende Verkehrsdichte und niedrige Betriebskosten unter einen Hut zu bringen, sind laut Airbus aber 1650 neue Maschinen der Jumbo-Klasse nötig. Das entspreche 22 Prozent des Gesamtumsatzes im Flugzeugmarkt. Boeing dagegen rechnet nur mit der Hälfte.
Der eigentliche Wachstumsmarkt eröffne sich für mittelgroße, sparsame Langstreckenjets wie die 7E7 Dreamliner mit rund 250 Sitzen - Boeings erste Neuentwicklung seit 15 Jahren. Dass dieser Markt tatsächlich sehr attraktiv sein könnte, bewies die Reaktion von Airbus: Der Konzern bot sofort Paroli und kündigte eine Fortentwicklung der A330 zum A350 an.
Roland Losch, AP
Quelle (mit Fotostrecke):
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,336748,00.html
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