Also das hier geschriebene kann man einfach nicht so unwidersprochen stehen lassen. Da muss ich mal meinen Forenurlaub unterbrechen.
Einige Bemerkungen zur Me 264, die im Rahmen der Bomberentwicklungen auch Konkurrent zu Junkerskonstruktionen war und mit der ich mich ein wenig beschäftigt habe. Vorweg: Die 264 wurde im RLM als „Operettenbomber“ bezeichnet. Heißt, viel Schein, weniger Sein. Messerschmitt hat sich mit der Kiste vollkommen übernommen, beim Entwurf, Versuchsbau, Durchkonstruktion sowie bei einem möglichen späteren Serienbau. So ein 4-Mot ist halt ein anderes Kaliber als ein Jäger.
Ein Ausschnitt aus der GL-Besprechung vom 24. April 1943:
Hier kommt die 264 schon mal nicht besonders gut weg. An einen vernünftigen Durchlauf bei Messerschmitt ist anscheinend nicht zu denken. Also kommt man auf die Idee, den Entwurf anderen Firmen anzubieten, die alle mehr Erfahrungen im Großflugzeugbau haben. Erwartungsgemäß lehnen die das Angebot ab. Anscheinend war es keine gute Idee, erfahrenen Firmen im Großflugzeugbau (Do, Fw) den Entwurf einer Fremdfirma (Me) zur Weiterbearbeitung anzubieten.
Das Ergebnis der Besprechung sieht dann folgendermaßen aus, nach Rücksprache mit den Fachleuten:
Die 264 war hier also quasi schon raus. (Die anderen genannten Flugzeuge werden auch besprochen, das würde aber hier den Rahmen sprengen.)
Doch plötzlich in der Besprechung vom 09.07.43 ist die 264 wieder im Spiel:
Was war passiert? Nun, Ende Juni und nochmals im September 1943 hatte Hitler die Entwicklungschefs der Flugzeugfirmen zu sich auf den Obersalzberg befohlen - ohne Göring und Milch. Messerschmitt war bestens vorbereitet und machte Hitler die 264 mit Engelszungen schmackhaft.
„[Messerschmitt] gab genauesten Vortrag über die Leistungen der Me 264, jenen Fernbomber, der kurz zuvor im GL zurückgestellt worden war, mit der Folge, dass Hitler wünschte, die Maschine mit allem Nachdruck weiterzubauen.“ (Budraß S.862) und:
„Der Führer ist darüber ungehalten, dass die weitreichende Maschine von der Luft noch nicht aufgegriffen wurde.“ (Budraß, Luftrüstung, S.863) Also musste der GL die 264 wohl oder übel wieder aufs Tableau heben nach Intervention des Luftfahrtlaien Hitler.
Die Unterredungen bei Hitler hatten nicht nur für die 264 weitreichende Folgen, sondern für die gesamte Luftrüstung:
„Nach der Besprechung im September 1943 konnte Messerschmitt beliebig in den Entscheidungsprozess des GL eingreifen. ‚Der sagt einfach: Ich gehe zum Führer, was interessiert mich der Feldmarschall überhaupt noch.‘ charakterisierte Milch die neuen Verhältnisse.“ (Budraß, S.864)
So wollte Messerschmitt zu 100% auf die Gefolgschaft von Dornier zugreifen sowie Blohm & Voss schließen und seinem Konzern einverleiben. (Schreiben Mtt. an Seiler, Budraß S.860) Die Auseinandersetzungen mit Messerschmitt begannen bereits im Frühjahr 1942. So drohte Mtt. dort bereits, Hitler oder Göring zu konsultieren, sollte er mit seiner Ansicht nicht beim GL durchdringen. (Budraß S.863) Das betraf übrigens auch die Me 209.
Die 264 war bis Spätsommer 1944 mit unterschiedlichen Dringlichkeitsgraden im Programm (siehe Sammelberichte des Rüstungsstabes), bis sie schließlich Ende September 1944 endgültig abgesetzt wurde, ohne dass Messerschmitt bis dahin ein annähernd komplettes Erprobungsprogramm durchgezogen hätte, geschweige denn irgendwelche Serienvorbereitungen.
Hier eine vernichtende Stellungnahme zur 264, verfasst vom KdE bzw. der E-Stelle Rechlin, für mich eine der letzten vernünftig agierenden Einrichtungen in der nun von NS-Rüstungsbürokraten beherrschten Luftrüstung:
Die 264 kam übrigens Anfang 1945 nochmals zur Sprache zusammen mit dem TL-Bomber Ju 287. Messerschmitt war aber mit der nicht zufrieden, sondern forderte, dass alle Entwicklungsingenieure der Bomberfirmen in einer Kaserne in Oberammergau zusammengezogen werden sollten, um unter seiner Leitung (was sonst) den ultimativen TL-Bomber zu entwickeln (Mtt. an Rüstungsstab/HDL Saur am 25.01.45) Na, wenn das kein Größenwahn war, weiß ich auch nicht.
